Düsseldorf. Im Fall des durch Schüsse aus einer Polizei-MP getöteten 16-jährigen Afrikaners gibt es neue Ungereimtheiten. Eine ist besonders brisant.
Im Dortmunder Fall des durch Schüsse aus einer Polizei-Maschinenpistole getöteten 16-jährigen Afrikaners sind neue Ungereimtheiten bekannt geworden. Wie Justizminister Benjamin Limbach (Grüne) am Mittwoch in einem Bericht an den Rechtsausschuss des Landtags einräumte, war die zunächst bei dem Einsatz eingesetzte Reizstoffpatrone bereits im April abgelaufen. Das Innenministerium habe nun ein „Wirksamkeitsgutachten“ in Auftrag gegeben, das klären soll, ob das Pfefferspray überhaupt noch einsatztauglich war.
Zudem stellte Limbach klar, dass eine Polizeibeamtin, die an dem Einsatz beteiligt war, hinterher eine Strafanzeige wegen Bedrohung gegen den getöteten Jugendlichen gefertigt habe. Ob ihr zu diesem Zeitpunkt der um 18.02 Uhr eingetretene Tod des 16-Jährigen schon bekannt gewesen sei, könne er den Vorgängen nicht entnehmen, so Limbach.
Video aufgetaucht, das Geschehen nach Schussabgabe zeigen soll
Interessant auch, dass offenbar ein Video aufgetaucht ist, das zumindest das Geschehen nach der Schussabgabe zeigen soll. Es werde zurzeit ausgewertet. Bislang ruhten große Hoffnungen der Ermittler auf einem aufgezeichneten Telefonat der Einsatzleitstelle, das Rückschlüsse auf den Einsatzablauf geben soll. Es wird von Spezialisten des Bundeskriminalamtes ausgewertet.
Vor allem das abgelaufene Reizgas dürfte weitere kritische Nachfragen provozieren. Anfang August waren insgesamt zwölf Polizeibeamte zu einer Jugendhilfeeinrichtung im Dortmunder Norden gerufen worden. Ein psychisch labiler unbegleiteter Flüchtling aus dem Senegal saß nach bisherigen Erkenntnissen der Staatsanwaltschaft offenbar in Suizidabsicht mit einem Messer vor dem Bauch im Innenhof. Es sei eine „statische Lage“ gewesen, heißt es.
Warum ist eine "statische Lage" derart eskaliert?
Doch nach dem Einsatz von Pfefferspray und missglückten, aber schmerzhaften Taser-Treffern muss die Situation dramatisch außer Kontrolle geraten sein. Ein Polizist eröffnete schließlich mit der Maschinenpistole das Feuer. Vier Kugeln trafen den jungen Mann tödlich. Gegen vier Polizisten und den Einsatzleiter wird ermittelt. Es wird geprüft, ob der Polizeibeamte, der die Schüsse aus der Maschinenpistole abgegeben hat, des Totschlags verdächtig ist. Bislang geht es um den Verdacht der Körperverletzung mit Todesfolge.
Ein weiteres medizinisches Rechtsgutachten sei in Auftrag gegeben worden, berichtete Justizminister Limbach am Mittwoch. Damit soll rekonstruiert werden, ob die Wirkung des Tasers überhaupt ausreichend abgewartet oder zu schnell geschossen wurde.
Die Dortmunder Staatsanwaltschaft hat bereits deutliche Zweifel an der Angemessenheit des Einsatzes geäußert. Auch Innenminister Herbert Reul (CDU) erklärte später, es dränge sich bei ihm „schon auch der Eindruck auf, dass bei diesem Einsatz einige Dinge nicht einwandfrei gelaufen sein könnten“. Der Fall wühlt seit Wochen die Stadt Dortmund auf und hat eine Debatte über Polizeigewalt entfacht.