Essen. Im zwölften Jahr ihres Bestehens schaut die Weststadthalle nach vorn: Über Jugendkultur, Highlights 2023 und was nach Corona anders geworden ist.

Im zwölften Jahr ihres Bestehens will die Weststadthalle nach überstandener Corona-Krise noch stärker als in der Vergangenheit eine „Halle für alle“ sein – wenn man mit „alle“ jene Bürgerinnen und Bürger meint, die zwischen 16 und 27 Jahre alt sind.

Konnte die Weststadthalle das legendäre Jugendzentrum Papestraße beerben?

„Die Weststadthalle füllt mit Musik, Comedy, Parties und Poetry Slams für junge Leute ein Format, das vorher gefehlt hat“ sagt Jörg Sender vom Jugendamt der Stadt Essen. Er erinnert sich an die Anfangstage der Weststadthalle im Jahr 2011. Das legendäre Jugendzentrum an der Papestraße in Holsterhausen – dort traten einst „Kraftwerk“ und Herbert Grönemeyer auf, die „Songtage 1968“ wurden dort ersonnen – musste abgerissen werden. Die Weststadthalle sollte die Papestraße beerben – einerseits. Andererseits war allen klar, dass allein wegen der baulichen Unterschiede die Weststadthalle ganz anders funktionieren würde.

„Aber wie, das wussten wir alle nicht so recht.“ In der Papestraße, die baulich einer Schule glich, gab es Seminarräume und viel Platz für offene Jugendarbeit, Ehemalige sprachen von einer „Diskutier- und Musikbude.“ Die Weststadthalle zog ein in eine alte Krupp-Halle, mit zentraler, hoher Veranstaltungshalle und einem einladenden Gastro-Bereich. Die Weststadthalle ist zwar zentral gelegen, direkt neben Berliner und Limbecker Platz – und doch: Weil sie hinter den Cinemaxx-Türmen liegt, kennt nicht jeder ihr Gesicht, ist das Gebäude mit der eindrucksvollen Glasfassade nicht jedem ein städtebaulicher Begriff.

Ein Teil des Teams der Weststadthalle am Ort des Geschehens (von links) Simon Scheve-Kähler, Marc Kollorz, Stefan Sapone, Ronja Göhausen, Jörg Sender, Jan Seglitz und Ben Mischke.
Ein Teil des Teams der Weststadthalle am Ort des Geschehens (von links) Simon Scheve-Kähler, Marc Kollorz, Stefan Sapone, Ronja Göhausen, Jörg Sender, Jan Seglitz und Ben Mischke. © FUNKE Foto Services | Kerstin Kokoska

Doch man fing 2011 einfach an – mit Konzerten, Lesungen, Parties, und viele Veranstaltungen haben bis heute freien Eintritt, und bei allem wird streng drauf geachtet, dass die Zielgruppe, die Jugendlichen, im Fokus bleibt: „Wir hatten auch schon Anfragen für Pink-Floyd-Tribute-Shows“, sagt Sender. „Das würde vielleicht mir persönlich gefallen, aber so etwas passt nicht zur Zielgruppe.“ Sender, in Ehren ergraut, zählt bald zu den Dienstältesten hier.

Vor Corona kamen 60.000 Gäste jährlich, im Jahr 22 waren es 35.000

Im letzten Jahr kamen rund 35.000 Gäste in die Weststadthalle, vor Corona waren es jährlich im Schnitt 60.000. Als man während der Pandemie wegen des Distanz- und Hygienegebots die Open-Air-Reihe „Trallafitti“ erfand, stellte man bei den Ticketbestellungen fest: „Die Leute kommen mittlerweile von überall her, die Weststadthalle hat einen überregionalen Ruf“, stellt Sender fest. Nicht schlecht für eine kommunale Einrichtung. Ehrensache, dass das Kupferdreher Rap-Duo „257ers“ seine Deutschlandtour in der Weststadthalle beendete, vier Abende ausverkauft, und auch fürs laufende Jahr hat man einige Höhepunkte im Kalender: Der bekannte Comedian „Dennis aus Hürth“ tritt im Mai an, ein Zusatztermin wegen großer Nachfrage. „Wir merkten im Jahr 22“, sagt Marc Kollorz von der Weststadthalle, „dass die Leute beim Neukauf von Tickets immer noch zögerten. Und sie besuchten Veranstaltungen, die mehrfach verschoben wurden.“ Ihm ist weiter wichtig: „Die Weststadthalle steht für Vielfalt. Das ist so und soll so bleiben.“

Ansonsten verstand und versteht sich die Weststadthalle immer auch als Sprungbrett für Künstlerinnen und Künstler, die kurz vorm Durchbruch stehen: „Dikka“ kommt im April, es ist seine erste Deutschlandtour, er macht Hip-Hop für Kinder, ein wenig wie die längst sehr berühmt gewordene Formation „Deine Freunde“ (die übrigens vor Jahren auch schon hier aufgetreten sind).

Poetry-Slam-Szene hat in der Weststadthalle ein festes Domizil

Vieles, was in der Weststadthalle angestoßen wurde, hat ein vitales Eigenleben entwickelt – die Partyreihe „Mr. Wayne“ zum Beispiel mit Trash-Pop aus den Neunzigern und den Nuller Jahren, oder das Poetry-Slam-Format „Weststadt Story“, eine etablierte Nachwuchsförderung. „Wir bieten zwei feste Termine im Monat, um junge Poeten zu coachen und ihnen eine große Bühne zu bieten“, sagt Jan Seglitz, Mitbegründer der „Weststadt Story“ und erfahrener Poetry-Slammer.

Also – zurück zur Normalität? Simon Scheve-Kähler, Sozialarbeiter beim Jugendamt und gleichzeitig der Jugendkultur-Beauftragte der Stadt, nickt und widerspricht gleichzeitig: „Wir haben es mit Jugendkultur zu tun – Normalität gibt es da sowieso nicht.“ Sein Anliegen: „Wir als Team der Weststadthalle bieten jungen Menschen unter professioneller Begleitung, vielfältige Möglichkeiten, sich auszuprobieren und zu präsentieren.“ Ein wichtiges Stichwort für Scheve-Kähler lautet: Freiräume. „Solche Orte sind selten geworden. Es ist wichtig, Jugendlichen Freiräume zu schaffen, um sie mit Leben zu füllen – öffentliche Räume wieder begeh- und nutzbar werden zu lassen.“ Die Weststadthalle ist ein solcher Ort.