Essen. Weltweit gibt es am heutigen Black Friday Protest gegen Amazon. Was Verdi dem US-Riesen vorwirft und wie Amazon auf Streiks reagiert.

Der Black Friday am 29. November soll nicht nur für den Handel das lukrative Weihnachtsgeschäft einläuten. Für den weltgrößten Online-Händler Amazon ist es in der Regel der umsatzstärkste Tag des Jahres. Mit einem globalen Warnstreik zeitgleich in mehr als 30 Ländern wollen Gewerkschaften am Freitag darauf aufmerksam machen, dass Amazon immer noch nicht nach Tarif zahlt, Mitarbeitende massiv unter Druck setze und zunehmend Menschen durch Roboter austausche. Amazon weist die Vorwürfe zurück.

Fast 40.000 festangestellte Beschäftigte bundesweit, 23 Logistikzentren, davon sechs in NRW – der US-Riese Amazon spielt auch in Deutschland eine immer größere Rolle. Doch die Gewerkschaft Verdi beißt sich Zähne an dem Unternehmen aus – zumindest bei ihrer Forderung, mit Amazon einen Tarifvertrag auszuhandeln oder gar den Flächentarifvertrag anzuerkennen. Zum ersten Streik hatte Verdi bereits 2013 aufgerufen. Am 29. November 2024 ist Deutschland nun Gastgeber für den Black Pay Day. Am Amazon-Logistikzentrum Bad Hersfeld werden 1200 protestierende Beschäftigte auch aus den USA, Schweden, Großbritannien und Italien erwartet. Zugleich ruft Verdi zu Warnstreiks an den NRW-Standorten Dortmund, Werne und Rheinberg auf.

Ein Amazon-Sprecher erklärte am Freitag, die Arbeitsniederlegungen hätten keine Auswirkungen. „Kunden können sich auf schnelle und zuverlässige Lieferungen ihrer Weihnachtsbestellungen verlassen. Dafür sorgen wie immer unsere eingespielten Teams in der Logistik“, sagte er.

Verdi: „Amazon macht Druck auf den gesamten Handel“

Bundesvorstandsmitglied Silke Zimmer weiß um die Bedeutung der Auseinandersetzung, die Verdi schon seit mehr als zehn Jahren führt. „Amazon schwächt die eigenen Beschäftigten, das Tarifgefüge insgesamt und macht Druck auf den gesamten Handel“, sagt die Spitzengewerkschafterin. Viele Einzelhändler in Deutschland sind längst dem Beispiel Amazons gefolgt. Nach Angaben des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung waren im vergangenen Jahr noch gerade einmal 23 Prozent der Beschäftigten im Einzelhandel bei einem Arbeitgeber mit Branchen- oder Haustarifvertrag tätig.

Verdi-Bundesvorständin Silke Zimmer fordert Amazon zu Tarifverhandlungen auf.
Verdi-Bundesvorständin Silke Zimmer fordert Amazon zu Tarifverhandlungen auf. © FUNKE Foto Services | Kerstin Kokoska

Bei aller Entschlossenheit, weiterhin für einen Tarifvertrag bei Amazon zu streiken, betont Zimmer auch die Bedeutung des Konzerns. „Mit Amazon kam ein Arbeitgeber, mit dem viele Hoffnungen verbunden waren und der Arbeitsplätze in strukturschwachen Gegenden geschaffen hat“, sagt sie. Doch inzwischen erscheint das Jobwunder in einem anderen Licht. „Robotik und Künstliche Intelligenz werden eingesetzt, um Arbeitsplätze zu vernichten“, erklärt Corinna Groß. Die Verdi-Fachbereichsleiterin für den Einzelhandel beobachtet „Kündigungen in Schüben“ und spricht von einem „krassen Schritt“. Silke Zimmer sieht mit Sorge: „Die Beschäftigten-Zahlen nehmen ab. Das treibt die Kolleginnen und Kollegen um.“ Ein Amazon-Sprecher weist die Darstellung zurück. Amazon habe alleine in der Logistik in Deutschland in diesem Jahr 4000 neue Jobs geschaffen.

Amazon zahlt mindestens 15 Euro - mehr als Mindestlohn

Gleichwohl ist die Verdi-Vorständin überzeugt, dass der jahrelange Arbeitskampf Verbesserungen für die Beschäftigten gebracht habe. „Amazon hat reagiert und die Strategie bei der Bezahlung geändert“, sagt Zimmer. Nach einem anfänglichen Einstiegs-Stundenlohn von 7,76 Euro zahle der Online-Riese inzwischen mindestens 15 Euro und damit mehr als der gesetzlichen Mindestlohn von 12,41 Euro. Nach Konzernangaben sind das 39 Prozent als noch 2019.

„Es gibt Lohnsteigerungen und inzwischen sogar Weihnachts- und Urlaubsgeld, aber weit unter Tarif“, erklärt die Verdi-Frau. Amazon nähere sich zwar dem Tarifniveau, „verweigert sich aber rechtsverbindlichen Tarifverträgen“, die erzielte Verbesserungen auch festschreiben. Zudem fehle die Einheitlichkeit. In Dortmund etwa seien die Arbeitsbedingungen, Arbeitszeiten, Ansprüche auf Sonderzahlungen und Zuschläge völlig anders als im benachbarten Werne.

Verdi kritisiert „rigiden Umgangston“ bei Amazon

Doch der Gewerkschaft geht es nicht nur allein um das Geld. Sie kämpfe auch „für gute und sichere Arbeit“. Zimmer kritisiert den „rigiden Umgangston“ in den Logistikzentren, aber auch das umfassende Kontrollsystem. Arbeitswege seien bis ins Detail vorgegeben. In einem besonders krassen Fall sei ein Beschäftigter mehrfach binnen 15 Minuten abgemahnt worden, weil er von den Vorschriften abgewichen war.

Auch das Thema Mitbestimmung steht auf der Agenda von Verdi. „Betriebsratswahlen hat Amazon zu Anfang massiv behindert“, sagt Zimmer. Inzwischen gebe es auch hier ein Umdenken, das der Gewerkschaft aber auch nicht gefallen kann. „An neuen Standorten wie Oelde hat Amazon von sich aus sofort Wahlen eingeleitet und versucht, einen unternehmerfreundlichen Betriebsrat zu installieren.“

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