Berlin. Die AfD ist nicht nur beim Thema Migration extrem. Auch beim Klima. Selbst einige Mitglieder sprechen von „zu einseitigen Aussagen“.

Am Tag, bevor die AfD im sächsischen Riesa ihr Wahlprogramm beschließt, rauscht eine neue Rekordmeldung heran: 2024 war das wärmste Jahr seit 1850, meldet der Klimawandeldienst Copernicus. Erstmals liege die globale Durchschnittstemperatur 1,6 Grad über dem vorindustriellen Niveau. Niederländische Forscher fassten unlängst Studien zusammen und warnten vor einem „verheerenden Kipppunkt“, an dem die Welt stehe. Die Folgen: Extremwetter wie Dürren und Überschwemmungen nehmen zu.

Im sächsischen Riesa wird es eine andere Erzählung geben. Der wissenschaftliche Konsens des menschgemachten Klimawandels sei „politisch konstruiert“, behauptet die AfD, spricht von „Klima-Hysterie“. Klimaaktivisten nennt sie „ökosozialistisch“ und den Plan der EU zur Senkung der Treibhausgase eine „milliardenschwere Umverteilungsmaschinerie“, die zur „Deindustrialisierung“ und „Naturzerstörung“ in Deutschland führe.

Die scharfe Rhetorik gegen die Klimaforschung und Klimaschutzpolitik ist neben Migrationspolitik Kern der aktuellen AfD. Sie will sich als „Partei der Freiheit“ darstellen, als eine Partei, die Verbote jeglicher Art ablehnt. Einige ihrer Politiker stellen Wissenschaft als „käuflich“ dar, zweifeln an Erkenntnissen der Forschung. Kaum ein Abschnitt im Wahlprogramm setzt auf derart radikale Positionen wie der zum „Klima“.

Die AfD will aus dem Pariser Klimaabkommen aussteigen, sie lehnt laut Anträgen für den Bundesparteitag „jede politische Zwangsmaßnahme und jede Steuer ab, die sich auf Klimaschutz beruft“. Die Partei ist mit dieser Politik auf Linie einer globalen rechten Bewegung, die sich gegen Klimapolitik wendet – im Einklang mit anderen Parteien wie der FPÖ in Österreich, dem kommenden US-Präsidenten Trump und Verschwörungsideologen.

„Damit kann die AfD durch Provokationen Aufmerksamkeit erhaschen“

Klimaschutz ist ein Thema, das emotionalisiert, wie die Diskussionen über sogenannte „Klima-Kleber“ zeigen. Es ist zudem für Laien schwer zu bewerten, die Modelle der Klimaforscher sind komplex. Beides nutzt die AfD aus.

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Wie wichtig das Thema „Klima“ für die AfD ist, zeigt ein internes Strategiepapier des Bundesvorstands von Ende vergangenen Jahres. Dort heißt es, dass 42 Prozent der befragten AfD-Wähler den „Wiedereinstieg in die Kernkraft“ und den „Stopp von Klimaschutzmaßnahmen“ begrüßen würden. Auf Seite 9 hält die AfD-Spitze fest, dass „Glaubwürdigkeit“ im Wahlkampf ein „Alleinstellungsmerkmal“ sein solle. Zugleich hebt das Papier hervor: „Der Erfolg der emotionalen Ansprache steht vor dem Erfolg der rationalen Ansprache, das Herz steht über dem Ohr.“ 

Das Klima-Thema „polarisiert die Gesellschaft und passt nicht in die üblichen Rechts-Links-Schubladen“, sagt der Soziologe und AfD-Kenner Matthias Quent unserer Redaktion. „Damit kann die AfD durch Provokationen Aufmerksamkeit erhaschen und den rationalen Konsens unter Druck setzen.“ Dafür nehmen Teile der AfD Falschbehauptungen in Kauf.

AfD-Vorsitzende Tino Chrupalla und Alice Weidel: Schon 2022 kamen sie zum Parteitag in Riesa zusammen.
AfD-Vorsitzende Tino Chrupalla und Alice Weidel: Schon 2022 kamen sie zum Parteitag in Riesa zusammen. © dpa | Sebastian Kahnert/dpa

Niklas Höhne vom New Climate Institute, eine unabhängige Organisation mit Sitz in Berlin und Köln, hat die Passagen im vorläufigen AfD-Wahlprogramm zum Klima analysiert. Er sagt bilanzierend unserer Redaktion, sie „entbehren der wissenschaftlichen Grundlage, sie leugnen Fakten“. Höhne hebt hervor, dass der Einfluss des Menschen auf das Klima „wissenschaftlicher Konsens“ sei, „der im Rahmen des Weltklimarates IPCC von allen Regierungen dieser Welt abgesegnet worden ist“.

Höhne gibt an, dass die globale Temperaturerhöhung der vergangenen 15 Monate „extrem hoch und außerhalb der erwarteten Schwankungsbreite“ sei, was einige Wissenschaftler sehr besorge. Auch andere anerkannte Forscher heben hervor, dass sich der Planet schneller verändere, als sie erwartet hätten. Das steht im Kontrast zu Aussagen der AfD.

Fünf Delegierte der AfD wollen im Wahlprogramm festhalten, dass Deutschland „lediglich 1,5 Prozent am weltweiten Kohlendioxid-Ausstoß“ ausmache. Das sei zwar grundsätzlich richtig, sagt Experte Höhne, sei aber nicht der richtige Vergleich. „Deutschlands historische Emissionen sind enorm, hier ist Deutschland an Platz 4 weltweit.“

In einem anderen Abschnitt des AfD-Programms heißt es, dass die Häufigkeit von Extremwetterereignissen in den vergangenen Jahren nicht zugenommen habe. Dabei warnt die Forschung einhellig davor, dass vor allem die Heftigkeit von Stürmen und Flutkatastrophen zugenommen hat – und damit die Schäden und Opferzahlen steigen können.

AfD sieht hinter Klimaschutz ein Netzwerk von „Mächtigen“ und „globalen Eliten“

Die AfD geht noch weiter. In einer Passage im vorläufigen Wahlprogramm stellt die Partei die Rede von der „Klimakatastrophe“ in den Kontext einer „Großen Transformation“, einem „Great Reset“. Die These: Hinter der Warnung vor den Folgen des Klimawandels und der Bemühungen internationaler Klimaschutzpolitik stehe ein von „Mächtigen“ und „globalen Eliten“ gesteuerter „Gesellschaftsumbau“, das Ziel: eine „neue Weltordnung“. Die Idee des „Great Reset“ steht in längerer Tradition verschwörungsideologischer Bewegungen. Dass die AfD „Verschwörungstheorien“ verbreite, sieht auch Stefan Rahmstorf vom renommierten Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) so.

Dürre in Griechenland: Die Olivenernte fällt immer spärlicher aus. Extremwetterereignisse treffen Europa mit besonderer Härte.
Dürre in Griechenland: Die Olivenernte fällt immer spärlicher aus. Extremwetterereignisse treffen Europa mit besonderer Härte. © AP/dpa | Giannis Papanikos

Spätestens 2019 habe die AfD die Partei der Grünen und das Thema der Nachhaltigkeit zum Hauptziel ihrer „Polemisierungen“ erklärt, ergänzt Soziologe Quent. Die Partei „radikalisiert politische und gesellschaftliche Unsicherheiten, die mit der ökologischen Wende verbunden sind“. Co2-Bepreisung, den Ausstieg aus der Atomenergie, das Heizungsgesetz und den Umstieg auf Elektroautos sind im Fokus der AfD-Kritik.

In den vergangenen Jahren sind die Kämpfe zwischen eher Gemäßigten und Extremen in der AfD abgeebbt. Die radikalen Positionen haben mehr und mehr die Oberhand gewonnen. Ein Antrag für den Bundesparteitag ist dennoch interessant. Fünf Delegierte haben ihn überschrieben mit „Position zum Klimaschutz sauber formulieren“. Bisher sei der Abschnitt zur Klimapolitik „szenetypisch“ aufgeschrieben, das sei „zwar emotional nachvollziehbar“, die AfD brauche aber einen Text, der „zu einseitige Aussagen herausnimmt“, gleichzeitig „starke Passagen“ stärke.

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    Ob diese leise Kritik an radikalen Klimapositionen auf dem Parteitag in Riesa zu einer offenen Debatte führt, ist eher unwahrscheinlich. Die Extremen in der Partei haben sich bereits in Stellung gebracht. Ein Antrag, mutmaßlich aus dem Lager um den Thüringer Landeschef Björn Höcke, will das Wort „Klima“ aus der Überschrift zu dem Kapitel ganz streichen. Es werde „von linken Parteien als Dauerargument forciert“. Ersetzen wollen die AfD-Politiker es mit dem Wort „Forsten“. Es passe besser zum Ziel der Umweltpolitik der Partei, die sich stark an dem Schutz der Landwirtschaft abarbeitet. „Heimat braucht Bauern“, heißt es im Wahlprogramm. Da passe „Forsten“ besser als „Klima“.