Duisburg. Corona-Pandemie, Brexit und Ukraine-Krieg haben die globalen Lieferketten nachhaltig gestört. So betrifft das den Betrieb im Duisburger Hafen.
Hektische Betriebsamkeit am Terminal D3T im Rheinhauser Logport: Die riesigen Portalkräne hieven die Container von und auf Schiffe und Züge, stapeln sie zu haushohen Türmen. Lkw liefern leere 20-Fuß-Blechkisten (TEU), den Standard-Behälter der globalen Warenströme, ab und nehmen beladene auf. Doch der Schein des Normalbetriebs trübt.
„Das System ist völlig zusammengebrochen“, sagt Thomas Schlipköther, Duisport-Vorstand Technik, über die weltumspannenden Lieferketten. „So etwas habe ich noch nie erlebt.“
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Duisport-Vorstand: „In der internationalen Logistik ist nichts mehr, wie es war“
Es begann mit dem Brexit und den neuen Zoll-Formalitäten, dann kamen die Pandemie und die strikte Null-Covid-Strategie mit anhaltenden Lockdowns in China, havarierte Frachter im Suez-Kanal und nun der Ukraine-Krieg.
All das hat den weltweit minuziös aufeinander abgestimmten Takt von Produktion und Transport nachhaltig aus dem Rhythmus gebracht. „Vor Shanghai, dem weltweit größten Seehafen, liegen 1200 Schiffe, die auf Abfertigung warten. Der Hafen ist wegen eines einzigen Corona-Verdachtsfalls geschlossen. Ein Wahnsinn“, sagt Schlipköther, der seit über 20 Jahren in der internationalen Logistik unterwegs ist.
Das Problem beginnt und endet in Shanghai und es trifft alle anderen: Mit in China produzierten Waren gefüllte Container gelangen nicht hinaus, Leer-Container kommen nicht hinein. Ob und wann etwa in Europa georderte Produkte eintreffen, ist ebenso ungewiss wie das Ende der Lockdowns im Reich der Mitte. In der Folge stauen sich auch vor Rotterdam und Hamburg, den größten europäischen Seehäfen, die Schiffe, die Transportpreise sind auch deshalb um das vier- bis fünffache gestiegen.
Tausende Leercontainer verstopfen die neun Duisburger Terminals
In den neun Terminals des Duisburger Hafens, Knotenpunkt für die Weiterverteilung der Waren in Westeuropa und Richtung Osten, setzt sich das fort. „Hier stehen jetzt deutlich über 10.000 TEU, normalerweise sind es nur halb so viele. Allein 7000 davon sind leer“, sagt Ralf Jahnke, der das D3T im Logport I seit seiner Inbetriebnahme vor 15 Jahren leitet.
Fünffach lässt er die Kisten mittlerweile stapeln. „Vielleicht können wir noch zwei Etagen draufpacken“, rechnet Jahnke. Dass die Kundschaft die Container bei ihm stehen lässt, erstaunt ihn nicht: „In den Seehäfen ist die Lagerung teurer.“
Standzeiten der Container haben sich vervielfacht
Auch die beladenen Container stehen deutlich länger. Denn „Hamsterkäufe“ aus Angst vor Nachschub-Problemen gibt’s auch in der Logistik. „Wir haben Kunden, die bestellen statt zehn plötzlich 500 Container. Die können sie dann aber nicht so schnell abholen“, berichtet Schlipköther.
Also stehen auch diese Kisten auf einer wachsenden Halde. Das erschwere die Abfertigung der täglich bis zu 700 Lkw am Terminal, erläutert Ralf Jahnke „weil wir Container erst aus einem großen Stapel ausbuddeln müssen“. Die mittleren Standzeiten den beladenen TEU sei von drei auf über zehn Tage gestiegen, bei Leercontainern sind es Monate statt 14 Tage.
Thomas Schlipköther: Mindestens ein Jahr für Rückkehr zum Normalbetrieb
Längst ist Platz nicht nur im D3T, sondern auch in den acht anderen Duisburger Terminals ein knappes Gut. „Wir können nicht zwischen den Standorten verteilen“, erklärt Schlipköther, „die jetzt erreichte Auslastung von 80 Prozent ist eigentlich die Obergrenze, weil wir einen Rest von Bewegungsfreiheit erhalten müssen.“ Als Notreserve fasst Duisburg Fläche auf der Ruhrorter Mercator-Insel für die Zwischenlagerung ins Auge.
Wie das alles weitergehen soll, ist auch ausgewiesenen Logistik-Fachleuten wie Thomas Schlipköther ein großes Rätsel. „Es gibt Stau an allen Enden, ich weiß nicht, wie dieser Knoten zu lösen ist.“ Selbst wenn schlagartig alle Störfaktoren beseitigt wären, „dauert es mindestens ein Jahr, bis alles wieder läuft.“
Und dann sagt er noch diesen nicht selbstverständlicher Satz für einen, der sein halbes Berufsleben lang internationale Logistik-Ketten mit aufgebaut hat: „Vielleicht müssen wir darüber nachdenken, einige Dinge zu deglobalisieren.“
STÖRUNGEN BETREFFEN AUCH DIE ZUGVERBINDUNG MIT CHINA
- Der russische Angriffskrieg in der Ukraine und die Lockdowns in China beinträchtigen auch die Frequenz der Zugverbindung zwischen der chinesischen Metropole Chongqing und dem Duisburger Hafen. Den erreichen statt bis zu 60 derzeit nur 35 bis 40 Güterzüge pro Woche, berichtet Thomas Schlipköther.
- „Auch auf der Schiene fehlen Container“, erklärt der Duisport-Vorstand. Außerdem erschwere der Krieg die Versicherung der Transporte. Die Einbußen im Schienengüterverkehr mit China, der einen kleinen aber zuletzt stark wachsenden Anteil am gesamten Containerumschlag des Hafens ausmacht, seien aber geringer als befürchtet.
- In Betrieb ging die Zugverbindung 2014, in der vergangenen Woche begrüßte der Hafen symbolisch den 10.000 Zug, der seither in Duisburg eingetroffen ist. Anlass war der Antrittsbesuch des neuen chinesischen Generalkonsuls in Düsseldorf, Du Chunguo, bei Duisport. Er wurde begrüßt von Hafenchef Markus Bangen, Vorstand Dr. Carsten Hinne, Bernd Putens (DIT-Terminal), sowie dem städtischen China-Beauftragten Markus Teuber und dem China-Referatsleiter des OB, Johannes Grünhage.