Essen. Ängste, Schlaflosigkeit, Schweißausbrüche – für viele Frauen kommen die Wechseljahre mit heftigen Nebenwirkungen daher. Was dagegen hilft.
Es trifft so viele: Ein Drittel fühlt sich kaum anders als zuvor; ein weiteres Drittel nennt sie „lästig, aber nicht wirklich schlimm“; ein letztes Drittel: leidet erheblich. Die Wechseljahre und die damit verbundenen möglichen Beschwerden kommen für Frauen in unterschiedlichen Ausprägungen daher, zeigt die Statistik der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung. Betroffen sind alle. Die wichtigsten Fragen und Antworten.
Was passiert während der Wechseljahre im Körper einer Frau?
„Früher oder später, im Schnitt mit 40, 45 Jahren, beginnt für jede Frau der Übergang von der Lebensphase, in der sie Kinder bekommen kann, in die, in der Schwangerschaften unmöglich sind“, erklärt Dr. Justine Speth, Urogynäkologin und Oberärztin im Huyssensstift der Evangelischen Kliniken Essen-Mitte (KEM). Mediziner nennen diese Zeit „Klimakterium“. Die Eierstöcke produzieren nach und nach weniger Sexualhormone, Östrogen und Progesteron insbesondere, werden schließlich „funktionslos“; es kommt immer seltener zum Eisprung; die Regelblutung wird erst unregelmäßiger, bleibt schließlich ganz aus.
Was ist die Menopause?
Der Begriff „meno“ steht im Griechischen für Monat und „pausis“ für Ende. Menopause nennt man daher die allerletzte Regelblutung im Leben einer Frau. Die einzelnen Phasen der Wechseljahre gliedern Gynäkologen in Prä-, Peri- und Postmenopause.
Wie lange muss ich verhüten?
„Erst in der Postmenopause können Frauen sicher sein, nicht mehr schwanger zu werden“, sagt Speth. Die Postmenopause beginnt ein Jahr nach der der letzten Menstruationsblutung. Sehr jungen Frauen, die sich in den Wechseljahren wähnen und kein Kind (mehr) wollen, rät Expertin Speth allerdings zu größerer Vorsicht: „Das Risiko einer Schwangerschaft ist gering. Aber wer ein Jahr nach seiner letzten Blutung erst 45 oder jünger ist, sollte besser danach noch zwei Jahre lang weiter verhüten.“
Wie geht es los?
Unregelmäßige Blutungen sind für die meisten Frauen ein erstes Symptom, so Speth. Die Abstände könnten dabei länger werden, manchmal aber auch kürzer. „Zwischen drei und neun Wochen ist alles dabei!“ Die Blutungen können schwächer, tatsächlich auch wieder stärker werden, „manche Frau fühlt sich plötzlich wieder wie in Teenager-Tagen“, erzählt die Ärztin.
Wann sind die Wechseljahre vorbei?
Definitionssache. Die Angaben schwanken zwischen fünf und 20 Jahren. „Mit 50, 53 Jahren befinden sich die meisten in der Postmenopause“, sagt Justine Speth. „Das heißt aber nicht, dass sie dann keine Beschwerden mehr haben.“ Die durchschnittliche Dauer von Hitzewallungen etwa liege bei 7,4 Jahren, aber sie hatte auch schon eine 79-jährige Patientin mit Hitzewallungen….
Was sind typische Beschwerden?
Neben Hitzewallungen, unter denen in der Postmenopause bis zu 90 Prozent der Frauen leiden: nächtliche Schweißausbrüche, Schlaflosigkeit, Stimmungsschwankungen, Unruhe/Ängste, Gewichtszunahme, Gelenkbeschwerden. Manche Frauen klagen auch über Scheidentrockenheit und/oder Libidoverlust. Durch das Sinken des Östrogen-Spiegels steigt zudem das Risiko für Osteoporose und Herz-Kreislauf-Erkrankungen.
Warum trifft es nicht jede Frau gleichermaßen?
Man weiß es nicht. Die Wechseljahre, betont Speth aber, seien „ein ganz natürlicher Prozess, keine Ansammlung von Beschwerden“. Es gebe viele Frauen, die sie ganz ohne Medikamente „überstehen“. Die individuellen Lebensumstände, sagt die Fachfrau, hätten Auswirkungen darauf, wie stark man die Symptome als Belastung wahrnehme. „Aber Einstellungssache allein ist es sicher nicht. Auch Frauen mit perfekten Bedingungen haben furchtbare Hitzewallungen.“
Was kann man tun gegen die Beschwerden?
„Sich der neuen Lebensphase anpassen, sie auch als Chance begreifen, vielleicht ein paar Gewohnheiten umstellen“, rät Speth und meint: weniger fett essen, weniger Alkohol trinken, mehr bewegen. Wenn das allein nicht reiche: helfen vielleicht Phyto-Östrogene aus Soja oder Leinsamen – oder pflanzliche Arzneimittel wie Baldrian (gegen Schlafstörungen), Johanniskraut (gegen Angst) oder Traubensilberkerze, ein Kraut, auf das Indianerinnen in den Wechseljahren schon seit Jahrhunderten setzen. Auch Sport könne positiv wirken, „wenn wir uns bewegen, fühlen wir uns einfach besser“, sagt Speth. Frauen mit heftigen Beschwerden, etwa starken Hitzewallungen und Schweißausbrüchen, kann außerdem eine Hormonersatztherapie (HRT) angeboten werden: künstliche Östrogene und Progesterone (Gestagene), verabreicht als Tablette, Pflaster, Gel- oder Spray. Frauen, die ihre Gebärmutter noch haben, sollten dabei unbedingt immer einer Kombination beider Hormone erhalten, betont Speth. Sonst steige das Risiko für bestimmte Krebserkrankungen der Gebärmutter. Bei Scheidentrockenheit, oder Beschwerden beim Geschlechtsverkehr tue es oft zudem schon eine lokale Hormontherapie, Zäpfchen oder Salben, die direkt in der Scheide wirken.
Überwiegen Nutzen oder Risiken der Hormonersatztherapie?
Noch um die Jahrtausendwende, erinnert sich Speth, sei eine jahrzehntelange HRT durchaus „üblich“ gewesen; sie galt als eine Art „Jungbrunnen“, sagen andere Frauenärztinnen. Dann hieß es: Durch HRT steigt das Risiko für Brustkrebs und Gebärmutterhalskrebs. Heute wisse man, so Speth: „Es steigt, aber nur minimal, wenn die Hormonersatztherapie weniger als fünf Jahre dauert. Doch der Benefit ist nicht so groß, wie wir es uns erhofft haben.“ Hitzewallungen lindere die Hormonersatztherapie indes recht zuverlässig, bei 70 Prozent der Betroffenen, sie wirkt zudem auch Osteoporose-vorbeugend. Thrombosen und Embolien sind mögliche Nebenwirkungen. Frauen mit Lebererkrankungen sollten „sehr vorsichtig“ sein und Brustkrebs-Patientinnen dürfen sie gar nicht bekommen, so Speth.
Kommen Männer eigentlich auch in die Wechseljahre?
„Ihr Hormonspiegel ändert sich auch, aber weniger deutlich und weniger abrupt“, sagt Speth. „Männer bekommen dafür Midlife-Crisis und Prostata...“
>>> INFO: Inkontinenz & Co: Themen, über die frau nicht spricht
Zu den Beschwerden im Alter gehören für nicht wenige Frauen auch solche, über die sie aus Scham nicht reden: Harninkontinenz, Harnentleerungsstörungen sowie die Senkung von Gebärmutter (Descensus uteri), Blase (Zystozele) oder Enddarm (Rektozele). Sie sind Justine Speths Spezialgebiet als Urogynäkologin; sie ist Oberärztin sowohl in der Urologie wie in der Gynäkologie der KEM und koordiniert dessen interdisziplinäres „Beckenbodenzentrum“.
Vielen Frauen fehlten die Vokabeln, das Problem zu beschreiben; bei anderen „fließen in der Sprechstunde die Tränen“, sagt die Expertin – und ergänzt: „Vertrauen Sie sich Ihrem Frauenarzt an, wenn der Sie nicht sowieso auf diese Themen anspricht. Wir können nicht allen helfen, aber sehr vielen“ – etwa mit Beckenbodengymnastik via „Biodfeed-Gerät“, Inkontinenztampons, Pessaren, Botox, Blasenschrittmacher… Oder einer Operation. Letztere sei in 90 Prozent aller Fälle von Belastungsinkontinenz und Descensus uteri erfolgreich.
Kontakt: 0201/174-34444/29008. Die Überweisung eines Gynäkologen oder Urologen ist für einen Termin in der Sprechstunde erforderlich.