Duisburg.

Die Loveparade-Katastrophe - Ein Jahr danach: Der Leitende Arzt der Feuerwehr, Dr. Frank Marx, erinnert sich: Er war eher zufällig als erster Koordinator im Tunnel und leitete die Rettungseinsätze.

Im Nachhinein müsste man sich wohl noch bei denjenigen Loveparade-Besuchern bedanken, die auf der Düsseldorfer Straße eine Schlägerei angezettelt hatten. 15 Rettungswagen eilten dorthin, fanden eine befriedete Szenerie vor - und konnten nur wenig später beim härtesten Einsatz in Duisburgs Nachkriegsgeschichte schnell eingreifen.

Bloßer Zufall war es – oder auch ein „Riesen-Glück“ -- dass so schnell so viel Hilfe am Unglückstunnel war, erzählt der Leitende Arzt der Feuerwehr, Dr. Frank Marx. Und so war auch er eher zufällig als erster Koordinator im Tunnel und leitete die Rettungsmaßnahmen an. „Ich wurde da mit einem Sturm von Eindrücken überzogen, es war dramatisch“, erinnert sich der Arzt. „Um mich herum wurden sechs junge Leute wiederbelebt, die so dreckig waren, dass ich erst gar nicht verstanden habe, warum.“

Ohne das Engagement der Helfer hätte es wohl mehr Opfer gegeben

Sie waren übersät von Fußspuren. Alle zehn Sekunden eine Entscheidung treffen, Informationen verarbeiten, Behandlungen für Patienten koordinieren, das sei enorm belastend gewesen. Per Funk Kontakt zur Leitstelle halten, weil das Handy nicht durchkommt. Kommunikation nur durch Schreien, um sich über den Lärm hinwegzusetzen: dröhnende Bässe von oben, die Hubschrauber, die Martinshörner, die noch die ganze Nacht in der Stadt zu hören waren. Wie Krieg? „Ja, so hab ich das empfunden. Ich habe in den Augen ganz vieler Menschen so viel Entsetzen gesehen.“ Dabei hat der 51-Jährige in seiner Laufbahn schon viel erlebt - vom Busunfall mit 21 Verletzten bis zum Malteser-Einsatz in Goma im Kongo, wo er viele hundert Tote sah.

Bei den Vorbereitungen hatte man sich an Essener und Dortmunder Zahlen gehalten, 500 Patienten-Transporte, 5000 Patienten-Kontakte erwartet. Es wurden am Ende 575 Transporte, 5600 Kontakte an insgesamt 31 Sanitäts-Stationen. 150 Kranken- und Rettungswagen waren zusätzlich in Duisburg. Mit neun Rettungshubschraubern war die gesamte Luftrettung aus NRW vertreten. Dabei wurden am Ende die meisten doch in Duisburger Krankenhäusern versorgt, „weil deren Vorbereitung so gut war“, wie Marx lobt - dreifache Personalstärke, Schützenzelte vor dem Haus, um größere Mengen abfangen zu können, „sie haben katastrophenmedizinisches Know-How gezeigt“. Das mag angesichts von 21 Toten zynisch klingen, aber ohne das Engagement der Helfer hätte es wohl mehr Opfer gegeben.

Trauermarsch für Opfer

Foto: Dirk Bauer / WAZ FotoPool
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„Ich habe im Tunnel gesehen, dass Menschen einander helfen wollen, sie haben alle mit angepackt, Tragen geholt, Patienten geschleppt, Hände gehalten.“ Das hat er auch den Hinterbliebenen erzählt. Sie wollen wissen, wie und wo ihr Kind genau gestorben ist. Er stellte Verbindung her zu jenen Helfern, die etwas über die letzten Lebensstunden sagen konnten. Und die wichtigste Botschaft ist wohl: „Es ist keiner allein gestorben.“

Einige Kollegen sind ernsthaft erkrankt

Für ihn ist das eine Beruhigung, denn eigentlich hat sich in seinem Gedächtnis ein anderes Bild eingebrannt: Das von 16 jungen Menschen, die nicht mehr wiederbelebt wurden und die inmitten des Schutts und des Mülls im Tunnel lagen. „Das war so ein unwürdiges Bild, das hat mich erschreckt und daran denke ich heute noch.“

Auch das umfangreiche Organigramm der Loveparade hängt noch an Marx’ Pinnwand, gehalten von einem roten Feuerwehrwagen-Magneten. Die Vorarbeit hatte 50 Leute monatelang beschäftigt - Marx selbst war im Vorfeld bei den Loveparades in Essen und Dortmund, Erfahrungswerte kamen aus diesen Städten. Und so kann Marx auch sagen: „Aus rettungsdienstlicher Sicht hat alles geklappt.“ Seine eigene Rolle sieht er da nur als kleines Rädchen. Lob gebühre denen, die im Planungsstab arbeiteten. Und: „Ich möchte den mitwirkenden Feuerwehren und Hilfsorganisationen aus ganz Deutschland für ihre Unterstützung danken.“ Immerhin stieg am Tag der Loveparade der Personalaufwand von geplanten 1600 Einsatzkräften abends auf über 4000.

Und auch, wenn viele Kollegen seelsorgerische Angebote wahrnahmen, einige Kollegen länger ernsthaft erkrankten, so kann er doch vermelden, dass inzwischen wieder alle Mann an Bord sind.

Zur Gedenkfeir will Marx wie so viele seiner Kollegen gehen: „Sie wird den Toten gerecht und hilft denen, die leben.“ Man könne zwar mit dem Thema nicht abschließen, es werde für viele ein ganzes Leben präsent bleiben, aber es helfe, darüber zu reden.