Düsseldorf. Wer kauft wo? Ist shoppen bald rein digital? Wird es noch verkaufsoffene Sonntage geben? Eine Studie erklärt die Zukunft des Einkaufs.
Das NRW-Wirtschaftsministerium hat eine umfassende Studie zur Lage des Einzelhandels in NRW erstellen lassen, die dieser Redaktion vorab vorliegt. Kundinnen und Kunden, Einzelhandel und Städte müssen sich demnach auf einen großen, von digitalen Angeboten befeuerten Wandel des Einkaufsverhaltens einstellen.
Die Handelsstudie für NRW
An der vom NRW-Wirtschaftsministerium beauftragten Studie zum Einkaufsverhalten und zu Einkaufsmöglichkeiten in Nordrhein-Westfalen haben mehr als 500 Händlerinnen und Händler aus dem ganzen Land sowie über 13.000 Kundinnen und Kunden sowie Vertreter und Vertreterinnen der Verwaltungen von 28 Städten teilgenommen.
Die Studie wurde von der Prof. Schramm-Klein GmbH aus Hilchenbach durchgeführt. Der Befragungszeitraum fiel in den Sommer 2024. Mit 4.488 Einwohnerinnen und Einwohnern ist Hallenberg die kleinste der teilnehmenden Kommunen, Essen mit 586.608 Personen die größte. Insgesamt leben in den 28 teilnehmenden Städte rund 1,87 Millionen Menschen. Das entspricht mehr als 10 Prozent der Bevölkerung Nordrhein-Westfalens.
Das wichtigste Ergebnis
Trotz der sich rasant verändernden Einkaufsgewohnheiten, des Trends zum Online-Shopping und des „Sterbens“ vieler Innenstädte wird der „ganz normale“ Kauf in Läden vor Ort nicht verschwinden, und das ist laut den Autoren der Studie auch gut so. Der stationäre Handel sei mehr als nur eine Einkaufsoption. „Er ist eine Lebensader, die für lokale Stabilität sorgt“, heißt es. Auch und gerade in einer digitalisierten Welt spielten Läden vor Ort eine Schlüsselrolle für die Versorgungssicherheit. „In Krisenzeiten wie der Covid-19-Pandemie wurde deutlich, wie essenziell lokale Geschäfte für die Versorgung der Bevölkerung sind.“ Der stationäre Handel sei eine Art „Risikoversicherung“ für die Menschen. Wenn Lieferketten reißen, Hacker zuschlagen, der Weltmarkt ruckelt, bleibt noch der Weg zu den Kaufleuten an der Ecke.
„Einkaufsstraßen, Fußgängerzonen und Handelszentren sind so viel mehr als nur Einkaufsmöglichkeiten, sie sind lebendige Treffpunkte. Doch der Handel wandelt sich und die Menschen kaufen nicht mehr so ein, wie noch vor einigen Jahren. Die Einkaufsmöglichkeiten sind vielfältiger und Digitalisierung und Online-Handel haben Gewohnheiten und Abläufe verändert. Unsere Studie zeigt, dass ein starker Einzelhandel den Menschen immer noch wichtig ist“, sagte NRW-Wirtschaftsministerin Mona Neubaur (Grüne).
Das größte Problem
Menschen, die in kleinen Städten oder gar auf dem Land leben, dürfte vom Rückgang des klassischen Einzelhandels noch härter getroffen werden als die Bewohnerinnen und Bewohner der Großstädte. Wenn Menschen vom Lande vor Ort nicht mehr bekommen, was sie möchten, werden sie immer mehr Einkäufe in größeren Städten oder online erledigen, so die Prognose.
Landbewohner sind zudem oft auf das Auto angewiesen, um mobil zu sein. Wenn Großstädte ihre Zentren immer „autofreier“ machen, um die Aufenthaltsqualität dort zu erhöhen, sind die Menschen, die mit dem Auto anreisen müssen, besonders benachteiligt.
Die Zukunft des Einkaufs
Der Wandel ist längst da: Kunden scannen die Ware an der Kasse selbst, zahlen per Handy oder lassen sich gleich alles nach Hause liefern. Fast zwei Drittel der Befragten interessieren sich für Selbstbedienungskassen. In ein paar Jahren könnten sogar „smarte“ Einkaufswagen alles berechnen und Geld kassieren. „Der stationäre Handel sollte die Digitalisierung als Chance sehen“, steht in der Studie, aber nicht alle Händler können das leisten, und nicht alle Kunden kommen damit klar. Im Trend ist zum Beispiel das „Omnichannel-Shopping“. Dabei recherchieren Kunden online, vergleichen online Preise, begutachten die Ware im Laden und bestellen am Ende online. „Click und Collect (online bestellen, vor Ort abholen), gehört auch in diese Kategorie. „Pop-up-Stores“ bringen mit vorübergehender Nutzung von Verkaufsflächen Leben in die City.
Zukunft haben offenbar Automatenkioske/E-Kioske: Hier wird bestellte Ware automatisch abgegeben, Verkäuferinnen und Verkäufer braucht es dafür nicht. Kunden müssen sich ohnehin daran gewöhnen, dass künftig künstliche Intelligenz mit ihnen „spricht“.
Ein weiterer wichtiger Trend ist zusätzlich das „Cross-Device-Shopping“. Dabei wechseln Konsumenten während des Kaufs zwischen verschiedenen Geräten, beispielsweise vom Smartphone zum Laptop oder Tablet.
Im Online-Handel bevorzugen immer mehr Kundinnen und Kunden die großen Anbieter wie Amazon und Zalando. Vorteile: Die Ware wird schnell geliefert und kann auch schnell wieder zurückgegeben werden. Der grenzüberschreitende Einkauf nimmt zu, zum Beispiel über schwer kontrollierbare chinesische Plattformen wie Temu und Shein, mit allen Risiken für die Verbraucher.
Was wird online verkauft?
Vor allem Bücher, Elektroartikel und Mode. Im Geschäft werden die meisten Menschen auch künftig Lebensmittel kaufen, Pflanzen und Luxusgüter wie zum Beispiel Schmuck. Über 85 Prozent der Menschen kaufen Lebensmittel und Waren des täglichen Bedarfs meistens in ihrer eigenen Stadt, während im Non-Food-Bereich – also Artikeln, die nicht zum Verzehr geeignet sind – der Trend verstärkt in Richtung Online-Shopping geht. Deutlich über die Hälfte der Befragten kauft Non-Food-Produkte gerne online bzw. mit dem Smartphone ein.
Wird es noch verkaufsoffene Sonntage geben?
In einer Zeit, in der alle rund um die Uhr digital ein- und verkaufen können, sind verkaufsoffene Sonntage schon leicht nostalgieumweht, aber dieser „Klassiker“ leistet Widerstand: Diese Sonntage machen Innenstädte nach wie vor attraktiver, vor allem die der großen Städte, so die Studie. Kleinstädte bieten oft nur einen Sonntagskauf im Jahr an, mittelgroße Kommunen im Schnitt vier, Metropolen sieben. Insgesamt seien diese Tage nicht mehr so beliebt wie früher. Aber gerade die Jüngeren hielten verkaufsoffene Sonntage für wichtig, während das Interesse mit zunehmendem Alter deutlich abnehme. Alternativen seien kulturelle Veranstaltungen und „Late-Night-Shopping“.
Die Rettung der Innenstädte
Der lokale Handel müsse, wenn er überleben wolle, künftig „Mehrwerte“ bieten, zum Beispiel nachhaltige und regionale Produkte, Qualität, Frische, besondere Märkte und Veranstaltungen, Wohlfühlorte, Gastronomie und Kultur, so die Autoren der Studie
Leerstands-Bekämpfung in Essen und Velbert
Ein Fallbeispiel in er Studie aus Velbert zeigt, wie gezielte Förderprogramme und kreative Nutzungskonzepte den Leerstand erfolgreich reduzieren können. Im Vergleich zur Großstadt Essen werden dabei Unterschiede in den Herausforderungen und Lösungsansätzen deutlich, die je nach städtischer Struktur variieren. Die Stadt Velbert verfolgt seit Oktober 2020 ein systematisches Leerstandsmanagement, um ihre Innenstädte wiederzubeleben und Gewerbe anzusiedeln. Durch die Teilnahme an einem landesweiten Förderprogramm sowie die Einführung eines städtischen Programms konnte Velbert den Leerstand von ursprünglich 16 auf 7 Prozent senken. Erfolgreich war die Fokussierung auf lokale, familienorientierte Angebote und individuelle Konzepte: Ein Indoorspielplatz in der Fußgängerzone und eine Pasta-Manufaktur sind nur einige der Beispiele. Ein Highlight in Velberts Innenstadtentwicklung ist die „KidsZone“, ein Indoorspielplatz im ehemaligen HEKA-Center, der auf 1.500 Quadratmetern Kindern Platz zum Spielen bietet.
Im Vergleich dazu steht laut der Studie die Großstadt Essen, die mit wesentlich größeren Herausforderungen konfrontiert sei. Die Leerstandsquote in der Limbecker Straße, einer Hauptstraße in der Essener Innenstadt, lag ursprünglich bei 30-40 Prozent und konnte durch Handelskonzepte um 15- 18 Prozent gesenkt werden. „Ein zentrales Problem in Essen sind die hohen Mietpreise, die viele kleinere Geschäftsideen finanziell überfordern. Daher setzen sich vor allem Filialisten in der Innenstadt durch, während die Förderung kleinerer, individueller Konzepte häufig schwierig bleibt.“ Auch der internationale Immobilienbesitz stelle in Essen eine Hürde dar. Viele Innenstadtimmobilien befänden sich in den Händen internationaler Fonds, die die Gebäude eher als Investitionsobjekte betrachteten.
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