Essen-Rüttenscheid. Felicitas Kötter führte den bekannten Rüttenscheider Konditoreibetrieb Kötter Ende der 70er Jahre allein. Wie sie sich unter Männern behauptete.

Felicitas Kötter muss nicht lange überlegen, welchen Rat sie jungen Frauen geben würde. „Lasst euch nicht von den Männern umgarnen“, sagt sie und lacht. Die 89-jährige ist es gewohnt, sich durchzusetzen und gegenüber dem vermeintlich starken Geschlecht zu behaupten. Jahrelang führte sie alleine den bekannten Rüttenscheider Konditoreibetrieb Kötter. Als Frau war sie damit damals Chefin in einer männerdominierten Branche.

1959 eröffneten Heinz und Felicitas Kötter gemeinsam ihren ersten Verkaufsbetrieb. Er stand als Konditor in der Backstube, sie, die studierte Hauswirtschafterin, kümmerte sich ums Geschäft. Was willst du mit einer Frau, die studiert hat?, hatten seine Eltern gefragt. „Für uns war klar: Wir wollen zusammen vorankommen und etwas schaffen“, erinnert sich Felicitas Kötter. Der Ehrgeiz blieb, als Heinz Kötter 1978 an Krebs verstarb und seine Frau von heute auf morgen alleine mit dem Betrieb dastand, der zeitweise vier Läden umfasste.

Essenerin war als Frau in der Konditoreibranche in der Minderheit

„Ich hatte drei Kinder, die kosteten Geld. Mit einem einfachen Gehalt ging das nicht. Also habe ich die Ärmel hochgekrempelt und weitergemacht“, sagt die 89-Jährige schlicht. Nicht nur in der Konditoreibranche, auch in der gesamten Kreishandwerkschaft war sie damals als Frau in der Minderheit. Es galt, sich zu behaupten. Und so habe sie eben „ihren Mann gestanden“, erzählt Kötter. Was so viel hieß wie: Sie setzte sich durch, konnte sehr bestimmend sein – auch in Gesprächen mit der Bank und den Steuerberatern. Das hatte sie schon gelernt, als sie nach ihrem Hauswirtschaftsstudium Hotelpersonal ausgebildet hatte.

So resolut zur Welt gekommen ist Kötter aber nicht. „Ich war als Schülerin sehr artig, auf meinen Zeugnissen stand immer: Sie muss mehr aus sich herauskommen“, berichtet sie. Erst nach ihrem Staatsexamen habe sie das Gefühl gehabt: Ich bin wer und ich kann was. Ob sie auch so weit gekommen wäre, wenn sie so artig und zurückhaltend geblieben wäre wie als Schülerin? Kötter lacht. Ganz sicher nicht: „Man muss seine Meinung vertreten und diskutieren können.“

Susanne Kötter (l.) hat den Rüttenscheider Familienbetrieb von ihrer Mutter Felicitas Kötter übernommen.
Susanne Kötter (l.) hat den Rüttenscheider Familienbetrieb von ihrer Mutter Felicitas Kötter übernommen. © Katrin Böcker

Essenerin (89) über Frauen untereinander: „Es gab viele Neider und viel Geläster“

Nicht nur, dass sie sich unter Männern behaupten musste, auch Frauen hätten sich damals kaum gegenseitig unterstützt. „Es gab viele Neider und viel Geläster“, so Kötter. Habe sie einen Mitarbeiter eingestellt, habe es gleich geheißen, dass der wohl in den Betrieb einheiraten wolle. Denn dass eine Frau alleine das Unternehmen führe, könne ja wohl nicht sein.

Dieser Umgang habe sich mittlerweile geändert, glaubt Tochter Susanne Kötter (58), die in die Fußstapfen ihrer Mutter getreten ist und 1996 den Familienbetrieb übernommen hat. „Frauen haben heutzutage mehr Rückhalt und bilden stärkere Netzwerke“, ist ihr Eindruck. Was aber noch heute oft zu beobachten sei: „Frauen müssen mehr können, sie erwarten mehr von sich selbst und stellen sich häufiger in Frage.“

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Vor solchen Selbstzweifeln warnt Felicitas Kötter. Man solle nie davon ausgehen, dass Männer etwas per se besser wissen: „Früher waren Frauen abhängig von ihren Männern und dachten: Der kann alles und weiß alles.“ Das sei der falsche Weg. Wichtig ist ihr die Eigenverantwortung. So habe sie sich früher in das Bäckereihandwerk eingearbeitet, um mit den acht Männern in ihrer Backstube auf Augenhöhe zu sprechen. Auch in viele rechtliche Problematiken habe sie sich erst einlesen müssen.

„Man sollte niemals denken: Ich bin klein und zart, ich bleibe zu Hause und der Mann verdient das Geld“, betont Felicitas Kötter. „Darauf kann man sich nicht verlassen.“ Susanne Kötter glaubt ebenfalls, dass Sicherheit und Selbstbewusstsein oft mit finanzieller Unabhängigkeit einhergehen.

Als Mutter erlebt sie indes, dass das Thema Gleichberechtigung für die junge Generation noch wichtiger geworden ist. Tochter Katharina Kötter (23) arbeitete lange im Familienbetrieb mit, bevor sie sich aus dem operativen Geschäft rauszog, um noch ein anderes Unternehmen kennenzulernen. „Sie hat nicht das Gefühl, dass sie es sich erst erarbeiten muss, ernstgenommen und gleichwertig behandelt zu werden“, sagt Susanne Kötter. „Sie erwartet das per se.“