Düsseldorf. NRW-Innenministerium widerspricht Eindruck, Elektroschocker könnte beim Tod eines 16-Jährigen vorschriftswidrig genutzt worden sein.

Drei Monate nach dem Tod eines 16-jährigen Afrikaners durch Kugeln aus einer Polizei-Maschinenpistole in Dortmund ist das NRW-Innenministerium am Montag Spekulationen entgegengetreten, im Zuge des Einsatzes könnte von den Beamten ein sogenannter Taser vorschriftswidrig genutzt worden sein.

Eine am Wochenende öffentlich gewordene, eigentlich als Verschlusssache eingestufte Dienstanweisung bringe lediglich zum Ausdruck, dass ein Distanzelektroimpulsgerät (DEIG) in dynamischen Einsatzlagen als nicht geeignet eingestuft werde und ein schärferes Einsatzmittel wie die Schusswaffe gegebenenfalls sogar erfolgversprechender wäre als der Taser, hieß es in einer Stellungnahme. Das Innenministerium betonte dabei ausdrücklich, „dass die Formulierung ‚nicht geeignet‘ gerade nicht ein Verbot des Einsatzes des DEIGs bedeutet“.

In Dortmund endete "statische Lage" in Katastrophe. Warum?

Der WDR hatte zuvor eine Passage aus der vertraulichen Dienstanweisung für die Polizei zitiert, in der es heißt: „Grundsätzlich nicht geeignet sind DEIG zur Bewältigung von dynamischen Lagen im Kontext von Bedrohungen oder Angriffen mit Hieb-, Stich, Schnitt- oder Schusswaffen.“ Das hatte weitere Fragen zu den Abläufen des missglückten Dortmunder Einsatzes aufgeworfen.

Anfang August waren insgesamt zwölf Polizeibeamte zu einer Jugendhilfeeinrichtung im Norden der Stadt gerufen worden. Ein 16-jähriger, unbegleiteter Flüchtling aus dem Senegal saß nach bisherigen Erkenntnissen der Staatsanwaltschaft offenbar in Suizidabsicht mit einem Messer vor dem Bauch im Innenhof. Es sei eine „statische Lage“ gewesen, heißt es.

Doch nach dem Einsatz von Pfefferspray und missglückten, aber schmerzhaften Taser-Treffern muss die Situation dramatisch außer Kontrolle geraten sein. Ein Polizist eröffnete schließlich mit der Maschinenpistole das Feuer. Vier Kugeln trafen den jungen Mann tödlich. Gegen vier Polizisten und den Einsatzleiter wird ermittelt. Später wurde bekannt, dass die bei dem Einsatz eingesetzte Reizstoffpatrone bereits im April abgelaufen - was aber womöglich die Wirksamkeit nicht gemindert hat.

Schwarz-Grün schloss Kompromiss zum Taser

Die Ermittlungen dauern weiter an. Die Dortmunder Staatsanwaltschaft hat deutliche Zweifel an der Angemessenheit des Einsatzes geäußert. Politisch ist seither gerade die Debatte über den umstrittenen Taser weiter angefacht worden. CDU und Grüne haben sich im Koalitionsvertrag darauf verständigt, bereits gekaufte Geräte noch an weitere Polizeidienststellen auszuliefern, zugleich aber bis 2024 wissenschaftlich Bilanz ziehen zu lassen. „Dann entscheiden wir über den weiteren Fortgang. Gerade die Gesundheitsrisiken sind noch nicht ausreichend erforscht und müssen Teil der Evaluation sein“, sagte Grünen-Landtagsfraktionschefin Verena Schäffer zuletzt unserer Redaktion. Distanzelektroimpulsgeräte sollen eigentlich durch den Abschuss von zwei Elektroden einen Angreifer durch einen Stromstoß kurzzeitig außer Gefecht setzen.