Duisburg. .
Bislang unbekanntes Foto- und Filmmaterial sowie Aussagen von Teilnehmern zeigen, dass das Sicherheitskonzept des Veranstalters bei der Loveparade versagte. Polizisten wurden attackiert - im Gegenzug Feiernde geschlagen.
Neue Dokumente, die der WAZ vorliegen, lassen erstmals eine genauere Rekonstruktion der Abläufe zu, die zur Katastrophe der Loveparade führten. Demnach begann die Verkettung der tragischen Ereignisse früher als bislang angenommen, nachdem gegen 15.35 Uhr Menschenmassen die Absperrungen am oberen Ende der Rampe zum Loveparade-Gelände überrannten. Fast gleichzeitig kletterten hunderte Festivalbesucher über die niedrigen Mauern am oberen Ende der Rampe. Ein Chaos drohte, da nicht klar war, wie sich die Menschen verteilen sollten.
Wie bereits bekannt ist, hatte sich etwa gleichzeitig ein Stau im Eingangsbereich zum Festivalgelände gebildet, weil das Sicherheitskonzept des Veranstalters Lopavent komplett versagte. Weder gelang es ihm, mit Hilfe von Ordnern, die Menschen auf dem ehemaligen Güterbahnhof zu verteilen. Noch konnten die im Schritttempo fahrenden Schallwagen, die so genannten Floats, die Massen tiefer auf das Gelände locken.
Bei den vorliegenden Dokumenten handelt es sich um bislang unbekanntes Foto- und Filmmaterial, sowie um schriftliche Aussagen von Teilnehmern der Parade und Darstellungen der Feuerwehr.
Um das drohende Chaos am oberen Eingang zum Gelände zu verhindern, entschloss sich die Polizei, zur Unterstützung des Veranstalters etwa um die gleiche Zeit eine Polizeikette am unteren Drittel der Rampe zu bilden. Die Feuerwehr stimmte diesem Konzept nach einer kurzen Diskussion zu. Allerdings bestand sie darauf, dass die Polizei gleichzeitig die Zugänge zu den Tunneln blockiert und weitere Abgänge öffnet. Um 15.45 Uhr wurden danach die Zugänge in die Tunnel gesperrt. Die Rampe wurde um 16.01 Uhr blockiert. Zunächst trat der gewünschte Erfolg ein. Der Stau am Eingang zum Gelände löste sich auf, immer weniger Menschen drangen zur Loveparade vor. Die Lage schien geklärt.
Tausende rückten nach
Doch unterdessen rückten ungebremst zehntausende Menschen nach, die sich vor den Tunneleingängen auf der Karl-Lehr-Straße drängten. Im Bericht des Krisenstabes der Stadt heißt es, der Veranstalter Lopavent habe wegen dieser Massen gegen 15.50 Uhr sogar „überlegt“, die Schleusen zum Festivalgelände ganz zu öffnen. Allerdings hielt die Polizei zu dieser Zeit noch ihre Ketten in den Tunneln. Dabei kam es nach den vorliegenden Dokumenten auch zu Übergriffen. Polizisten wurden attackiert. Im Gegenzug Feiernde geschlagen.
Erst gegen 16.14 Uhr wurden die Ketten in den Tunneln aufgelöst. Danach stauten sich etwa 25 Minuten lang die Menschen vor der letzten Polizeikette, die erst um 16.40 Uhr gesprengt wurde. Auf Basis der vorliegenden Papiere könnten in diesem kurzem Zeitraum bis zu 30 000 Menschen in die Tunnel geströmt sein. Tausende davon drängten sich an dem Ort der Katastrophe. Mit den bekannten Folgen.