Duisburg. Carsten Butterwegge hat das Musikgenre Alkopop erfunden. In seinem neuen Song huldigt er dem Altpunksein. Was das für den 48-Jährigen bedeutet.

Carsten Butterwegge hat vor Jahren die Musikrichtung „Alkopop“ erfunden. Kein Wunder also, dass er in seinem neuen Lied „Ohne die Hosen (Altpunk)“ wieder Kneipen und Dosenbier besingt – verbunden mit dem Geständnis, auch mit 48 Jahren noch ein Punk zu sein. „Schmeiß mit Geld, mach dich schick, kauf mir ein Ticket nach Jamaika und zurück. Du kannst mich mit allem locken, ich sag ,ne du, schönen Dank; ich bleib bis zum letzten Dosenbier ein Punk’“, heißt es in dem Song. Verbunden mit einem humorvollen Video über typische Punk-Attitüden (siehe unten), polarisiert die Single im Netz. Einige meinen, das Lied sei schon jetzt das Beste, was die Duisburger Musikszene 2022 hervorbringen wird. Andere halten es für zu klischeebeladen.

Das Gespräch mit dem Sänger, der früher als Krankenpfleger arbeitete, bevor er auf Veranstaltungskaufmann umsattelte, findet morgens um zehn Uhr statt. Statt Bier gibt’s Kaffee.

Früher trug Carsten Butterwegge einen Irokesen-Schnitt, heute ist er Altpunk im Geiste.
Früher trug Carsten Butterwegge einen Irokesen-Schnitt, heute ist er Altpunk im Geiste. © RR | RR

Wie kommt man auf die Idee, ein Lied über Altpunks zu schreiben?

Ich habe neulich solo im Vorprogramm der Band „Kapelle Petra“ gespielt. Nach dem Auftritt saß ich am Tresen und bin mit einem jüngeren Punk-Typen ins Gespräch gekommen. Irgendwann hat der zu mir gesagt: ,Boah, es ist cool, mal mit nem richtigen Altpunk zu sprechen.’ Erst dachte ich: ,Na, dankeschön.’ Aber so bin ich drauf gekommen.

[Nichts verpassen, was in Duisburg passiert: Hier für den täglichen Duisburg-Newsletter anmelden.]

Was macht denn Punk-Sein aus?

Es gibt Leute, die meinen, als Punk muss man einen Irokesen-Haarschnitt haben, Steine schmeißen und Arbeit ablehnen. Ich bin 1973 geboren und habe mich traditionell gegen Traditionen und Konformismus aufgelehnt. Musikalisch habe ich damals New Model Army oder Ramones gehört. Bei den deutschen Gruppen waren es die Abstürzenden Brieftauben oder Slime. Wegen der englischen Texte wollte ich unbedingt die Sprache lernen. Englisch und Sport waren die Fächer, wo ich mich richtig reingehängt habe. Eigentlich stehe ich heute noch mit New Model Army-Musik auf.

Gebürtiger Duisburger war als Jugendlicher auf Demos unterwegs – und ist auch heute noch ein politischer Kopf

Und das Politische?

Wenn ich ehrlich bin, war ich eigentlich immer eher der Wohlstands-Punk. Ich musste mich nicht großartig gegen meine Eltern auflehnen. Mit 16,17 hatte ich trotzdem einen grünen Irokesen und war bei Demos. Damals war der Konflikt zwischen dem Ostblock und den USA das große Thema. Auch bei „Kein Blut für Öl“ war ich dabei.

Empfohlener externer Inhalt
An dieser Stelle befindet sich ein externer Inhalt von Youtube, der von unserer Redaktion empfohlen wird. Er ergänzt den Artikel und kann mit einem Klick angezeigt und wieder ausgeblendet werden.
Externer Inhalt
Ich bin damit einverstanden, dass mir dieser externe Inhalt angezeigt wird. Es können dabei personenbezogene Daten an den Anbieter des Inhalts und Drittdienste übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung

Gab’s mal Stress mit der Polizei?

Ne, ich war eher der, der vorne mitgelaufen ist und mit denen gequatscht hat. Ich hab nie versucht, durchzubrechen oder so. Einmal musste ich ne Nacht da bleiben, aber nur, um auszunüchtern.

Die Frisur ist inzwischen ein bisschen gediegener. Was hat sich noch verändert?

Also, was noch total manifest ist, ist der Gedanke, dass wirklich jeder die gleichen Chancen haben soll. Das Bild von dem geflüchteten Jungen, der tot am Strand lag, hat sich bei mir eingebrannt. Um das zu verarbeiten, habe ich mir sogar seinen Namen tätowiert. Ich bin selbst Vater. Mein Sohn ist in eine Welt geboren, in der er alle Chancen hat. Was für eine Hölle, woanders gibt es Kinder, die nicht spielen können. Diese Wut war schon immer mein Antrieb.

Material für die neue Platte ist fertig – Vinyl lässt auf sich warten

Carsten Butterwegge, hier bei einem Auftritt im Rahmen des Duisburger Kultursommers 2021 mit Wolfspelz und Eisenblätter.
Carsten Butterwegge, hier bei einem Auftritt im Rahmen des Duisburger Kultursommers 2021 mit Wolfspelz und Eisenblätter. © FUNKE Foto Services | Foto: Tanja Pickartz

In dem Musikvideo, das zu dem Lied gedreht wurde, wird mit typischen Punk-Klischees gespielt: Dosenbier, Rumhängen, Ärger bekommen. Wer sind die böse aussehenden Jungs?

Auch interessant

Der eine ist Frank Vohwinkel alias Eule von Betontod. Der andere ist Rico, mein Tourbegleiter. Die gucken beide immer so böse, deshalb waren die gut geeignet für die Verfolgungsjagd. Rico ist übrigens ein echter Altpunk. Der ist in der DDR aufgewachsen, da war das eine ganz andere Nummer, gegen das System zu sein.

Nächstes Klischee: Was ist so toll an Dosenbier?

Ich trinke einfach gerne aus der Dose. Ich hab kein Lieblingsbier. Klar, mal ein Köpi, aber auch Oettinger oder Traugott Simon.

Praktischerweise sind ja Doc Martens auch gerade wieder modern.

Ja, ich hab mir auch schon ein paar neue geholt. Die alten gibt’s aber auch noch. Ich hab sogar noch meine alten T-Shirts, aber in die pass ich nicht mehr rein.

Das neue Album kommt im März. Ist eine Tour geplant?

Auch interessant

Das Material ist fertig. Leider wird das Vinyl nicht rechtzeitig fertig. Das einzige Presswerk ist ausgelastet. Aber die CD erscheint trotzdem. Wenn es möglich ist, wird es auch Auftritte geben. Das ist sowieso der Wahnsinn. Früher habe ich selbst die Bands gehört, mit denen ich heute teilweise auf der Bühne steh’.

>> DER BUTTERWEGGE

■ Carsten Butterwegges Konzerte sind ebenso kurzweilig wie legendär. Die Musik ist dabei teilweise zweitrangig, denn zwischendurch erzählt er immer wieder einen Schwank aus seinem Leben. Da gibt es viel zu berichten.

Über Duisburg dichtete er in dem Lied „Deine Wellen“ übrigens mal die Zeilen: „Duisburg, du bist genauso schäbbig wie ich. Duisburg, ich versprech dir: Ich verlass dich nicht. Duisburg, ich bin genauso schäbbig wie du – nachts sitz ich am Rhein mit Billigwein und hör deinen Wellen zu.“

■ Butterwegge hat den „High Five“-Club betrieben, später das Indie. Ihn kann man seit drei Jahren als Trauredner buchen – garantiert mit mehr Rock’n’Roll als Kitsch.

■ Butterwege ist nun Teil des neuen Teams vom Bora, dem Nachfolger des Grammatikoff am Dellplatz. Dort soll er für das Programm sorgen. Der neue Pächter und Namensgeber des Clubs, Bora Erdogan, hat auch einen Auftritt zum Musikvideo von „Ohne die Hosen (Altpunk)“.