Dortmund. Im Sommer stirbt der Geflüchtete Mouhamed D. (16) bei einem Polizeieinsatz in der Dortmunder Nordstadt. Jetzt werden fünf Polizisten angeklagt.
Ein halbes Jahr nach den tödlichen Polizeischüssen auf den Geflüchteten Mouhamed D. (16) in Dortmund sind die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Dortmund abgeschlossen. Wie die BILD-Zeitung berichtet, kommen nun fünf beschuldigte Beamte vor Gericht. Ihre Anklage stand schon lange im Raum.
Seit Monaten hatte die Staatsanwaltschaft Dortmund gegen fünf der zwölf beteiligten Polizisten ermittelt, darunter gegen den Todesschützen und den Einsatzleiter. Die Vorwürfe reichen von gefährlicher Körperverletzung im Amt über Anstiftung bis hin zu Körperverletzung mit Todesfolge beziehungsweise Totschlag. Wegen Totschlags sei nun auch der Todesschütze angeklagt, heißt es im BILD-Bericht.
Polizeipräsident Lange: "Anschuldigungen fair aufarbeiten"
Dortmunds Polizeipräsident Gregor Lange äußerte sich am Mittwochmorgen zur Anklage gegen seine Mitarbeitenden: "Es ist unser ureigenes Interesse, dass der Tod dieses jungen Mannes – und damit die Frage nach der Rechtmäßigkeit der Maßnahmen in diesem Einsatz – lückenlos aufgeklärt wird." Der Tod von Mouhamed D. habe "bei Menschen mit Zuwanderungsgeschichte Vertrauen beschädigt, das wir wieder herstellen müssen", räumt Lange ein.
Der Polizeipräsident hatte direkt nach dem Einsatz Disziplinarverfahren eingeleitet. Der Todesschütze war suspendiert und vier weitere Beamtinnen und Beamte versetzt worden. Fakt sei aber: "Bis zum Ausgang des Verfahrens gilt auch bei Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten die Unschuldsvermutung." Jetzt müssten die Anschuldigungen vor Gericht "umfassend und fair" aufgearbeitet werden, so Lange. "Ich erwarte von allen meinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, dass sie sich im Rahmen unserer Gesetze und Vorgaben bewegen."
Staatsanwaltschaft: Mouhameds Tod durch falsche Taktik
Nach wie vor geht die Staatsanwaltschaft davon aus, dass der Einsatz unverhältnismäßig abgelaufen ist, der Tod des Jugendlichen durch falsche Polizeitaktik verursacht wurde.„Wir haben keine Notwehr- oder Nothilfelage seitens der Polizisten feststellen können“, sagte der leitende Oberstaatsanwalt Carsten Dombert am Mittwoch.
Schon der Einsatz von Reizgas und Taser war demnach unverhältnismäßig. Es sei nicht das mildeste Mittel angewandt worden. Der Einsatz sei somit rechtswidrig, sagte Dombert. Der Schütze fasste demnach selbst den Entschluss, die Waffe einzusetzen. Er soll also nicht auf Anweisung geschossen haben.
Beschuldigte schweigen bisher zu den Vorwürfen
Gegen den 54 Jahre alten Dienstgruppenleiter wurde Anklage wegen der Anstiftung zur Körperverletzung im Amt erhoben. Laut Dombert wird ihm vorgeworfen, dass er das Vorgehen der Polizei bei dem Einsatz am 8. August vorgegeben hat, insbesondere geht es dabei um den Einsatz des Reizgases.Die Beschuldigten haben sich laut Oberstaatsanwalt nach wie vor nicht zu den Vorwürfen geäußert.
Nach Informationen des Kölner Stadtanzeigers werfe die Beweislage allerdings etliche Fragen auf: Demnach belegen die Aussagen von Augenzeugen nicht eindeutig die Schuld der Beamten. Elf Polizisten und Sozialarbeiter der Jugendhilfe-Einrichtung haben die Geschehnisse an jenem Nachmittag im August in ihren Vernehmungen weitgehend ähnlich geschildert. Einzig der Schütze schweigt bisher. (mit dpa)
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