Essen. Start-ups sollen Gesundheitswirtschaft helfen, digitaler zu werden. Was das Innovationszentrum von RAG-Stiftung und Uniklinikum Essen plant.

Die Gesundheitswirtschaft im Ruhrgebiet boomt. Um etablierte Unternehmen und Start-ups mit neuen Ideen miteinander in Kontakt zu bringen, wollen renommierte Partner ein neues Innovationszentrum für digitale Gesundheit aufbauen.

Warten auf die digitale Patientenakte

Das elektronische Rezept ist seit Anfang des Jahres Pflicht, es ruckelt aber noch. Digitale Akten mit den wichtigsten Gesundheitsdaten und online einsehbare Untersuchungsergebnisse von Patientinnen und Patienten sind aber immer noch Zukunftsmusik in Deutschland. „Beim Digital Health Index der Bertelsmann Stiftung ist Deutschland auf Platz 16 von 17 weit abgeschlagen. Wir haben hier eine sehr gute Grundversorgung, aber auch große Probleme wie den Fachkräftemangel und die gefährdete Versorgungssicherheit“, sagt Philippa Köhnk, Geschäftsleiterin des Essener Innovations- und Gründungszentrums Bryck.

Das soll sich nun ändern. Die RAG-Stiftung, die Universitätsmedizin Essen und die Plattform 10xD aus Düsseldorf haben verabredet, eine Allianz aus Gesundheitswirtschaft, Investoren und Politik zu schmieden, um die Digitalisierung voranzubringen. „Es gibt viele Start-ups, die sich mit digitaler Gesundheitswirtschaft beschäftigen. Die meisten scheitern aber daran, dass ihre Lösungen in großen Unternehmen nicht integrationsfähig sind“, benennt die Start-up-Expertin Köhnk die größte Herausforderung.

Philippa Koehnk ist Geschäftsleiterin des Essener Start-up-Hubs Bryck.
Philippa Koehnk ist Geschäftsleiterin des Essener Start-up-Hubs Bryck. © Marc Aufdemkamp | Marc Aufdemkamp

In Essen sollen nun beide Seiten besser vernetzt werden, um neue Konzepte junger Gründerteams und die Erfordernisse der Unternehmen besser aufeinander abzustimmen. Die Bryck-Geschäftsleiterin: „Mit dem Innovationszentrum für Digital Health wollen wir auf der einen Seite Start-ups fördern und auf der anderen Seite die konkreten Herausforderungen der Gesundheitswirtschaft lösen.“

Ein namhafter Praktiker, der dabei mitwirkt, ist Jochen Werner, der Vorstandsvorsitzende des Essener Universitätsklinikums. Sein Haus hat sich bereits auf den Weg gemacht, „Smart Hospital“ zu werden. „Die Herausforderung der heutigen Medizin liegt in Prozessen und Strukturen, nicht im Wissen. Das Krankenhaus der Zukunft muss in allen Bereichen – von der Organisation bis zur Pflege – digitaler werden“, sagt Werner. Die Digitalisierung sei entscheidend für die Qualität der zukünftigen medizinischen Versorgung.

RAG-Stiftung: Ruhrgebiet attraktiv für Digital-Health-Unternehmen

Den Sprung in die digitale Welt können Krankenhäuser, Pflegedienstleister, Arztpraxen, aber auch Krankenkassen nicht allein schaffen. Sie sind auf Innovationen angewiesen, die Start-ups entwickeln. „Mit einer starken Basis in Forschung und exzellenten Universitäten und Kliniken ist die Region attraktiv für Digital Health-Unternehmen“, meint Bernd Tönjes, Vorstandsvorsitzender der RAG-Stiftung, die das Innovations- und Gründungszentrum Bryck ins Leben gerufen hat.

„Unser Ziel ist es, das Ruhrgebiet als attraktiven Innovationsstandort auf die europäische Landkarte zu heben. Die RAG-Stiftung hat mit uns das Ziel, die Gesundheitswirtschaft für das Ruhrgebiet als wichtigen Treiber für Wachstum und Standortattraktivität zu etablieren“, erklärt Bryck-Geschäftsleiterin Köhnk, die einen weiteren Partner an ihrer Seite weiß: David Matusiewicz. Unter anderem mit dem Essener Klinikchef Werner hat der Ökonom in Düsseldorf 10xD gegründet - ein „Ökosystem für das digitale Gesundheitswesen, für Start-ups und etablierte Akteure“.

Start-ups können sich in Essen bewerben

Nun soll aber auch im Ruhrgebiet das E-Health-Zentrum an den Start gehen. Für die erste Runde, die am 14. Oktober beginnt, sollen vier bis sechs Start-ups an der Grenze zur Marktreife ausgewählt werden. „Sie erhalten dann acht Wochen aktiven Support – unter anderem von einem Industrieexperten. Wir stellen auch Kontakte zu Investoren her“, erklärt Start-up-Expertin Köhnk. „Im Fokus stehen Geschäftsideen gegen den Fachkräftemangel und für die Versorgungssicherheit.“

Digitaler Therapieball von Ichó aus Duisburg

Als Beispiel nennt Köhnk das Start-up Lucoyo, das Bryck bereits betreut. Das Team hat ein Servicetool für Psychotherapeuten entwickelt. „20 Prozent ihrer Arbeitszeit verwenden sie auf das Praxismanagement“, sagt die Geschäftsleiterin. „Mit dem Einsatz dieses Tools könnten bundesweit bis zu zehn Millionen zusätzliche Therapiesitzungen stattfinden.“

Aber auch das Duisburger Start-up Ichó gilt als Vorbild. Es hat einen digitalen Therapieball entwickelt, der bei der Versorgung von Demenz- und Schlaganfall-Erkrankten eingesetzt wird.

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