Duisburg. Eschhaus, Scotch-Club, Djäzz: Früher war mehr Party in Duisburg. Eine Erinnerung an legendäre Ausgeh-Abende und was heutige Party-Macher planen.

Stille Nacht: Dieses Lied lässt sich in Duisburg nicht nur in der Weihnachtszeit singen, sondern beschreibt die meisten Nächte in der Stadt. Früher war eindeutig mehr Party in der City. Heutzutage werden die Bürgersteige nach Ladenschluss hochgeklappt. Wer noch etwas trinken oder gar tanzen gehen will, muss sich gut überlegen, in welche der verbliebenen Kneipen oder Bars es gehen soll. Bei Clubs sieht es noch schlechter aus und wer durch mehrere Locations ziehen will, sollte gut zu Fuß sein oder einen Fahrer organisieren. Eine (historische) Spurensuche, warum das Nachtleben in Duisburg eingeschlafen ist.

Die Zeitungsseite aus den 1920er zeigt, wie viele Tanzlokale in der Duisburger Innenstadt gab.
Die Zeitungsseite aus den 1920er zeigt, wie viele Tanzlokale in der Duisburger Innenstadt gab. © RR | Stadtarchiv

Einen ersten Einblick gewährt das Archiv, wobei bei den Stadt-Historikern die Kneipenszene nicht wirklich ein Forschungsschwerpunkt ist. Dr. Andreas Pilger, Leiter des Stadtarchivs, weiß: „Früher war ja immer alles besser“ und zaubert dann eine alte Zeitungsseite aus den 1920er Jahren aus dem Magazin hervor. Dort haben Locations wie das „Café Kronprinz“, der „Tanzsaal Schwerdt“, der „Fürstenhof“ oder das „Palast-Café“ annonciert und warben für ihre Sivesterfeiern. Das „Palast-Café“ lockte beispielsweise mit „Ballonschlacht, zwei Kapellen, Überraschungen und Angeltanz“ – aber „Tischreservierungen rechtzeitig erbeten“.

Pilger ordnet ein: „In den 1920er Jahren gab es auf jeden Fall eine Art Party-Meile entlang der Kuhstraße. Die Etablissements dort waren vielleicht nicht das Moka Efti aus Babylon Berlin, aber doch zum Teil recht ähnlich aufgemacht und mit vergleichbarem Angebot.“ Wie lange die Ausgeh-Meile dort existierte, wann die Cafés schlossen, ist indes nicht überliefert.

Viele Duisburger schwärmen noch heute von den wilden Zeiten im Eschhaus

Das Eschhaus eröffnete 1974 und musste 13 Jahre später wieder schließen. Das Haus wurde abgerissen.
Das Eschhaus eröffnete 1974 und musste 13 Jahre später wieder schließen. Das Haus wurde abgerissen. © FFS | RR

Etwa 50 Jahre später begann in Duisburgs Nachtleben eine neue Ära, von der so mancher noch heute schwärmt. Am 30. Oktober 1974 eröffnete das „Eschhaus“ als zweites freies Jugendzentrum der Republik. Städtisches Aufsichtspersonal oder Sozialpädagogen gab es nicht. Stattdessen Diskussionen, Konzerte, Festivals. Alles wurde basisdemokratisch diskutiert und beschlossen. Der junge Helge Schneider trat an der Niederstraße ebenso auf wie Peter Burschs Bröselmaschine und die gesamte Duisburger Musik-Szene. Sabine Ring, damals noch Schülerin des „Hildegardis“ erinnert sich: „Schock deine Eltern und geh’ ins Eschhaus! Einmal die Woche war Filmabend, samstags Rock-Café. Beides war gesetzt. Beim Rock-Café war es laut, eng und wild. Zumindest für eine Hildegardis-Schülerin, die damals zu den Youngstern im ,Eschhaus’ zählte. So fühlte sich Freiheit an! Ich erinnere mich an viele durchgetanzte Stunden. Nächte ging ja nicht. Dafür sorgten schon die Eltern.“

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Natürlich wurde beim Bierchen auch über die neue Weltordnung sinniert. Man war der Meinung, dass es mit dem Kapitalismus ohnehin bald vorbei sei. Doch am 1. Juli 1987 war das kreative Chaos Geschichte. In einer nicht angekündigten nächtlichen Aktion rückten die Bagger an und ließen das Gebäude abreißen. Der Innenhafen sollte sich neu entwickeln, da passte dieses Jugendzentrum nicht dazu. Kommunalpolitiker und Nachbarn atmeten auf – doch nicht wenige Duisburger trauern der Zeit noch heute hinterher.

Seit vielen Jahren steht der Scotch Club an der Claubergstraße leer. Der Duisburger Künstler Nacir Chemao hat deshalb die alten Fenster verschönert. Zwischendurch war immer mal wieder die Rede davon, dass das Gebäude abgerissen werden soll.
Seit vielen Jahren steht der Scotch Club an der Claubergstraße leer. Der Duisburger Künstler Nacir Chemao hat deshalb die alten Fenster verschönert. Zwischendurch war immer mal wieder die Rede davon, dass das Gebäude abgerissen werden soll. © FUNKE Foto Services | Stephan Eickershoff

Wer es tanzbarer mochte, ging in den „Scotch-Club“ auf der Claubergstraße. Die erste und älteste Diskothek wurde in den 1950er Jahren eröffnet. Hier wurde die Musik der Zeit aufgelegt – Motown, Philly-Sound, in den 1970er Jahren dann auch Abba oder Bee Gees. Die Mädels warteten nicht lange, bis sie aufgefordert wurden, sondern eroberten in Hot Pants selbst die Tanzfläche. Männliche Besucher schauten fasziniert den Go-Go-Girls zu. „Insgesamt war es im Scotch eher gesittet. Die alternative Szene traf sich im Eschhaus“, beschreibt Harald Küst, der sich auch bei den Stadthistorikern „Mercators Nachbarn“ engagiert. Er hat damals beide Locations besucht und erinnert sich: „Die Hohe Straße und die Claubergstraße waren bei Nachtschwärmern beliebte Adressen. Dort gab es die ,EX-discotheque’, ,das Espresso’, ,das Display’ und das ,Cafe Corso’. ,Swierzy’ und ,Victorian Pub’ waren am frühen Morgen nach dem Discobesuch ein Treffpunkt.“

Der „Scotch Club“ ist indes längst Geschichte. Und weil der Duisburger Künstler Nacir Chemao den trüben Anblick nicht ertragen konnte, gestaltete er zumindest die Fassade bunt.

Aber auch außerhalb der Innenstadt wurde in den 1960ern und 1970ern in Duisburg getanzt – zum Beispiel in der Hochfelder Großdiskothek „Achim´s Hütte“, im „Coupé“ in Großenbaum und im „Universum“ in Buchholz. In den 1990er Jahren lockte das „Delta“-Zelt Feierwütige in den Norden. 18 Jahre später, 2013, waren die Zeiten der Großraum-Disco endgültig vorbei. Auch unter neuem Namen „Tentorium“ gelang der Neustart nicht.

Old-Daddy-Revival für den 29. April 2023 geplant

Heute ist von den alten Namen nur noch das „Old Daddy“ (früher Red Dog) übrig geblieben – und das ist vom Besitzer Peter Jurjahn vor kurzem an zwei Nachfolger verkauft worden. „Es sollte ja nur ein kurzes Gastspiel werden“, blickt Jurjahn auf das Jahr 2007 zurück, als er den Kellerclub übernahm. Er will sich künftig verstärkt auf den ,Kulttempel’ konzentrieren, den er in Oberhausen betreibt. „Viel ändern wird sich im ,Old Daddy’ erstmal nicht. Die beiden werden das Konzept definitiv so weiterfahren. Und auch ich gehe niemals so ganz“, verspricht Jurjahn. Ein Termin für ein Revival steht bereits fest: Am 29. April 2023 steigt eine Party unter dem Motto „Old Daddy: die Legende lebt“.

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„Man bekommt die Leute nicht mehr jede Woche vor die Tür, das hat sich definitiv geändert“, hat Jens Müller beobachtet. Der Gastronom, der das „Home“ mitverantwortet, ist nachts als DJ unterwegs und veranstaltet die Reihe „Müller Beat“. Neulich gab es eine ausverkaufte Neuauflage am Calaisplatz. Allerdings: Nicht alle, die ein Ticket hatten, schmissen sich in Schale und kamen auch wirklich vorbei. „Vielleicht sind einige noch vorsichtig wegen Corona. Oder sie wollten den Abend doch lieber auf der Couch verbringen“, mutmaßt Müller. Finanziell hält sich das Desaster zwar in Grenzen, aber für die Stimmung ist nicht gerade förderlich, wenn sich die Tanzfläche nicht komplett füllt. Er hat sich deshalb vorgenommen, die Partyreihe einmal im Quartal zu veranstaltet. Der nächste Termin ist am 1. April. „Dann freuen sich die Leute und wissen, dass sie gute Leute dort treffen.“

Dort, wo früher die Bücherei und das Europa-KIno waren, eröffnete vorübergehend der „High 5 Club“ – bis das Bauamt ihn schloss.
Dort, wo früher die Bücherei und das Europa-KIno waren, eröffnete vorübergehend der „High 5 Club“ – bis das Bauamt ihn schloss. © WAZ FotoPool | S

Carsten Butterwegge ist in der Duisburger Szene ebenfalls kein Unbekannter. Aktuell veranstaltet er Konzerte und Kulturelles vornehmlich in der Kulturkirche Liebfrauen. Früher hat er das „Indie“ und den „High 5 Club“ betrieben. Die Partys in dem ehemaligen Europa-Kino an der Düsseldorfer Straße „sind richtig gut gelaufen“. „Es war klar, dass das dort immer nur auf Zeit ist. Wir hatten einen Vertrag für drei Jahre mit der Option auf Verlängerung. Aber dann kam ja leider das Bauamt.“ Das machte den Club 2013 dicht. Später war dann in großen Lettern zu lesen: „Wir bedauern, dass wir uns nicht mal verabschieden durften. Danke euch allen für eine gute Zeit.“

Duisburger solidarisch mit der Club-Szene

Das Djäzz stand mehrfach auf der Kippe. 2011 demonstrierten 500 Duisburger waren bei einer Solidaritätsdemo dabei. Musikprogramm mitten in der Innenstadt gab es ebenfalls.
Das Djäzz stand mehrfach auf der Kippe. 2011 demonstrierten 500 Duisburger waren bei einer Solidaritätsdemo dabei. Musikprogramm mitten in der Innenstadt gab es ebenfalls. © WAZ FotoPool | Stephan Eickershoff

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Die Solidarität der Duisburger war damals groß. Ebenso wie übrigens zuvor schon mit dem „Djäzz“, für das sogar eine Demo organisiert wurde. Nachbarn hatten sich dort immer wieder über die Lautstärke beklagt – nicht unbedingt nur über die Dezibel, die aus dem Club drangen, sondern auch über die Gäste, die draußen rauchten oder sich nicht ganz leise verabschiedeten. In der Folge entschied die Stadt, dass nach 22 Uhr im „Djäzz“ die Lautstärke gedrosselt werden sollte. Für einen Club, in dem dann erst richtig los geht, bedeutet das eigentlich das Aus. Ende 2020 verabschiedete sich das „Djäzz“ schließlich von der Börsenstraße. Die Macher versuchen nun, ein neues Angebot zu etablieren.

Carsten Butterwegge wird künftig im „Bora“ am Dellplatz für Programm sorgen. Lesungen und Konzerte soll es ebenso geben wie Party-Reihen. „Es gibt viele, die etwas in Duisburg starten wollen. Aber es gibt wenig Möglichkeiten. Deshalb freuen wir uns, wenn es bald das Bora gibt“, sagt er. Die Gebag, die das Haus umbaut, hat zumindest vorgesorgt, damit es nicht direkt wieder Beschwerden gibt: Die Location wurde mit dreifach verglasten Fenstern ausgestattet.

>> Wie erinnern Sie sich?

Wie erinnern Sie sich an die legendären Clubs und Bars in Duisburg? Wo waren Sie früher Stammgast und haben Sie einen Abend besonders im Gedächtnis?

Über Ihre Erinnerungen und Geschichten, aber auch über Tipps, wo Sie heute ausgehen, freuen wir uns per E-Mail: redaktion.du-mitte-waz@funkemedien.de. Die schönsten möchten wir veröffentlichen.