Düsseldorf. Metro-Chef Greubel fordert Entlastung für Gastronomie. Wie er die Entwicklung der Preise und Thyssenkrupp-Investor Kretinsky beurteilt.

Metro-Chef Steffen Greubel ist nicht nur passionierter Angler. Er kennt auch die mehr als 100 Fischsorten, die der größte europäische Fischhändler aus Düsseldorf im Angebot hat. Kurz vor Weihnachten, wenn es besonders voll im Großmarkt ist, will der Konzernboss wieder persönlich hinter der Theke stehen. Im Interview spricht Greubel aber auch über „Fettgeflügel“, 60 Jahre Metro und die schwierige Lage der Gastronomie.

Im Herbst 1964 haben die Duisburger Brüder Wilhelm Schmidt-Ruthenbeck und Erwin Schmidt sowie die Mülheimer Familie Schell in Mülheim den ersten Metro-Großmarkt eröffnet. Die Nummer 2 war dann der Standort Essen. Die Idee für das Selbstbedienungs-Konzept brachten die Gründer aus den USA mit. Haben diese riesigen Märkte angesichts der wachsenden Bedeutung des Onlinehandels noch ihre Berechtigung?

Steffen Greubel: Absolut. Aber nicht mehr in der gleichen Art und Weise. Vor 60 Jahren war es das Disruptive, dass Gastronomen und Kioskbetreiber die Waren selbst im Markt abholen konnten und dabei einen besseren Preis bekamen. Heute haben viele Gastronomen auch aufgrund des Fachkräftemangels gar keine Zeit mehr, in den Markt zu kommen. Sie bestellen online bei der Metro und lassen sich beliefern. Deshalb dienen unsere Märkte heute zunehmend auch als effiziente Warenlager und Logistikhubs für die Belieferung.

Was bedeutet das für die Filialen?

Greubel: Der Großmarkt erfüllt heute mehrere Funktionen. Einerseits verkaufen wir dort immer noch einen großen Teil unseres Volumens. Viele Gastronomen wollen den Fisch sehen, bevor sie ihn kaufen, oder bevorzugen die Flexibilität beim Einkauf. Und sie haben im Markt immer noch den Preisvorteil. Das wird bleiben. Andererseits liegt das Wachstumspotenzial des Großmarkts in der Belieferung, weshalb wir gezielt Flächen in unseren Märkten zugunsten der Belieferung umwidmen.

Seit Ihrem Wechsel vom Werkzeug- und Schraubenspezialisten Würth zur Metro vor dreieinhalb Jahren haben Sie massiv Artikel gestrichen und das Belieferungsgeschäft ausgebaut. Wie wird sich das Gesicht der Großmärkte ändern?

Greubel: Europaweit haben wir heute schon rund 400.000 Artikel aussortiert. Das sind etwa 40 Prozent des Gesamtsortiments. Denn im Großmarkt braucht man keine Spielwaren oder Unterwäsche. Das war zum Teil noch das alte Kaufhaussortiment bei der Metro. Deshalb haben wir in vielen Märkten auch die obere Etage geschlossen. Da will doch keiner mehr mit der Rolltreppe hochfahren, den Profikunden geht es um Effizienz beim Einkauf.

Sie haben aber auch das Lebensmittel-Sortiment gestrafft.

Greubel: Ja. Man braucht nicht unbedingt auch noch die 15. Ketchup-Marke. Wir sind Regal für Regal durchgegangen und haben geschaut, was wenig dreht, also seltener verkauft wird. Die gestrichene Ketchup-Marke wird also niemand vermissen. Stattdessen setzen wir verstärkt auf Eigenmarken, die unseren Kunden ein sehr gutes Preis-Leistungs-Verhältnis bieten und unser Großhandelsprofil stärken. Als ich bei Metro angefangen habe, machten unsere Eigenmarken 15 Prozent des Gesamtumsatzes aus. Heute sind es bereits 25 Prozent und bis 2030 wollen wir bei 35 Prozent sein. Auf viele Marken können wir aber trotzdem nicht verzichten. Denn der Kiosk-Betreiber will halt auch Snickers, Red Bull und Coke verkaufen.

Bei der Metro kann man immer noch per Fax bestellen. Sie haben sich aber zum Ziel gesetzt, 40 Prozent des angestrebten Umsatzes von 40 Milliarden Euro online zu machen? Wo steht die Metro gerade bei ihrem Transformationsprozess?

Greubel: Aktuell liegen wir bei etwa 15 Prozent, kommen aber von sechs Prozent. Das ist schon ein großer Schritt. Und wir wollen den digitalen Umsatz vor allem über unsere Online-Bestellplattform M Shop für die Belieferung konsequent weiter ausbauen. Ziel ist es, dass unsere Kundinnen und Kunden ihre Bestellungen selbst digital auslösen. Denn die Artikel für ihre Speisekarten sind ja konstant, variabel sind nur die Mengen

Steffen Greubel ist seit dreieinhalb Jahren Vorstandsvorsitzender der Metro AG mit zuletzt 31 Milliarden Euro Umsatz und mehr als 91.000 Beschäftigten.
Steffen Greubel ist seit dreieinhalb Jahren Vorstandsvorsitzender der Metro AG mit zuletzt 31 Milliarden Euro Umsatz und mehr als 91.000 Beschäftigten. © FUNKE Foto Services | Lars Heidrich

Ihr Fokus liegt auf der Gastronomie? Will die Chefköchin die Steaks und den Fisch nicht sehen, bevor sie bei der Metro bestellt?

Greubel: Das ist im Markt natürlich auch künftig möglich. Aber in der Praxis liefern wir sehr viel Ultrafrische, also Fleisch, Fisch, Obst und Gemüse aus, und die Kunden können sich auf die Qualität verlassen. Trotzdem glauben wir an die Kombination beider Kanäle – Markt und Belieferung – und der Kunde kann den jeweils besten Kanal für sich wählen.

Die Restaurants sind voll, und dennoch klagt die Gastronomie, dass ihr Umsatz immer noch unter dem Niveau vor Corona liegt. Haben Sie dafür eine Erklärung?

Greubel: Viele von uns sehen nur einen realitätsverzerrenden Ausschnitt der Wirklichkeit. Sie haben Recht: In den Großstädten sind die Restaurants meist gut gebucht. Viele haben aber wegen des Fachkräftemangels die Öffnungszeiten reduziert. Auf dem Land sieht es allerdings ganz anders aus. In Kleinstädten beobachten wir viele Geschäftsaufgaben. Die Gastronomen dort haben mehr Probleme, die gestiegenen Kosten an die Gäste weiterzugeben.

Als Metro-Chef haben Sie sich massiv, aber erfolglos dafür eingesetzt, dass der Mehrwertsteuersatz in der Gastronomie dauerhaft auf sieben Prozent gesenkt wird. Erheben Sie die Forderung im Hinblick auf die vorgezogene Neuwahl im Februar erneut?

Greubel: Selbstverständlich. Unions-Kanzlerkandidat Friedrich Merz hat sich erst kürzlich für eine reduzierte einheitliche Mehrwertsteuer auf Lebensmittel ausgesprochen. Das wäre ein sehr wichtiger Schritt. Und wir nehmen ihn beim Wort. Auch Olaf Scholz hatte das im Wahlkampf versprochen, aber nicht Wort gehalten.

Was fordern Sie konkret?

Greubel: Es muss eine Gleichberechtigung der Steuern auf Lebensmittel geben, wie bei fast allen unseren europäischen Nachbarn. Das Schnitzel auf dem Porzellanteller im Restaurant wird mit 19 Prozent besteuert, das in der Plastikschale zum Abholen mit sieben Prozent. Das ergibt ebenso wenig Sinn wie der siebenprozentige Steuersatz für Tierfutter und 19 Prozent für Babynahrung. Das muss zugunsten eines reduzierten einheitlichen Steuersatzes weg.

Die Metro selbst hat mit einem Preissenkungsprogramm auf die Krise der Gastronomie reagiert. Geht das nicht auf die eigene Marge Ihres Unternehmens?

Greubel: Ja, unsere Margen sind leicht nach unten gegangen. Das ist aber auch sinnvoll, weil wir als Großhändler die Preisführerschaft anstreben. Unser Niedrig-Preisversprechen und die Einführung des Mengenrabatts haben dazu geführt, dass die Volumina deutlich nach oben gehen. Nach zehn Jahren der Stagnation wächst die Metro im Volumen wieder um zwei bis drei Prozent – und zwar gegen den Markttrend. Das ist respektabel.

Lebensmittel sind seit dem Beginn des Ukraine-Kriegs besonders teuer geworden. Greifen die Gastronomen jetzt eher zu Billigprodukten?

Greubel: Die Inflation bei Nahrungsmitteln hatte schon davor eingesetzt. Der Krieg hat sie aber noch einmal verstärkt. Wir haben darauf reagiert, indem wir mehr Eigenmarken anbieten. Diese sind bei gleicher Qualität im Schnitt 20 Prozent günstiger. Bei den Gastronomen beobachten wir aber teilweise auch ein Downtrading: Vom Rinderfilet geht man aufs günstigere Rumpsteak oder Entrecote, um den Preis halten zu können.

Werden die Preise für Lebensmittel weiter steigen?

Greubel: Aktuell beobachten wir wieder einen leichten Anstieg der Lebensmittelpreise, und generell gibt es mehr Volatilität bei den Preisen. Die Kakaopreise gehen durch die Decke, auch die Preise für Butter steigen stark. Dafür wird Olivenöl gerade wieder günstiger. Aber auch wenn man sich die Gewinne der großen Hersteller anschaut, kann man seine Schlüsse daraus ziehen. Die Metro ist von Marken aber generell nicht so abhängig wie die Supermarkt-Ketten. Denn wir haben rund 40 Prozent Ultrafrische und 25 Prozent Eigenmarken im Sortiment. Auf der anderen Seite müssen wir bestimmte Marken vorhalten, auch wenn sie sehr viel teurer geworden ist, weil für unsere Kunden die Produktverfügbarkeit ganz wesentlich ist.

Die Metro ist trotz des Ukraine-Kriegs in Russland geblieben und hat dafür viel Kritik einstecken müssen. Gibt es einen Punkt, an dem Sie Ihre Strategie überdenken werden?

Greubel: Die Entwicklungen in der Welt ändern sich so schnell, dass es den einen Punkt nicht geben kann. Wir überprüfen aber regelmäßig die Situation in Russland, und ich respektiere die Kritik an unserer Entscheidung. Ich glaube aber, dass wir die richtige Entscheidung für das Unternehmen getroffen haben. Die Metro macht knapp zehn Prozent ihres Umsatzes in Russland, beim Gewinn ist der Anteil noch höher. Fast alle der über 90 Märkte gehören uns. So etwas gibt man nicht einfach auf.

Metro war einmal ein Handelskonglomerat mit Marken wie Media Saturn, Kaufhof, Real, Praktiker, Adler, Reno und einer Reisetochter. War es richtig, sich ganz auf das konjunkturanfällige Großhandelsgeschäft zu konzentrieren?

Greubel: Das war hundertprozentig richtig. Wir haben massive Wachstumspotenziale, denn der Großhandelsmarkt ist im Gegensatz zum Einzelhandel durch viele Klein- und Kleinstunternehmen geprägt. In Frankreich liegt der Marktanteil der Metro bei etwa 15 Prozent, in den anderen Ländern meist unter zehn Prozent, da ist noch viel drin. Zudem arbeiten wir für eine hochrelevante Branche. Ich bin fest davon überzeugt, dass Gastronomie der soziale Kitt für unsere kriselnden Innenstädte ist, denn Restaurants halten sie lebendig.

Seit einigen Jahren ist nicht mehr das Duisburger Familienunternehmen Haniel Großaktionär der Metro, sondern die Beteiligungsfirma EP Global Commerce des tschechischen Geschäftsmanns Daniel Kretinsky. Wie läuft es mit dem Gesellschafter, der gerade auch ins Stahlgeschäft von Thyssenkrupp eingestiegen ist?

Greubel: Ich bin sehr froh, dass EP Global Commerce, die knapp die Hälfte unserer Anteile hält, aber auch die Alteigentümer mit ihren Stiftungen den Transformationsprozess der Metro unterstützen. Ich kenne Daniel Kretinsky gut. Er hat ein langfristiges Engagement zugesagt und er steht zu dem, was er sagt.

Der Advent ist die wichtigste Zeit des Jahres für den Handel. Können Sie uns sagen, wie es bei der Metro läuft?

Greubel: Gemessen an dem Fett-Geflügel, also Gänsen und Enten, das Gastronomen bei uns bestellen, liegen wir stabil auf dem Niveau des Vorjahres. In Deutschland ist die Weihnachtszeit für uns noch immer die wichtigste Saison. In Frankreich, Spanien und anderen südeuropäischen Länder sind es wegen dem Tourismus eher die Sommermonate.

Stimmt es eigentlich, dass man Sie zuweilen als Fischverkäufer hinter der Metro-Theke antrifft?

Greubel: Ja, ich bin begeisterter Angler und kenne alle mehr als 100 Fischsorten, die wir anbieten. Kurz vor Weihnachten werde ich wieder einen Tag lang hinter der Fischtheke stehen. Das macht mir Spaß, ich finde es aber auch wichtig, eng am operativen Geschäft, den Mitarbeitenden und Kunden zu sein. Neulich habe ich zudem in einer Weinbar gekellnert. Das erwarte ich auch von unseren Führungskräften. Sie alle sollen mindestens einmal pro Jahr in der Gastronomie mit anpacken.

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