Bottrop. Als neue Gleichstellungsbeauftragte sieht sich Susanne Lehmann nicht als Einzelkämpferin. Für Veränderungen brauche es viele Akteure. Ihre Ziele.

„Die Aussicht auf Veränderung ist mein Motor“, sagt Susanne Lehmann. Die 39-Jährige ist die neue Gleichstellungsbeauftragte der Stadt Bottrop, arbeitete zuvor bereits fünf Jahre an der Seite ihrer Vorgängerinnen an den unterschiedlichsten Frauenthemen. Zwar gehe vieles nur sehr kleinschrittig voran. „Aber trotzdem, es tut sich was“, betont Lehmann. Immerhin fällt eine historische Personalentscheidung in ihre Amtszeit: Mit Sozialamtsleiterin Karen Alexius-Eifert ist erstmals in Bottrop eine Frau zur Beigeordneten gewählt worden.

Zwölf Frauen sind in Leitungsfunktionen im Bottroper Rathaus

Innerhalb der Stadtverwaltung ist die Karriereförderung von Frauen natürlich ein wichtiger Schwerpunkt der Gleichstellungsbeauftragten. Aktuell sind zwölf Frauen in Leitungsfunktionen im Bottroper Rathaus tätig. Das ist erfreulich, doch da geht noch mehr, findet Susanne Lehmann: „Es wäre schön, wenn wir irgendwann in Richtung Parität kämen, damit der weibliche Blickwinkel in allen Bereichen vertreten ist.“

Ein Baustein auf dem Weg dahin: Ein ausgelaufenes Mentoring-Programm, über das Frauen in der Stadtverwaltung bei Führungskräften hospitieren konnten, will sie zusammen mit anderen Gleichstellungsbeauftragten in der Region neu aufbauen.

Susanne Lehmann setzt als neue Gleichstellungsbeauftragte der Stadt Bottrop auf Vernetzung.
Susanne Lehmann setzt als neue Gleichstellungsbeauftragte der Stadt Bottrop auf Vernetzung. © FUNKE Foto Services | Michael Dahlke

Ihre eigene Karriere begann die gebürtige Brandenburgerin vor 20 Jahren im Jobcenter, wechselte von dort zunächst zum Fachbereich Personal und Organisation. Die Problematiken der Vereinbarkeit von Familie und Beruf kennt die Diplom-Verwaltungswirtin aus persönlicher Erfahrung: Als ihre Tochter noch kleiner war, entschied sie sich für eine 30-Stunden-Stelle. „Als sie in die Schule kam, habe ich aufgestockt.“ Auch aufgrund der „vielfältigen Möglichkeiten“, die die Stadtverwaltung biete – wie Homeoffice oder das flexible Einteilen der Arbeitszeit. Gleichzeitig hat sie sich ein Netzwerk aufgebaut, falls kurzfristig Betreuungsprobleme für die dreiköpfige Familie auftauchen.

Gleichstellungsbeauftragte wünscht sich Kita für Rathaus-Neubau in Bottrop

Fragen wie diese, die alle berufstätigen Eltern bewegen, spielen für sie auch bei der Planung des Rathaus-Erweiterungsbaus eine Rolle. „Ich würde mich freuen, wenn wir dort eine Kita anlegen könnten“, betont Susanne Lehmann. Ob das klappt, sei noch nicht entschieden. Wohl aber dies: „Auf jeder Etage des Neubaus sollen Eltern-Kind-Büros eingerichtet werden.“

Aktuell ist der Gewaltschutz ein wichtiges Thema für Susanne Lehmann. Deutschland habe sich als Mitgliedstaat der Istanbul-Konvention verpflichtet, im Rahmen einer ganzheitlichen Strategie unter anderem gegen Gewalt gegen Frauen und häusliche Gewalt vorzugehen. Doch auf kommunaler Ebene komme wenig an, auch an finanziellen Mitteln. Dabei, so Lehmann: „Hier lassen sich einige Ansätze der Istanbul-Konvention umsetzen, zum Beispiel Prävention durch Sensibilisierung der Öffentlichkeit und Stärkung der vorhandenen Hilfeinfrastruktur.“ Als da etwa wären das Awo-Frauenhaus und das Frauenzentrum Courage.

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Zumal gerade jetzt die Folgen von Corona-Pandemie und Kontaktbeschränkungen erst richtig zutage treten. „Das Frauenhaus ist überbelegt, und bei Courage hat man Schwierigkeiten, allen Anfragen und Terminen nachzukommen“, weiß die Bottroperin. Ein Ausbau an dieser Stelle sei wichtig.

Wie kann man mehr Frauen bewegen, in die (Kommunal-)Politik zu gehen?

Ausbauen will Lehmann zudem die Vernetzung im Rahmen des Bottroper Frauenforums. Erst kürzlich fand die erste Sitzung nach über zwei Jahren Corona-Pause statt, mit dabei seien neben klassischen Akteuren der Frauenarbeit nun etwa auch die Verbraucherzentrale und die Hochschule Ruhr West. „Wichtig für eine ganzheitliche Beratung der Frauen ist zu wissen, was die anderen Anbieter in der Stadt machen“, findet die 39-Jährige, die gerade auch darüber nachdenkt, wie man mehr Frauen bewegen könnte, in die (Kommunal-)Politik zu gehen. „Nach der letzten Kommunalwahl ist der Frauenanteil noch ein wenig gesunken.“ Dabei sei es sinnvoll, dass die Frauen im Rat paritätisch vertreten sind. „Die Politik ist ein wichtiger Treiber für Gleichstellungsthemen.“

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All diese Aspekte möchte Lehmann nicht nur an Aktionstagen, sondern dauerhaft in den Köpfen der Menschen verankern. Dabei sieht sie sich nicht als Einzelkämpferin, im Gegenteil: „Es gibt viele tolle Frauen, die sich engagieren.“ Sie nennt da die Aktivistinnen gegen sexuelle Belästigung der Gruppe „Catcalls of Bottrop“, das engagierte Netzwerk Sisterhood Bottrop, aber etwa auch die Unternehmerinnen von den Powerfrauen Bottrop sowie den Deutschen Hausfrauenbund.

„Überall dort sollen sich ruhig viele Frauen anschließen oder bedarfsorientiert selbst aktiv werden. Je mehr, desto besser!“ Denn für die Umsetzung ihrer Ziele gilt: „Ich brauche die anderen Frauen in der Stadt. Da sind viele Akteurinnen – und Akteure – gefragt. Aber das fällt hier in Bottrop auch auf fruchtbaren Boden.“

Zuvor schon Stellvertreterin

Susanne Lehmann hat das Amt der Gleichstellungsbeauftragten von Tanja Jesenek-Förster übernommen. Diese wechselte nach nur kurzer Amtszeit in der Gleichstellungsstelle in diesem Jahr an die Spitze des Bottroper Jobcenters – als erste Frau in dieser Position.

Zuvor war zehn Jahre lang Heidi Noetzel die städtische Gleichstellungsbeauftragte. Auch mit ihr hat Susanne Lehmann schon zusammengearbeitet. Seit 2019 war sie Stellvertreterin der Gleichstellungsbeauftragten in Gremien, Ausschüssen und bei Vorstellungsgesprächen.

Fragt man sie nach ihren Hobbys, nennt Susanne Lehmann als erstes ihre Familie. Zudem gibt sie „gerne alten Möbelstücken mit Geschichte ein neues Gesicht – das ist ein guter Ausgleich“.