Bochum. Direkt zum Start triumphierte der junge Intendant 1972 in Bochum mit einer sagenhaften Revue. „Kleiner Mann, was nun?“ wurde ein riesiger Erfolg.
Ein Werbeplakat wie für Hollywood gemacht, über 25 Darsteller auf der Bühne, ein stargespicktes Ensemble: Als Peter Zadek seine Intendanz am Schauspielhaus Bochum antrat, wurde alles etwas größer und glamouröser als unter seinem Vorgänger Hans Schalla. Direkt seine Eröffnungsinszenierung besitzt bis heute einen Ruf wie Donnerhall: „Kleiner Mann, was nun?“ feierte am 22. September 1972 umjubelte Premiere, also vor ziemlich genau 50 Jahren.
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Peter Zadek wurde vor 50 Jahren Intendant in Bochum
Zadek war Mitte 30, als er Intendant am Schauspielhaus wurde – und er sorgte schnell für Furore: „Wir waren ein ganzer Wald von Verrückten“, so erinnerte sich später die Schauspielerin Tana Schanzara. Nach der über 20 Jahre prägenden Schalla-Ära nutzte Zadek die Gunst der Stunde für einen radikalen Neubeginn und schuf aus einer Reihe junger Talente absolute Schauspielgrößen: darunter Hannelore Hoger, Rosel Zech, Ulrich Wildgruber und sogar Herbert Grönemeyer.
Bei „Kleiner Mann, was nun?“ war Herbie noch nicht dabei (er stieß erst 1974 als Theatermusiker zur Zadek-Familie hinzu), doch die Bühne war auch ohne ihn voll genug. Aus dem Roman von Hans Fallada schufen Zadek und der Dramatiker Tankred Dorst eine rauschhafte Revue mit Live-Musik und Dutzenden Tänzerinnen, die im Tingeltangel-Stil der 1920 Jahre vor einem bunt glitzernden Vorhang auftraten.
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Von Hoger bis Vosgerau: Klingende Namen auf der Besetzungsliste
Die Besetzungsliste war erlesen: Heinrich Giskes und Hannelore Hoger spielten die Hauptfiguren Pinneberg und Lämmchen. Brigitte Mira, Rosel Zech und Karl-Heinz Vosgerau waren in weiteren Rollen zu sehen, wobei Zech die Rolle der Zeremonienmeisterin zufiel: Sie trat abwechselnd als Marlene Dietrich, Hans Albers und Claire Waldoff auf.
Der Erfolg war riesig. Das Fachblatt „Theater heute“ widmete der Inszenierung vier Seiten, in denen der Kritiker Volker Canaris (später Intendant in Düsseldorf) seine Bewunderung über Zadeks eingeschlagenen Weg in Richtung eines waschechten „Volkstheaters“ darlegte.
Der Beginn eines neuen Zeitalters
„Für Zadek, dachten viele, konnte Hans Schallas Sessel doch nur ein Schleudersitz sein“, so Canaris, der dann lobend ausführte, dass der neue Intendant das Verhältnis zwischen Bühne und Publikum überprüft und geändert habe: „Ausgerechnet Zadek machte sich Gedanken darüber, wie sein Theater auch zu dem der Bochumer Bürger werden konnte.“
Und die Bürger kamen in großer Zahl, reihenweise ausverkaufte Vorstellungen waren die Folge. Hans Joachim Salmen, der Zadeks Eröffnung als junger Student miterlebte, war hin und weg: „Ich war mindestens viermal drin“, erinnert sich der heutige Vorsitzende des Theater-Freundeskreises. „Man wusste, mit Zadek beginnt am Schauspielhaus ein neues Zeitalter.“
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Hinter den Kulissen war einiges los
Dass es hinter den Kulissen mitunter chaotisch zuging, war ein offenes Geheimnis. Vor allem das Verhältnis zwischen den altgedienten Bochumer Schauspielern und den jungen Kräften, die Zadek mitgebracht hatte, galt als schwierig. Und Zadek selbst inszenierte wie ein Weltmeister: „Die Endproben dauerten fünfeinhalb Stunden“, so Salmen. „Da war allen klar, das ging so nicht.“ Am Ende war die wildbewegte Fallada-Aneignung immer noch knapp dreieinhalb Stunden lang.
Zahllose Theatergänger machte Zadeks Arbeit neugierig. Eine von ihnen war Brigitte Käding: „Mein großes Interesse fürs Theater wurde damals geweckt“, erzählt sie. Ihr großer Wunsch war es daraufhin, vom Jugendamt ans Schauspielhaus zu wechseln, wo sie schließlich über 30 Jahre lang arbeitete, zunächst als Assistentin in der Verwaltung, später als kaufmännische Direktorin. Die Jahre damals vergisst sie nie: „Brigitte Mira oder Diether Krebs: Was waren das für Schauspieler!“