Duisburg. Nach fast 22 Jahren endet die Amtszeit von Thomas Schlipköther bei Duisport. So blickt er auf Duisburgs Hafen, dessen Entwicklung er geprägt hat.

Das Büro ist ausgeräumt, der 9. Dezember war der „Letzte“ für Thomas Schlipköther. Auf dem Papier ist er noch bis Jahresende im Dienst. „Von meinen 163 Tagen Resturlaub mach’ ich noch drei Wochen frei“, sagt er, „den Rest nehm’ ich mit in die nächste Firma.“ Genau 21 Jahre und neun Monate lang war er technischer Vorstand von Duisport und Leiter der Hafenbehörde. Das Wachstum des Hafens ist mit seinem Namen eng verbunden. Der Essener verlässt die Stadt nicht so ganz und wird sich, das ahnt jeder der ihn kennt, nicht im heimatlichen Werden der Rosenzucht widmen.

[Nichts verpassen, was in Duisburg passiert: Hier für den täglichen Duisburg-Newsletter anmelden.]

Am 2. Dezember ist er 67 geworden, es war das Datum der Weihnachtsfeier von Duisport. „Alle behaupten, das wär’ meine Abschiedsfeier gewesen“, sagt Schlipköther. Eine kaum planbare Gleichzeitigkeit und man merkt ihm an: Er hat’s genossen, noch einmal mit den vielen zu feiern, die ihn über die Jahre begleitet haben.

Zwei wie Feuer und Wasser: Mit seinem Vorstandskollegen Erich Staake (r.), der Duisport bereits im vergangenen Jahr verließ, verband Thomas Schlipköther 20 Jahre lang ein schwieriges Verhältnis.
Zwei wie Feuer und Wasser: Mit seinem Vorstandskollegen Erich Staake (r.), der Duisport bereits im vergangenen Jahr verließ, verband Thomas Schlipköther 20 Jahre lang ein schwieriges Verhältnis. © FUNKE Foto Services | Michael Dahlke

„Ein Macher, der auch bereit war, die Wand mit dem Kopf einzureißen“

Auch interessant

Mancher, der außerhalb des Hafens mit ihm zu tun hatte, registriert seinen Abschied auch mit Erleichterung. Den Bauingenieur haben 40 Jahre in der Branche geprägt: Einer, der das Herz auf der Zunge trägt, sagt was er denkt. Diplomatie ist nicht seine Sache, mancher kam damit schwer klar.

Wer ihn etwas besser kennenlernt, der entdeckt schnell unter einer gar nicht so harten Schale den Ruhrgebietstypen, mit dem sich leidenschaftlich diskutieren und herzlich lachen lässt. „Ein absoluter Macher, der auch bereit war, die Wand mit dem Kopf einzureißen“, sagt einer, der ihn seit seinem ersten Tag in Duisburg kennt: „Aber er hatte immer das klare Ziel, das etwas entsteht.“

„Ich bin stolz auf das, was wir in Duisburg erreicht haben“

Auch interessant

Das hat er wohl erreicht. Bei seinem Antritt steckte Logport I auf dem Rheinhauser Krupp-Gelände in den Kinderschuhen. Fünf weitere Logports wurden unter seiner Regie entwickelt. „Als ich 2001 kam, hatten wir 210 Männekes, haben 27 Millionen Umsatz gemacht und waren so pleite wie alle anderen öffentlich-rechtlichen Häfen. Heute haben wir 1600 Beschäftigte und 346 Millionen Umsatz, machen knapp 19 Millionen Euro Gewinn“, bilanziert er. „Die Zahl der direkten und indirekten Arbeitsplätze ist von rund 17.000 auf 52.000 gestiegen. Ich bin stolz darauf, dass wir das in einer Stadt geschafft haben, die durch die Fokussierung auf Kohle und Stahl über Jahrzehnte nur den Verlust von Arbeitsplätzen erlebt hat.“

Gegen den Vorwurf, in Hafen und Logports seien vor allem Niedriglohn-Jobs entstanden, wehrt er sich entschieden: „Ein Kranführer bekommt bei uns 65.000 Euro pro Jahr, ein Bauingenieur bis 90.000, ein Lokführer 50.000 Euro.“ Das sei deutlich mehr als in manchen Handwerksberufen und erst recht im Gastro- und Dienstleistungsgewerbe.

„Erich Staake wollte einen, der jünger und leicht manipulierbar ist“

Zum Hafen hat ihn Georg Adamowitsch gelotst, damals NRW-Staatssekretär und Aufsichtsratsvorsitzender von Duisport. Für Schlipköther, der nach Engagements bei Hochtief und Strabag im Management von Walter-Bau arbeitete, war nach dem ersten Treffen mit Erich Staake klar: „Das wird nix. Der wollte einen, der zehn Jahre jünger und leicht manipulierbar ist.“

Auch interessant

Letztlich setzte sich Adamowitsch durch und brachte damit zwei spezielle Charaktere an die Hafenspitze. Beide pflegten 20 Jahre lang ein Verhältnis, an dem jeder Psychologe seine Freude hätte. „Meine Wiederwahlen waren immer spannend, weil er alles getan hat, um sie zu verhindern“, sagt Schlipköther über Staake. Warum ist er geblieben? „Aufgeben ist einfach. Ich hab‘ irgendwann gesagt: Ich zeige, dass ich mich nicht wegdrängen lasse.“

„Der Hafen hat von unserem internen Wettkampf profitiert“

Auch interessant

Dass sich der Hafenchef lieber allein ins Licht stellte, hat er dabei akzeptiert. „Der Vorstandsvorsitzende steht in der Zeitung, Markus Bangen und ich haben 95 Prozent der Arbeit gemacht. Damit musst du leben.“ Das Unternehmen habe von ihrem internen Wettkampf profitiert, analysiert Thomas Schlipköther. „Sonst wären wir heute nicht da, wo wir sind.“ Man ahnt: Dass ihn die Universität Duisburg-Essen 2013 zum Honorar-Professor für „Hafenwirtschaft und Logistik“ machte, muss ihm eine große Genugtuung gewesen sein. Der Uni wird er weiter erhalten bleiben.

Die Kehrseite des Erfolges, auch sie ist zum Teil wohl dem Naturell der Hafenvorstände geschuldet: Auf die Belastungen, die der Ausbau der Logistikdrehscheibe für die Stadt und ihre Menschen mit sich brachte, haben sie zu spät regiert. Erst seit dem Abgang von Erich Staake arbeitet sein Nachfolger Markus Bangen gegen den Eindruck, der Hafen sei ein Staat im Staate, setze ohne Rücksicht auf Dritte die eigenen Belange durch. Schlipköther fremdelt mit diesem Paradigmenwechsel. Aus seiner Ingenieurssicht lösen sich Verkehrsprobleme zuerst durch Straßenbau. Ginge es nach ihm, wäre der umstrittene Weiterbau der Osttangente bis zur A40 längst vollzogen.

Mit Matthias Palapys (l.) führte Thomas Schlipköther die Duisburger Infrastrukturgesellschaft, das Bild zeigt beide beim Bau der Umgehungsstraße Meiderich im Juni 2020.
Mit Matthias Palapys (l.) führte Thomas Schlipköther die Duisburger Infrastrukturgesellschaft, das Bild zeigt beide beim Bau der Umgehungsstraße Meiderich im Juni 2020. © FUNKE Foto Services | Martin Möller

„Bei der Gründung der DIG habe ich viel gelernt“

Fast eine Ironie der Geschichte, dass Thomas Schlipköther am Ende seiner Amtszeit die Umgehungsstraßen in Meiderich und Walsum plante und baute, die weder Stadt, Land oder Hafen zuvor hinbekommen hatten. Möglich machte es die neue städtische Infrastrukturgesellschaft DIG unter Führung von Duisport. Mit dem Hafenvorstand und der Bauverwaltung trafen zwei Welten aufeinander. Er habe, sagt Schlipköther, „bei der Gründung der DIG viel gelernt.“ Am Ende setzte er die Schlagzahl und die erste Straße stand in Rekordzeit – das Ergebnis zählt.

Die weiteren DIG-Projekte wie das neue Straßenverkehrsamt wird nun Matthias Palapys weiterführen mit seinem Nachfolger Lars Nennhaus, den er in seinen letzten Wochen eingearbeitet hat. Selbst für die DIG weiterzumachen, hätte sich Thomas Schlipköther vorstellen können. Die anstehende Sanierung des Stadttheaters wäre ein Projekt gewesen, für das er Ideen gehabt hätte. Das sich am Ende noch nicht einmal jene darum bemüht haben, die das zuvor öffentlich bekundet hatten, nimmt er mit einem Schulterzucken: „Ich gehe ohne Groll.“

„LOGISTIK IST EINE HURE. SIE WIRD IMMER BILLIGER.“

Auch interessant

Am Aufbau weltweiter Logistikketten und der Organisation des globalisierten Handels hat Thomas Schlipköther über 20 Jahre lang mitgearbeitet. In der Folge der Corona-Pandemie hat er als Leiter der Hafenbehörde erlebt, wie dieses Räderwerk empfindlich und nachhaltig gestört wird. Längst zweifelt auch er an der Sinnhaftigkeit mancher Entwicklungen.

Globalisierungskritikern stellt er die Frage: „Woher kommen Ihre Kleider?“ Eine Jeans, die vor ihrem Verkauf 11.900 Kilometer zurücklegt, Becher und Deckel für Joghurt 8900 Kilometer? „Wahnsinn. Das muss nicht sein. Aber wir wollen billig kaufen, also sind wir schuld an den Verhältnissen in der Billigproduktion in Asien.“ Es sei schlicht „pharisäerhaft, nach Unabhängigkeit zu schreien, wenn wir es immer billiger haben wollen“.

Als Vorstand Technik bei Duisport war Thomas Schlipköther auch Leiter der Hafenbehörde. Das Bild entstand im vergangenen Juli im Logport-Terminal in Rheinhausen, wo sich wegen der Störung der Logistikketten Leercontainer stapeln.
Als Vorstand Technik bei Duisport war Thomas Schlipköther auch Leiter der Hafenbehörde. Das Bild entstand im vergangenen Juli im Logport-Terminal in Rheinhausen, wo sich wegen der Störung der Logistikketten Leercontainer stapeln. © FUNKE Foto Services | STEFAN AREND

„Es gibt keine einseitige Abhängigkeit von China“

„Logistik ist eine Hure“, sagt Thomas Schlipköther, „sie wird immer preiswerter, ihr Anteil am Preis ist relativ gering.“ Wer etwa seine Kleider online bestelle, solle sich nicht beschweren, findet er: „Die Retouren landen dann zu hunderten von Tonnen in Afrika.“

Auch interessant

Wie sieht er die Abhängigkeit von China, die derzeit in der Diskussion steht? „Die Chinesen exportierten Waren im Wert von 110 Milliarden zu uns, wir haben 95 Milliarden Exporte nach China. Es gibt keine Einseitigkeit. Es gibt hier 800 chinesische Firmen im Umkreis von 150 Kilometern.“

Thomas Schlipköther wird der Logistik treu bleiben. „Ich bin ab 1. Januar Vorstand einer neuen Logistik- und Beratungsgesellschaft in Oberhausen“, kündigt er an. Der Geschäftszweck: „Der Betrieb von Terminals, Beteiligungen an Industrie-Unternehmen, globale Logistik.“ Nach Duisburg wird ihn nicht nur seine Vorlesung an der Uni weiterhin führen, auch als Handelsrichter am Landgericht bleibt er über seinen Abschied bei Duisport hinaus im Amt.