Essen. Im Februar 2025 startet die ePa deutschlandweit. Einige Patienten in NRW können sie früher nutzen. Was sich für Versicherte ändert.
Schluss mit der Zettelwirtschaft: Ab Februar 2025 speichern Praxen und Kliniken Daten zu ihren Patientinnen und Patienten, Diagnosen, Therapien und Verschreibungen in digitalen Patientenakten ab. Die gesetzlich Versicherten können sich ihre Akte per App anschauen und ihre Daten verwalten. In bis zu 100 Praxen in NRW geht es schon vier Wochen früher los: In den Pilotpraxen sollen Angestellte, Ärztinnen und Ärzte sowie die Versicherten ab dem 15. Januar die sogenannte ePa testen. Das teilten die Kassenärztlichen Vereinigungen in NRW und die Krankenhausgesellschaft NRW am Montag, 7. Oktober, mit. Derzeit werden Praxen für die Generalprobe gesucht - unter anderem in Bochum und im Kreis Recklinghausen.
Die ePa gilt als das größte Digitalisierungsvorhaben im deutschen Gesundheitswesen. Bereits im Vorfeld melden Krankenkassen wie die AOK Rheinland/Hamburg ein hohes Interesse ihrer Versicherten. Zugleich warnt sie gemeinsam mit Kassenärzten in Nordrhein: Es wird anfangs nicht alles glattlaufen.
Was ist die E-Akte?
Die elektronische Patientenakte soll der Zettelwirtschaft im deutschen Gesundheitswesen ein Ende setzen. Alle Patientendaten, die bislang in den verschiedenen Computern von Praxen oder Kliniken abgelegt werden, sollen in einem digitalen Ordner gesammelt werden. Der Zahnarzt, die Hausärztin oder die Klinikärztin können Befunde, Diagnosen, Medikation und Therapien hochladen und ansehen. Perspektivisch sollen die Daten maschinenlesbar sein, so dass etwa Laborwerte schneller verglichen oder nach bestimmten Medikamenten gesucht werden kann.
Günter Wältermann, Vorstandsvorsitzender der AOK Rheinland/Hamburg, bezeichnet die ePa als einen „Gamechanger“ für die medizinische Versorgung. „Erstmals gibt es für die Patientinnen und Patienten und ihre Ärztinnen und Ärzte die Chance, an einer Stelle Informationen zu bündeln, die heute nur begrenzt und dezentral zur Verfügung stehen.“
Gibt es die elektronische Patientenakte nicht längst?
Zumindest wird seit zwei Jahrzehnten daran gearbeitet. Die Idee geht auf die frühere Gesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) zurück. Sie versprach 2003, mit der elektronischen Patientenakte könnten Leben gerettet und Milliardensummen gespart werden. Seit 2021 können Versicherte die Digitalakte auf freiwilliger Basis über Angebote ihrer Krankenkassen nutzen. Nach Angaben des Bundes tun das aber weniger als ein Prozent der rund 73 Millionen gesetzlich Versicherten. Die bisherigen Apps galten als nicht ausgereift.
Was ist ab 2025 neu?
Ab 15. Januar schalten die Krankenkassen automatisch für alle Versicherten die neue Digitalakte frei. Zunächst wird das in Modellregionen getestet. Das sind Hamburg und Franken in Bayern sowie einige Regionen in NRW - darunter aller Voraussicht nach Aachen, Bochum, das Münsterland und der Kreis Recklinghausen. Nach der vierwöchigen Generalprobe soll die Digitalakte ab Ende Februar dann allen gesetzlich Versicherten zur Verfügung stehen.
Was muss man tun, um die ePa scharf zu schalten?
Im Prinzip nichts. Wer ein Schreiben von der Versicherung erhält und nicht darauf reagiert, für den legt die Krankenkasse automatisch eine ePa an. Die Akte ist anfangs blank und soll sich nach und nach füllen - alte Daten werden in den Praxen nicht übertragen. E-Rezepte werden automatisch hinterlegt, perspektivisch kann man dort auch den Impfausweis oder Links zu Röntgenbildern sehen. Frank Bergmann, Chef der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein, geht davon aus, dass die Akte erst im Laufe des kommenden Jahres ihren vollen Nutzen entfalten wird.
Kann der Patient auch auf seine Daten zugreifen?
Er soll es sogar. Jede Krankenkasse stellt eine eigene spezielle App bereit, über die Versicherte die elektronische Akte einsehen, Daten lese, interpretieren und souverän verwalten können. Die Apps werden sich laut Experten in Ansicht und Funktion ähneln. Patienten müssen sich zur Freischaltung identifizieren; die genauen Schritte unterscheiden sich je nach Krankenkasse. Der Versicherte kann auch selbst Dokumente hochladen - er spielt damit eine aktivere Rolle gegenüber dem Arzt.
Die ePa könnte damit Folgen für die Arzt-Patienten-Kommunikation haben, meint Thorsten Hagemann, Experte für E-Health bei der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein. Behandler würden zudem vor einer viel höheren Dichte an sofort verfügbaren Informationen stehen, die sie aus- und bewerten müssen oder können.
Muss jeder die elektronische Patientenakte nutzen?
Nein. Wer das nicht möchte, muss aktiv gegenüber seiner Krankenkasse widersprechen. In den aktuellen Schreiben der Versicherungen wird das erklärt.
Bislang gehen nur wenige Menschen diesen Schritt. Bei der AOK Rheinland/Hamburg, einer der größten Krankenkassen in NRW, haben bis Anfang September lediglich 0,3 Prozent aller angeschriebenen Versicherten der ePa widersprochen. „Für uns ist das ein erfreuliches Ergebnis, weil wir uns viel von der elektronischen Patientenakte versprechen“, sagt AOK-Chef Günter Wältermann.
Wer entscheidet, wer meine Daten sieht?
Mit dem Einlesen der Gesundheitskarte in der Praxis erhält diese automatisch für 90 Tage Zugriff auf die elektronische Patientenakte. Versicherte können diese Standardeinstellung in der App ändern, sie können Befunde für bestimmte Praxen verbergen und auch Dokumente löschen. „Die Versicherten haben die absolute Hoheit über ihre Daten“, sagt AOK-Chef Wältermann. „Das ist unser Mantra.“
Nicht alle Daten dürfen laut Kassenärzten ungefragt in der Akte geteilt werden. Bei genetischen Informationen etwa benötigt ein Arzt die explizite Erlaubnis des Patienten.
Ich habe kein Handy und keinen Computer - was nun?
Wer kein Endgerät hat, kann auf Ombudsstellen bei den Krankenkassen zurückgreifen. Laut Verbraucherzentrale kann man alternativ auch eine Person, der man vertraut, als Vertretung benennen. Im Fall von Pflegebedürftigen können Betreuer die e-Akte verwalten. Bei Jugendlichen bis 16 Jahren tun das die Eltern.
Woran spüren Patienten eine Veränderung?
Nach Einschätzung von Kassenärzte-Chef Frank Bergmann werden Patienten mit eher komplexen Erkrankungen am schnellsten die Vorteile der ePa spüren. „Bei einer Krebserkrankung hat man schnell Dokumente von zehn verschiedenen Stellen, die die Menschen im besten Fall als Kopien in dicken Ordner sammeln“, so Bergmann. „Die ePa speichert alles zentral, sodass im Prinzip jeder behandelnde Arzt und der Patient auf dem gleichen Stand sind.“
Verbindet sich die Smart-Watch mit der e-Akte?
Denkbar ist eher, dass die Kassen die „Digitalen Gesundheitsanwendungen“ mit der Patientenakte verbinden. Das sind Apps, die als Medizinprodukt anerkannt sind und verschrieben werden können. Das können Rückentrainings oder Blutdruck-Apps sein.
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Wie sicher sich die Daten?
Die Daten liegen auf den Servern der Krankenkassen. Die AOK betont, dass sie nach den höchsten Sicherheitsstandards, die für Institutionen der kritischen Infrastruktur gelten, geschützt sind. Perspektivisch sollen sie pseudonymisiert auch von der Wissenschaft genutzt werden können. Daten sind also nicht auf den einzelnen Versicherten zurückzuführen. Die Versicherten müssen dem zustimmen.
Macht uns die ePa gesünder?
Zumindest soll sie die Versorgung verbessern. Doppeluntersuchungen sollen verhindert werden, was Zeit in den Praxen und Geld im System spart. Alle Ärztinnen und Ärzte sind im besten Fall auf dem gleichen Stand. Medikamente können besser aufeinander abgestimmt werden. Die Akte vergisst zudem nichts. „Sie weiß noch in 20 Jahren, dass eine Patientin eine allergische Reaktion auf ein bestimmtes Antibiotikum hatte“, sagt KV-Chef Bergmann. „Wir vermeiden also Komplikationen.“
Auch die Akutversorgung in einem Krankenhaus werde perspektivisch besser ablaufen können, weil Ärzte in den Kliniken innerhalb kürzester Zeit die Krankengeschichte ihrer Patienten auf dem Schirm haben und ihn so besser behandeln. Damit das klappt, müssen Daten aber auch abrufbar sein. Die Kassenärzte appellieren deshalb eindringlich an ihre Patienten, verantwortungsvoll mit der Akte umzugehen. „Wenn Daten für Praxen gesperrt oder Befunde gelöscht werden löschen, sind die Vorteile der ePa schnell weggewischt“, sagt Bergmann.
Wird es solche Probleme geben wie bei der Einführung des E-Rezepts Anfang 2024?
Damit rechnen die Verantwortlichen sogar. AOK-Chef Wältermann nennt die ePA eine der „größten Veränderungsprozesse, die wir im Gesundheitswesen jemals hatten“. Alle Beschäftigten in den Kliniken, in den Praxen und bei den Krankenkassen und alle gesetzlich Versicherten seien involviert. „Das wird nicht von Beginn an rundlaufen, im Gegenteil, es wird zunächst an einigen Stellen rumpeln“, so Wältermann. Es werde sicher vier bis fünf Monate dauern, bis sich alles eingespielt habe.
Was ist die Sorge in den Arztpraxen?
Niedergelassene Ärztinnen und Ärzte klagen seit Jahren über zunehmende Bürokratie. Die Sorge ist groß, dass es mit der ePa zu Doppelarbeit kommen könnte. Denn Praxen haben weiterhin eigene Computersysteme, mit dem sie Patientendaten lokal verwalten (müssen). Damit die Ärztinnen ihre Befunde ab 2025 aber nicht erst ins eigene Computersystem und dann auch noch in die elektronische Patientenkarte eintippen müssen, also doppelt arbeiten, müssen nun Schnittstellen her. Die sind noch in der Entwicklung - der Zeitplan, bis Anfang für rund 150 Anbieter Schnittstellen zu haben, wird von Fachleuten als „sportlich“ beschrieben.
Kann es ab 2025 zu längeren Wartezeiten in den Praxen kommen?
Das wollen die Praxen verhindern. KV-Chef Bergmann sagt, dass die Behandlung der Patienten oberste Priorität habe. Es müsse ohne Zweifel sichergestellt sein, dass die Pflege der ePa in den Praxen automatisiert funktioniere. „Bei einer vollen Praxis am Morgen können die Kolleginnen und Kollegen schlichtweg keine Beratungen zur ePa durchführen.“
Was ist mit Privatpatienten?
Private Versicherungen sind anders als die gesetzlichen nicht verpflichtet, die ePa für alle einzurichten.
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