Berlin. CO2-Preis und Klimageld, Emissionshandel und Lade-Karten: Die Vorstellung der Parteien zu sinnvoller Klimapolitik gehen weit auseinander.
Die Klimakrise eskaliert. 2024 war das Jahr, in dem die globale Durchschnittstemperatur zum ersten Mal über 1,5 Grad wärmer war als die vorindustrielle Zeit, die Zahl der Extremwetterereignisse wächst. Und in Deutschland wird die Zeit immer knapper, um bis 2045 das erklärte Ziel von Klimaneutralität zu erreichen.
Wie das gelingen kann, darüber gibt es unter den Parteien sehr unterschiedliche Meinungen. Vor der Bundestagswahl am 23. Februar werfen wir einen Blick in die Entwürfe der Wahlprogramme, um zu sehen, mit welchen klimapolitischen Plänen die Parteien an den Start gehen.
CDU und CSU
Die Unionsparteien halten am Ziel von Klimaneutralität bis 2045 fest, verbinden das Thema in ihrem Programm aber eng mit Wirtschaft. Der Markt solle darüber entscheiden, wo und wie Emissionen vermieden werden, heißt es im Programm, deswegen soll der CO2-Preis zum wichtigsten Instrument für Klimaschutz werden. Um das sozial abzufedern, sollen mit den Einnahmen Stromsteuern und Netzentgelte gesenkt werden.
Außerdem wollen CDU und CSU die Rahmenbedingungen schaffen für verschiedene Formen von Nutzung und Speicherung von CO2, etwa durch CCS.
Die erneuerbaren Energien sollen weiter ausgebaut werden, „und zwar alle“, wie es heißt. Ausdrücklich zählen dazu Bioenergie und Holz als Rohstoff. Die Union hält zudem am Kohleausstieg 2038 fest, auf dem Weg dahin dürfe es kein weiteres endgültiges Abschalten von Kohlekraftwerken geben, „solange als Ersatz keine neuen Gaskraftwerke und Kraft-Wärme-Kopplungs-Anlagen gebaut sind“.
Atomkraft taucht im Programm als „Option“ auf: CDU und CSU setzen einerseits auf die Forschung zu Small Modular Reactors und Fusionskraftwerken. Andererseits soll es nach der Wahl „schnellstmöglich“ eine fachliche Bestandsaufnahme geben, ob eine Wiederaufnahme des Betriebs der zuletzt abgeschalteten Kernkraftwerke unter vertretbarem technischem und finanziellem Aufwand noch möglich ist.
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SPD
Für die SPD ist beim Klimaschutz der Staat in der Pflicht, die Voraussetzungen zu schaffen, dass Menschen auf klimafreundliche Alternativen umsteigen. „Die klimafreundliche Alternative muss für die Bürgerinnen und Bürger besser, bequemer und vor allem günstiger sein“, schreiben die Sozialdemokraten. Klimaschutz definieren sie als Aufgabe der öffentlichen Daseinsvorsorge, etwa wenn es um Wärmenetze und besseren ÖPNV geht. Vor allem die Kommunen bräuchten deshalb mehr finanziellen Spielraum, um der nachkommen zu können. Die SPD setzt auf eine Reform der Schuldenbremse und einen „Deutschlandfonds“, der Kapital für Investitionen mobilisieren soll. Wo öffentliche Infrastruktur das Problem nicht lösen kann, soll gezielt gefördert werden.
Die Partei unterstreicht die Bedeutung der Klimaziele und ihre Unterstützung für den europäischen Green Deal. Den CO2-Preis sieht sie nur als ergänzendes Instrument für Klimaschutz. Wenn ab 2027 der europäische Emissionshandel auch für Verkehr und Wärme gilt, sollen „geeignete Maßnahmen“, zum Beispiel ein Klimageld, dafür sorgen, dass niemand überfordert wird.
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Grüne
Die Grünen betonen im Entwurf für das finale Wahlprogramm, dass Klimaschutz Investitionen fordert – und dass sie die Menschen bei diesen Investitionen unterstützen wollen. Unter anderem schlägt die Partei vor, den Weg zur E-Mobilität durch geförderte Ladekarten und „Social Leasing“ zu fördern, also billige Leasing-Angebote für E-Autos für Menschen mit geringen Einkommen, nach dem Vorbild Frankreichs. Fossile Subventionen sollen dafür weg, als erstes das Dienstwagenprivileg.
Außerdem bringt die Partei ein Versprechen zurück, das die Ampel-Koalition nicht eingelöst hatte: das Klimageld. Alle Menschen mit niedrigen und mittleren Einkommen „bekommen zum Ausgleich einen Großteil der Einnahmen der CO₂-Bepreisung von Gebäudewärme und Transport“ zurück, heißt es im Programmentwurf.
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Die Partei sieht Deutschland auf Kurs beim Ausbau Erneuerbarer Energie und hält am Kohleausstieg 2030 fest. Auch die Anpassung an Folgen des Klimawandels werden im Grünen-Programm in den Blick genommen, etwa mit einem ausgeweiteten Versicherungsschutz gegen Elementarschäden.
FDP
Die Freien Demokraten wollen das Klimaziel nach hinten schieben: Statt wie bisher geplant 2045 soll Deutschland nach dem Entwurf des Wahlprogramms der Partei erst 2050 klimaneutral werden. Die FDP begründet das damit, dass „nationale Sonderziele“ im Rahmen des europäischen Emissionshandels keinen zusätzlichen Nutzen für den Klimaschutz haben könnten. Der Emissionshandel soll nach dem Willen der FDP das zentrale Instrument für Klimaschutz sein, andere Regulierungen „müssen abgeschafft werden“, so der Entwurf. Auch für einen globalen CO2-Preis will die Partei sich einsetzen.
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AfD
Die AfD leugnet – entgegen aller wissenschaftlichen Evidenz zum Thema – in ihrem Bundestagswahlprogramm, dass die Klimakrise menschengemacht ist. Es gibt daher aus Sicht der Partei auch „keinen Grund“, die Nutzung fossiler Energieträger wie Kohle, Öl und Gas einzuschränken oder zu verbieten. CO2, das als Treibhausgas maßgeblich zur Erwärmung des Planeten und zu einem instabileren Klima beiträgt, wird im Text als „Treiber eines verstärkten globalen Pflanzenwachstums“ bezeichnet, das die Welternährung begünstige.
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Die AfD lehnt Klimaschutzmaßnahmen ab – und bringt sie sogar in Verbindung mit der Verschwörungserzählung vom „Great Reset“, nach der eine kleine Elite die Gesellschaft zum Nachteil der Bevölkerung umbauen will. Parteichefin und Kanzlerkandidatin Alice Weidel versprach beim Parteitag, Erneuerbare Energien zurückzubauen: „Wenn wir am Ruder sind: wir reißen alle Windräder nieder!“, rief sie den Delegierten zu. Auch aus dem Pariser Klimaabkommen will die AfD aussteigen. Mit ihrer Ablehnung des wissenschaftlichen Konsens zum menschengemachten Klimawandels steht die AfD in der deutschen Parteienlandschaft allein.
Linke
Die Linkspartei will Klimaschutz enger mit sozialer Gerechtigkeit verknüpfen und nimmt sich in ihrem Programmentwurf deshalb unter anderem vor, rückwirkend zum 01. Januar 2025 ein Klimageld einzuführen, von zunächst 320 Euro pro Person und Jahr. Später soll es entsprechend der Entwicklung der CO2-Preise angepasst werden. Im Bereich Wärme und Verkehr lehnt die Linke einen Emissionshandel ab.
Die Partei will außerdem mehr Energieinfrastruktur und -produktion in öffentlicher Hand. Kommunen sollen für pro Megawatt Leistung, das durch Windkraft oder PV-Großflächenanlagen entsteht, einen Bonus von 25.000 Euro für die Gemeindekasse bekommen.
Den Umbau der Industrie will die Linke laut Programm mit einem 200 Milliarden Euro schweren Investitionsfonds fördern. Der soll mittelfristig kostendeckend wirtschaften und Gewinne aus Beteiligungen oder Krediten reinvestieren. Auch den schon existierenden Klima- und Transformationsfonds der Bundesregierung will die Partei aufstocken und mit 64,6 Milliarden Euro im Jahr ausstatten.
Die Sektorziele im Klimaschutzgesetz, die die Ampel-Koalition deutlich geschwächt hatte, sollen nach den Plänen der Linken wieder hergestellt werden.
Den Kohleausstieg will die Partei bis 2030 umsetzen, ein Gasausstieg müsse folgen. Die Abscheidung und Verpressung von Kohlenstoffdioxid (Carbon Capture and Storage, CCS) soll verboten werden.
BSW
Sahra Wagenknechts Partei bringt beim Thema Klimawandel „durchdachte Lösungen“ in Stellung gegen „blinden Aktivismus“. Konkret heißt das, dass die Partei eine Abkehr vom Ziel der Klimaneutralität fordert, außerdem die Rücknahme des Heizungsgesetzes und der EU-Pläne, ab 2035 nur noch CO2-frei Neuwagen zuzulassen. Den CO2-Preis will das BSW abschaffen. PV-Anlagen auf öffentlichen Gebäuden sollen laut Programm gefördert werden, die Stromnetze verstaatlicht und die Netzentgelte auf ein Minimum reduziert. Gleichzeitig will das BSW wieder Gas aus Russland beziehen.
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