Essen-Westviertel. Diskriminierung von Frauen im Alltag ist oft unsichtbar. Warum, und welche Beispiele es gibt, zeigen Essenerinnen jetzt der Öffentlichkeit.

Wenn sich Marie Schulten mit ihrer Workshop-Gruppe in Essen trifft, geht es um die Fernsehshow „Germanys next Topmodel“, aber auch um Angsträume im Essener Stadtgebiet, um überfordernde Care-Arbeit, also die Erschöpfung, die bestimmte Berufe und Tätigkeiten mit sich bringen und um die Unterrepräsentation von Frauen als Teilnehmerinnen medizinischer Studien. Außerdem geht es um Kunst, denn aus den Diskussionen entstehen verschiedene Werke.

Feminismus als Thema einer Ausstellung in Essen

Bei diesen Themen geht es um verschiedene Formen der Diskriminierung von Frauen im Alltag. Den Workshop-Teilnehmenden ist aber auch die Überschneidung von verschiedenen Formen der Benachteiligung, die eine Frau im Alltag erleben kann, wichtig zu thematisieren. Dazu zählen neben dem Geschlecht beispielsweise auch Hautfarbe, Religionszugehörigkeit oder Zugehörigkeit zu einer Gruppe mit Beeinträchtigungen. Intersektionaler Feminismus heißt das im Fachjargon.

Die Ergebnisse ihrer Diskussionen bringt die Gruppe, zu der auch Männer gehören, auf die Leinwand. Am Weltfrauentag, 8. März, können Interessierte sich die Arbeiten in der Essener Weststadthalle, Thea-Leymann-Weg, und im Anschluss noch bis zum 19. April im Melanchthon-Gemeindezentrum in Holsterhausen anschauen.

Angsträume in Essen ist das Thema der Masterarbeit von Marie Schulten. Einige Orte hat sie aus ihrer Perspektive gemalt und stellt sie zum Weltfrauentag aus. Zu den Orten zählen auch verschiedene Bahnstationen im Stadtgebiet.
Angsträume in Essen ist das Thema der Masterarbeit von Marie Schulten. Einige Orte hat sie aus ihrer Perspektive gemalt und stellt sie zum Weltfrauentag aus. Zu den Orten zählen auch verschiedene Bahnstationen im Stadtgebiet. © Schulten

„Kunst ist ein Medium, das für Sichtbarkeit sorgt“, erklärt Workshopleiterin Marie Schulten (29). Die Themen, die die Lehramtsstudentin in den vergangenen Monaten mit den 24- bis 27-jährigen Workshopteilnehmerinnen- und Teilnehmern im Steeler Jugendhaus Hüweg diskutiert hat, seien nämlich oft unsichtbar und würden „leider noch viel zu wenig diskutiert“.

Vielen Menschen sei beispielsweise nicht klar, dass bei Crash-Tests meistens Dummys verwendet werden, die männliche Körper haben. Im Umkehrschluss seien Autos so gebaut, dass sie besonders für männliche Körper sicher sind, erklärt Schulten. Oder, ein Beispiel aus der Medizin: Kardiologin Prof. Christiane Tiefenbacher erklärte kürzlich gegenüber dieser Zeitung: „Die Unterschiede zwischen Männern und Frauen nicht zu berücksichtigen, geht sogar mit einer erhöhten Sterblichkeit von Frauen bei bestimmten Erkrankungen einher.“

Jugendhilfe Essen hat stadtweite Kunstaktion organisiert

Durch die Bilder, die in dem Workshop entstehen, werden nach Angaben von Marie Schulten im ersten Schritt die Künstler und Künstlerinnen selbst zum Nachdenken angeregt, da sie sich mit dem Thema auseinandersetzen und im zweiten Schritt auch die Betrachter. Workshop-Teilnehmerin Miriam Mesenbrock erklärt: „Gerade feministische Kunst kann sehr politisch sein.“ Sie könne Missstände aufzeigen und gesellschaftliche Normen dekonstruieren.“

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In der Weststadthalle werden nicht nur die Ergebnisse dieses Workshops gezeigt, sondern auch die von vielen weiteren Aktionen. Die Bildungspartner der Jugendhilfe Essen haben zusammen mit der geschlechtergerechten Arbeit des Jugendamts Essen die stadtweite Kunstaktion Art-Girlz organisiert. Einzelpersonen, Kinder- und Jugendhäuser sowie Schulklassen präsentieren dabei ihre Ideen zum Themenkreis Frauen(-rechte) und Gleichberechtigung. Zwar könnten die Kunstprojekte nicht konkret etwas an der Ungleichbehandlung verschiedener Menschen ändern, aber eben auf sie aufmerksam machen und sensibilisieren, so Schulten.

Essener Kinder bringen weibliche Vorbilder auf die Leinwand

„Mit ganz verschieden Methoden aus dem Bereich der bildenden Kunst haben die jungen Menschen in Workshops über das letzte halbe Jahr unterschiedliche Aspekte des Themenkomplexes erarbeitet“, erläutert Projektkoordinator Martin Stichler. Kinder der Schule am Steeler Tor haben beispielsweise eine spezielle Street-Art-Technik zur Darstellung weiblicher Vorbilder wie Angela Merken und Anna-Lena Baerbock eingesetzt und im Jugendhof Vogelheim entstanden aus Porträts Bildcollagen.

Diese Essener Workshop-Gruppe Workshopleiterin um Marie Schulten (vorne 2.v.l.) stellt ihre feministischen Arbeiten zum Weltfrauentag in der Weststadthalle aus.
Diese Essener Workshop-Gruppe Workshopleiterin um Marie Schulten (vorne 2.v.l.) stellt ihre feministischen Arbeiten zum Weltfrauentag in der Weststadthalle aus. © Judith Buthe

Allen Beteiligten wichtig ist, dass das Projekt nicht nur Frauen umfasst. Martin Stichler hat selbst auch einen Workshop begleitet und erklärt: „Wir als Männer sind Rollenvorbilder für männliche Teilnehmer und auch für die Frauen.“ Das biete die Chance, nicht nur Interesse an feministischen Themen zu zeigen, sondern auch zu personalisieren, dass Männer nicht immer das stereotype Klischees wie Fußball, Bier und Ballermann erfüllen würden.

Ausstellung in Essen: Nicht nur für Frauen

Marie Schulten sagt, sie lege explizit auch Wert darauf, nonbinäre Menschen einzuschließen. Jene also, die sich weder als Mann noch als Frau fühlen. Auch sie würden zur Gesellschaft dazugehören und es müsse normal werden, sie einzubeziehen. „Mir lag schon immer am Herzen, dass Menschen sich gesehen fühlen.“

Wenn alle im eigenen Umfeld mit diesen Themen sensibler umgehen würden, wäre viel gewonnen, findet Marie Schulten. Zu der Sensibilität zählt für sie auch gendergerechte Sprache: „Gendern ist mir sehr wichtig. Ich will niemanden dazu zwingen. Ich fände es aber schön, wenn sich die Menschen damit auseinandersetzen.“

„Art-Girlz*“: Ausstellung zu Frauenrechten und Gleichberechtigung

Sichtbar werden die Kunstwerke erstmals am Mittwoch, 8. März, zwischen 17 und 22 Uhr in der Weststadthalle Essen, Thea-Leymann-Straße 23. Der Eintritt ist kostenlos. Ab 19 Uhr gibt’s dort außerdem Live-Musik des Sarah-Mesenburg-Vokaltrios. Ebenfalls am 8. März gibt es von 11 bis 13 Uhr gesonderte Führungen für Schulklassen. Die Organisatoren und Organisatorinnen bitten um Anmeldungen per E-Mail an bildungspartnerinnen@jh-essen.de.

Danach wandert die Ausstellung ins Holsterhauser Melanchthon-Gemeindezentrum, Melanchthonstraße 3. Nach Gottesdienst (11.15 Uhr) und Vernissage (12 Uhr) am Sonntag, 12. März, kann die Schau dort vom 13. März bis zum 19. April montags, mittwochs und donnerstags von 14 bis 18 Uhr besichtigt werden.

Wer Interesse hat, beim offenen Atelier von Marie Schulten mitzuwirken, meldet sich unter 0201 8854300. Zielgruppe sind Interessierte zwischen 16 und 27 Jahren. Die Gruppe trifft sich etwa zweimal im Monat im Jugendhaus Hüweg, Hünninghausenweg 84 in Essen-Steele. Der nächste Wortshop beginnt voraussichtlich im Herbst.

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