Essen-Frintrop. Auf dem Weg zum Wunschkind haben homosexuelle Paare immer noch weniger Rechte. Was Regenbogenfamilien aus Essen erleben.
Thea, Louis und Aron wachsen in Regenbogenfamilien auf. Umgeben zu sein von „Mama und Memi“ oder „Mama und Mam“ ist für die Kinder ganz selbstverständlich. Doch irgendwann werden sie in ein Alter kommen, in dem die Gesellschaft ihnen das traditionelle Familienbild von Mutter-Vater-Kind vorhält. Dafür wollen ihre Mütter sie stark machen und treffen sich einmal wöchentlich in einer Spielgruppe für Regenbogenfamilien.
Die Essenerin Jessica Beuth hat die Gruppe gegründet – ihre Tochter Romy ist vier Jahre alt und wird in der Kita mittlerweile von anderen Kindern gefragt, warum sie denn zwei Mamas habe und wo denn eigentlich ihr Papa sei. „Wir haben im Kita-Alltag irgendwann gemerkt, dass es Zeit wird, dass sie Kontakt zu anderen Kindern mit gleichgeschlechtlichen Eltern hat“, sagt Beuth.
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So startete sie mit Unterstützung der Awo und der Stadt Essen das regelmäßige Angebot für Regenbogenfamilien aus der Region – willkommen sind verschiedene Familienkonstellationen, auch wenn bisher ausschließlich Frauen mit ihren Kindern dabei sind. „Es geht darum, die Kinder zu stärken und ihnen zu zeigen, dass es andere Familien mit ähnlicher Konstellation gibt“, sagt Beuth.
Kinder aus Regenbogenfamilien in Essen sollen gestärkt werden
In den Räumen des Awo-Familienzentrums Frintroper Höhe können die Kinder krabbeln, sich austoben, basteln, malen und wenn es gut passt auch Freundschaften knüpfen. Catrin Berns formt mit dem dreijährigen Aron gerade Herzen und Monde aus Knetmasse. Heute sind einige andere Kinder wegen einer Erkältung nicht gekommen, normalerweise aber kann Aron hier auch mit Gleichaltrigen spielen. „Es geht uns vor allem darum, dass unser Sohn die Möglichkeit zum Austausch hat“, sagt seine Mutter.
Aron selbst ist gerade darauf konzentriert, kleine bunte Perlen mit Zeigefinger und Daumen aufzusammeln, um einen Regenbogen zu verzieren. Dass der symbolisch für das Familienmodell steht, in dem er aufwächst, wird der Dreijährige in vollem Maße wohl er später verstehen können. Seine Mütter und auch die der anderen Kinder hier hoffen, dass die gesellschaftliche Akzeptanz bis dahin weiter zunimmt.
Kinderwunsch: Gleichgeschlechtliche Paare haben weniger Rechte
Die Frauen selbst haben auf dem Weg zum Wunschkind schon einige Hürden nehmen müssen, auch solche, die heterosexuelle Paare nicht kennen. Die Frauen in der Gruppe sind verheiratet, ihre Ehe hatte und hat aber nicht die gleichen rechtlichen Konsequenzen wie die von Mann und Frau. Von den Krankenkassen konnten sie keinerlei finanzielle Unterstützung für die Kinderwunschbehandlung bekommen. Den Kauf von Spendersamen, die Einlagerung, die Insemination – all das mussten sie komplett privat finanzieren, häufig sind mehrere Versuche nötig. Kosten von mehreren tausend Euro fielen bei ihnen an.
Nach der emotionalen Achterbahnfahrt von Kinderwunschbehandlung, Schwangerschaft und Geburt können die Frauen mit ihrem Baby nicht in Ruhe ankommen, denn rechtlich ist zu diesem Zeitpunkt trotz der Ehe nur die leibliche Mutter des Kindes als Elternteil anerkannt. Die zweite Mutter muss das Kind adoptieren. „Beim Jugendamt muss diejenige, die adoptieren möchte, sehr viel offen legen“, sagt Svenja Berndt. Familiengeschichte, Beziehung, Beruf, Einkommen, soziales Netz, über all das muss sie Auskunft geben. Sogar ein polizeiliches Führungszeugnis und ein Gesundheitszeugnis wird verlangt.
„Unser Hausarzt hat damals gesagt, er unterstützt uns nicht und stellt kein Gesundheitszeugnis aus“, berichtet eine der Mütter. Das Zeugnis bekamen sie dann von anderer Stelle, die Adoption ist lange bewilligt. Doch den Weg bis dorthin empfinden viele der Betroffenen als eine Mischung aus Belastung und auch Zumutung. „Es ist ein Riesen-Akt und eine lange Zeit, die vergeht, ohne dass man eine Absicherung hätte, falls jemandem in der Familie etwas passiert“, sagt Catrin Berns. Wenn der leiblichen Mutter etwas zustößt, hat die zweite Mutter zunächst keine Rechte. Zudem bleibt während dieser Phase die Sorge, dass aus Sicht der Behörden doch irgendetwas gegen die Adoption sprechen könnte.
All diese Unterschiede zu den Rechten verheirateter heterosexueller Paare kennen die Frauen, die hier im Kreis sitzen. „Wir waren genervt, dass es immer noch nicht in der Politik angekommen ist“, meint Sarah Melcher. Der Wunsch bleibt, dass sich gesellschaftlich und politisch noch einiges tut in den kommenden Jahren. Bis dahin und auch darüber hinaus stärken sich die Regenbogenfamilien gegenseitig.
Wer Kontakt zu den Regenbogenfamilien in Essen aufnehmen möchte, kann eine Mail senden an regenbogenfamilien.in.essen@gmail.com.