Duisburg. Der Duisburger Club „Djäzz“ in der Innenstadt ist Geschichte. Ein Blick in einen fast leeren Keller und zurück auf denkwürdige Konzert-Abende.
Die Zeit des Djäzz an der Börsenstraße ist abgelaufen. Vor 18 Jahren eröffnete der Keller-Club in der Innenstadt, viele legendäre Konzerte haben hier stattgefunden. Schlager wurde nie gespielt, Punk, Jazz und alles, für das sich eine Nische fand, umso öfter. Von Besuchern geliebt, von Nachbarn gehasst, hat die feine Adresse für alternative Partys und Live-Musik schon so manches mitgemacht.
Nun muss der Club umziehen. Nicht die Corona-Krise ist Schuld, sondern eine fristgerechte Kündigung des Vermieters , der die Räume lieber anderweitig nutzen möchte. Die gute Nachricht: Es soll schon einen neuen Standort geben. Beim Blick in den nun fast leeren Keller wird Chef Özkan Ulucan dennoch wehmütig.
Duisburger Kult-Club war feste Größe im überschaubaren Nachtleben
In der Luft hängt noch wenig alter Club-Mief. Einige Kabel kommen aus der Decke. Ansonsten haben die Umzugshelfer bereits ganze Arbeit geleistet: Das DJ-Pult wurde abmontiert, das Klavier die Treppe hinauf geschleppt. Dort, wo früher ein Teppich lag, wird der Blick auf einen abgenutzten Tanzboden frei gegeben. Zum Glück müssen die Aufkleber von den Toilettentüren nicht auch noch abgeknibbelt werden. Besenreine Übergabe reicht. „Es ist schon traurig, das so zu sehen. Nach all den Jahren hängen viele Erinnerungen dran“, sagt Özkan Ulucan. In den vergangenen zwei Jahre habe es etwa 300 Veranstaltungen gegeben.
Die letzte war „Djäzzmatazz“, irgendwann im März diesen Jahres. Kurz bevor der Lockdown im Frühjahr verhängt wurde, hatten die Veranstalter bereits aus Verantwortungsbewusstsein die Türen geschlossen. Gute Abende im Djäzz waren eng, stickig und laut – also ziemlich das Gegenteil von Abstand halten. Die Besucher sind mit dem Laden älter geworden. „Aber wenn Alkohol im Spiel ist, spielt das keine Rolle“, weiß Özkan Ulucan.
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2016 hatte er den Club von seinem Bruder übernommen. Gegründet wurde das Djäzz von Can Ulucan. Er war selbst Musiker, hatte gute Drähte in die Szene und wollte eine Plattform für Jazz und Konzerte schaffen. Später kamen noch Lesungen oder Partys hinzu, um den Club finanzieren zu können. Zwei Jahre führte Can den Club, bevor er die Gastronomie an seinen Bruder Ercan übergab. Auch das ist inzwischen Geschichte, Özkan Ulucan ist nun der dritte Bruder, der dem Djäzz seinen Stempel aufdrückt.
Eingeschränkte Öffnungszeiten lohnten kaum
Zuletzt durfte der Szene-Laden nur noch drei Mal im Monat bis 5 Uhr morgens öffnen. Die restlichen Abende sollte um 1 Uhr Schluss sein – das war das Ergebnis nach zahlreichen Beschwerden von Anwohnern und Auseinandersetzungen mit dem Ordnungsamt. „Wir sind nie wirklich unterstützt worden. Duisburg schielt immer auf andere Städte, möchte gerne Düsseldorf sein, schafft es aber nicht, Duisburg zu sein und denen, die hier was machen, zu helfen.“ Dabei seien in der Innenstadt die Bürgersteige abends hochgeklappt. „In eine tote Stadt möchte auch kein Düsseldorfer ziehen.“
Was die Behörden vermissen ließen, besorgten die engagierten Partygänger selbst. 2011, als das Djäzz einmal auf der Kippe stand, organisierten sie eine Demo für den Erhalt und zogen mit Protestplakaten durch die Stadt. Das Banner „We Love Djäzz“ wird seitdem in Ehren gehalten und an einem neuen Ort wieder montiert. Das ist die gute Nachricht: Der Club ist nur vorübergehend dicht und soll an anderer Stelle wieder eröffnen.
Das kann aber noch ein paar Monate dauern. „Wir haben lange nach einer Location gesucht, die zu uns passt.“ Zu hell und sauber sollte es schließlich nicht sein, „das würde auch gar nicht zu uns passen. Die Leute sollen weiterhin ihre Gläser fallen lassen oder in die Ecke kotzen dürfen“, erklärt Özkan Ulucan und lächelt. Wo das neue Djäzz entsteht, will er erst in ein paar Wochen bekannt geben. Nur so viel sei schon einmal verraten: Es soll von ihm und weiteren Mitstreitern als Kollektiv betrieben werden.
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Özkan Ulucan lebt derzeit von Hartz IV. Auch vor dem Lockdown ist wegen der beschränkten Öffnungszeiten nicht viel hängen geblieben. Dennoch hat er keine Sekunde gezögert, ob er woanders weiter machen soll. „Ich kann doch nichts anderes.“ Traurig ist er, dass sich die Stammgäste nicht noch einmal von ihrem Keller verabschieden konnten.
Demnächst will er aber was von sich hören lassen. Um an anderer Stelle zu starten, braucht er Unterstützung. Er ist sich sicher, dass er wieder auf die Szene zählen kann.
Große Solidarität der Kulturszene
Im Frühjahr haben (prominente) Unterstützer wie der Jazz-Pianist Kai Schumacher, „Kulturbürger“ wie Wolfgang Esch und etliche Veranstalter und Freunde Spenden für den Erhalt des Djäzz gesammelt. Nach ein paar Stunden waren schon mehr als 3000 Euro zusammen gekommen.
Zusätzlich gab es eine T-Shirt-Kollektion, die beim „Platzhirsch“-Festival im Sommer verkauft wurde. Für viele werden die Shirts ein Sammlerstück bleiben – und eine gute Erinnerung an den Keller.