Düsseldorf. Die Staatsanwaltschaft ermittelt jetzt gegen fünf Polizeibeamte und prüft sogar den Tatverdacht des Totschlags. Es gibt personelle Konsequenzen.

Nach den tödlichen Polizeischüssen auf einen 16-jährigen Flüchtling in Dortmund ist der Schütze suspendiert worden. Vier weitere Beamte wurden laut Polizei Dortmund zunächst intern versetzt. Die Polizei hatte die Disziplinarverfahren gegen die Beamten am Donnerstagabend publik gemacht. Es wurde aber nicht gesagt, wer von den fünf betroffenen Beamten suspendiert wurde. Auf Nachfrage machte die Polizei auch am Freitag dazu keine weiteren offiziellen Angaben. Laut Staatsanwaltschaft gibt es eine Tonaufnahme des Einsatzes. Der Rechtsausschuss des Landtags wird unterdessen am Mittwoch in einer Sondersitzung über den Fall sprechen.

Der suspendierte Polizeibeamte hatte laut aktuellem Ermittlungsstand sechs Mal mit seiner Maschinenpistole auf den mit einem Messer bewaffneten Jugendlichen geschossen. Vier Schüsse davon trafen, heißt es in einem neuen Bericht an den Innenausschuss des nordrhein-westfälischen Landtags, der am Freitag veröffentlicht wurde.

Ermittlungen gegen Dortmunder Polizisten ausgeweitet

Wie NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) am Donnerstag sagte, habe sich bei den Ermittlungen „eine neue Lage“ ergeben. Zuvor war durch einen Bericht des Innenministeriums an den Landtag bekannt geworden, dass die Staatsanwaltschaft Dortmund ihre Ermittlungen auf nunmehr fünf Polizisten ausgeweitet habe. Es werde geprüft, „ob der Polizeibeamte, der die Schüsse aus der Maschinenpistole abgegeben hat, des Totschlags verdächtig ist“, hieß es am Donnerstag in dem achtseitigen Bericht, der unserer Redaktion vorliegt.

Bislang geht es um den Verdacht der Körperverletzung mit Todesfolge. Darüber hinaus wird gegen weitere drei Beamte ermittelt, die gegen den 16-jährigen Reizgas und Taser eingesetzt hatten, sowie gegen den verantwortlichen Einsatzleiter. Dabei geht es um den Verdacht der Körperverletzung im Amt bzw. um die Anstiftung dazu.

SPD wirft Reul Zögerlichkeit vor

Zudem wurden weitere Details zum Einsatzablauf bekannt. So sollen insgesamt zwölf Polizeibeamte Anfang August den 16-jährigen Flüchtling im Hof der Jugendhilfeeinrichtung in der Dortmunder Nordstadt „in gehockter Haltung an einem Gebüsch“ angetroffen haben. Der offenbar suizidale Senegalese hielt sich den Ermittlungen zufolge eine Messerklinge an den Bauch. Erst nach dem Einsatz von Pfefferspray und missglückten, aber schmerzhaften Taser-Treffern muss die Situation dramatisch außer Kontrolle geraten sein.

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Die innenpolitische Sprecherin der SPD, Christina Kampmann, warf Reul zögerliche politische Transparenz vor: „Es ist gut, dass eine unabhängige Behörde für Aufklärung sorgt. Der Innenminister hat sich bisher einer aktiven Rolle bei der Aufarbeitung verweigert. Das war falsch.“ Filmaufnahmen von dem Einsatz gibt es nicht, da die Polizisten ihre Bodycams nicht eingeschaltet hatten.

Der 29 Jahre alte Schütze hat sich nicht zu den Vorwürfen geäußert. Sein Verteidiger habe mitgeteilt, dass er bei einer staatsanwaltschaftlichen Ladung keine Angaben machen werde, sagte er. Das gilt auch für die vier weiteren Beschuldigten. Diese hatten sich aber - wie auch die anderen Beteiligten - als Zeugen geäußert, bevor Ermittlungen gegen sie aufgenommen worden waren.

Neue Erkenntnisse erhoffen sich die Ermittler von einer Tonaufnahme des Einsatzes. Der Betreuer der Einrichtung, der den Notruf gewählt hatte und in der Nähe des Einsatzes blieb, sei während der ganzen Zeit in der Leitung geblieben, sagte Dombert. Es seien der Betreuer und der Polizeibeamte in der Leitstelle zu hören. Im Hintergrund höre man auch Menschen sprechen und Knallgeräusche, die von Tasern oder der Maschinenpistole stammen könnten. Das Bundeskriminalamt (BKA) werte die Aufnahme noch aus, man warte auf das Gutachten. (mit dpa)