Berlin. Scholz wird wütend, Habeck erklärt, Weidel gerät unter Beschuss, Merz stellt etwas klar. So haben sich die Kandidaten bei RTL geschlagen.
Eine Woche vor der Bundestagswahl sind die Kanzlerkandidaten der großen Parteien direkt aufeinandergetroffen. Erstmals in diesem Wahlkampf lieferten sich Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), Oppositionsführer Friedrich Merz sowie AfD-Chefin Alice Weidel und Grünen-Spitzenkandidat Robert Habeck einen direkten Schlagabtausch vor einem Millionenpublikum. Moderiert von Pinar Atalay und Günther Jauch im RTL-„Quadrell“ kam es zu einer harten Auseinandersetzung. So schlugen sich die Kandidaten:
Spitzenkandidaten im „Quadrell“: Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD)

Sein bester Moment: Scholz leidet unter dem Image, etwas langweilig und schläfrig zu wirken. In der Sendung platzt ihm jedoch der Kragen. Als Weidel den drei Konkurrenten vorwirft, keine Rezepte gegen die hohen Energiepreise zu haben, stellt sich der SPD-Politiker neben sein Pult und wirkt, als wollte er am liebsten in den Nahkampf gehen. „Sie reden nur rum!“, wirft Scholz der AfD-Chefin vor. „Nur heiße Luft“ sei von Weidel gekommen. In der Tat argumentiert Weidel bei dem Thema Energie sehr ideologisch (Atomkraft!), aber inhaltlich wenig versiert.

Sein schwächster Moment: Als es um Außenpolitik geht, wird hinter Scholz ein Bild eingeblendet, auf dem sich Putin und Trump die Hand geben. Ob Europa am weltpolitischen Katzentisch gelandet sei, wenn es um ein Ende des Ukraine-Kriegs gehe fragt Jauch. Scholz widerspricht: „Natürlich haben wir da was zu sagen.“ Auf der Münchner Sicherheitskonferenz war Scholz von US-Vizepräsident Vance allerdings geschnitten worden, der traf sich stattdessen mit Merz und Weidel. Angesichts der Umfragen hat Scholz bereits das Image eines Auslaufmodells.
Fazit: Scholz war engagiert und angriffslustig. „Warum nicht immer so?“, werden sich viele Sozialdemokraten während der Sendung gefragt haben. Ob ihm der Auftritt noch etwas gebracht hat, wird sich am Wahlabend in einer Woche zeigen.
Unionskanzlerkandidat Friedrich Merz (CDU)

Sein bester Moment: Die Debatte über eine Brandmauer zur AfD verfolgte Merz auch in dieser Sendung. Er setzte sich nicht oft mit Alice Weidel auseinander, aber wo er es tat, war er klar. Mehrmals bekräftigte er, es werde keine Zusammenarbeit mit der AfD geben. Beim Thema Russland widersprach Merz leidenschaftlich, sichtbar aufgebracht: Weidel habe einen verräterischen Satz gesagt. Deutschland werde von Russland nicht als neutral wahrgenommen. „Wir sind nicht neutral. Wir stehen an der Seite der Ukraine.“ Und weil das bei Weidel nicht so sei, wolle er immer dafür kämpfen, dass die AfD niemals politische Verantwortung in Deutschland trage.
Sein schwächster Moment: Als die Kanzlerkandidaten gefragt wurden, ob sie lieber das Dschungelcamp oder Opposition wählen würden, verlor Merz kurz die Contenance. „Ich wundere mich über die Frage“, erklärte er und wählte erst dann – wie alle anderen – die Antwort „Dschungelcamp“. Das wirkte in dieser Situation eher humorlos und ziemlich angespannt.
Fazit: Der Unions-Kanzlerkandidat steht nach Umfragen kurz vor einem Wahlsieg. Offenbar war seine Devise, nur keine Fehler zu machen und nicht zu aggressiv zu wirken. Freundlich lächelnd verpasste er so mehrmals Chancen, im Rededuell auch mit Olaf Scholz und Robert Habeck Punkte zu machen, selbst beim Kernthema Wirtschaftspolitik blieb er unauffällig. Geschadet hat ihm das aber wohl nicht.
AfD-Kanzlerkandidatin Alice Weidel

Ihr bester Moment: Alice Weidel gelang es, zentrale Punkte ihres Wahlprogramms in einfachen Botschaften unterzubringen und umstrittene Positionen relativ milde zu formulieren. Als sehr früh das Thema Migration aufgerufen wurde, beließ sie es im wesentlichen bei zwei einfachen Punkten: Sichere Grenzen und konsequente Abschiebung von Straftätern und „illegalen“ Migranten. Die AfD-Rhetorik, auch Weidels eigene Sprache, ist sonst wesentlich schärfer und polemischer. Das Manöver gelang: Moderatorin Pina Atalay wunderte sich, die AfD-Forderung unterscheide sich ja gar nicht so sehr von den anderen Parteien – wovon tatsächlich keine Rede sein kann.
Ihr schwächster Moment: Wenn es um Details ging, wich Weidel oftmals aus. Als besondere Schwachstelle mit einigen Falschbehauptungen erwies sich das Verhältnis zu Russland und seinem Angriffskrieg gegen die Ukraine; die anderen Teilnehmer nutzten die Chance, zeigten Widersprüche auf.
Fazit: Seltsam war die Antwort, ob es sie mehr ärgere, dass ihr Parteifreund Björn Höcke Faschist genannt werden kann oder dass niemand mit der AfD koalieren wolle. Beides gleich, sagte Weidel – das war vor dem versammelten Fernsehpublikum eine Verneigung vor dem Rechtsaußen-Politiker Höcke, denn eigentlich ist die Isolation der AfD das größere Problem.
Grünen-Kanzlerkandidat Robert Habeck

Sein bester Moment: Habeck setzt einige Nadelstiche gegen AfD-Chefin Weidel. Nachdem Weidel die Energiepolitik der AfD erläutert hat, empfiehlt der Vizekanzler, nach der Sendung den angekündigten Faktencheck zu konsultieren. „Liebesgrüße nach Moskau“, wirft der Grüne Weidel zudem entgegen, als die darauf beharrt, dass die Preissteigerungen für Gas nichts mit dem russischen Angriff auf die Ukraine und den von Putin gekappten Gaslieferungen zu tun hätten.
- Aktuelles: Die wichtigsten News zur Bundestagswahl 2025 im Blog
- Infos: Termine, Kandidaten, Wahlrecht – der große Überblick
- Wahlarena: Weidel erhält die „Fragen aller Fragen“ – und geht in die Offensive
- Quadrell: Scholz, Merz, Habeck oder Weidel – Wer hat gewonnen?
- Interaktiv: Umfragen und Ergebnisse zur Bundestagswahl
Sein schwächster Moment: Seine Stärke ist zugleich seine Schwäche. Habeck pflegt den Habeck-Stil: Er gibt sich nachdenklicher als die anderen, bemüht sich, seine Politik zu erläutern. „Vielleicht darf ich ganz kurz mal die Debatte sortieren“, nimmt Habeck beim Thema Migration kurz sogar die Rolle der Moderatoren ein. Manche Wählerinnen und Wähler mögen das. Allerdings wirkt der Grüne durch diesen Stil immer wieder auch etwas umständlich und langatmig.
Fazit: Habeck tritt bewusst anders auf. Als einziger der Männer trägt der Grüne nicht Krawatte und Oberhemd, sondern schwarzes T-Shirt und schwarzes Sakko. Habeck setzt damit rein optisch einen Kontrapunkt zwischen Scholz und Merz. In der Debatte betont er in der Außenpolitik die Gemeinsamkeiten mit SPD und Union und grenzt sich damit scharf von Weidel ab. Den Anhängern der Grünen dürfte Habecks Auftritt gefallen haben.