Witten. Eine Arztpraxis in Witten hat überraschend zum Jahresende geschlossen. Ärzte-Kollegen beklagen mangelnde Kommunikation. Patienten sind irritiert.

  • In Witten gibt es Verwirrung um eine geschlossene Hausarztpraxis
  • Diese war zunächst wegen Krankheit vorübergehend geschlossen, nun ist sie endgültig dicht
  • Es gibt Probleme mit den Patientenakten

Das Rätselraten um den Wittener Hausarzt Dr. Daniel Pötter ist beendet - oder auch nicht. Die Praxis an der Ardeystraße war seit Mitte November geschlossen – krankheitsbedingt. Der Allgemeinmediziner hatte sich den Fuß gebrochen, wie er selbst im Dezember gegenüber dieser Redaktion erzählt hatte. Doch seit dem 31. Dezember ist die Praxis nun endgültig dicht. Das bestätigt die Kassenärztliche Vereinigung Westfalen-Lippe (KVWL). Die Schließung zum Jahresende sei angekündigt gewesen.

„Das ist eine absolute Katastrophe“, sagt Sonja K., die eigentlich anders heißt, aber hier nicht namentlich erwähnt werden möchte. Seit ihrer Jugend sei sie Patientin in der Praxis gewesen, erst beim Senior, dann beim Junior. Ende letzten Jahres hätten sie und ihr Partner dort auch noch eine Grippeimpfung erhalten - und auch einen Hausarztvertrag über zwei Jahre unterschrieben. „Da hätte man uns doch vorwarnen können.“

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Langjährige Patientin fühlt sich komplett im Stich gelassen

Nun fühlt sich die 49-Jährige komplett im Stich gelassen. Denn die Praxis ist nicht mehr zu erreichen. Anfang der Woche lief noch eine Bandansage, die auf die telefonische Erreichbarkeit der Praxis hinwies. Allerdings ging selbst zu den dort angegebenen Zeiten niemand ans Telefon, wie ein Selbstversuch zeigte. Nun informiert das Band über die Schließung zum 31. Dezember. Patienten haben derzeit also keine Anlaufstelle. „Der ist einfach weg“, empört sich Sonja K.

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Was ihre persönliche Situation besonders heikel macht: Eines ihrer Familienmitglieder hat derzeit akute gesundheitliche Probleme. Und bislang sei es ihr nicht gelungen, einen Hausarzt zu finden, der ihren Verwandten als neuen Patienten aufnehmen würde. Mehrere Ärzte habe sie dazu erfolglos kontaktiert. „Wo sollen wir denn hingehen? Das ist eine ganz prekäre Situation, die wir hier in Witten haben.“

Dr. Daniel Pötter im Jahr 2020 mit einer Mitarbeiterin bei einer Schulung für Corona-Schnelltests im Feierabendhaus in Witten.
Dr. Daniel Pötter im Jahr 2020 mit einer Mitarbeiterin bei einer Schulung für Corona-Schnelltests im Feierabendhaus in Witten. © FUNKE Foto Services | Barbara Zabka

Besonders kritisch:Versorgung für Suchtpatienten

Doch Pötter ist auch Palliativmediziner und in der Drogenersatztherapie tätig, 32 Männer und Frauen versorgte er zuletzt regelmäßig mit Ersatzmitteln. Im Gespräch mit der Redaktion sagte er noch Mitte Dezember, dass er diese auch weiterhin betreuen werde. Doch er hat seine Meinung offenbar geändert. „Wir haben in unserer Gemeinschaftspraxis sehr viele der Substitutionspatienten übernommen“, sagt Dr. Arne Meinshausen vom Rathaus der Medizin in Herbede. Pötter habe seinen Methadonpatienten die weitere Vergabe zum Januar 2025 gekündigt.

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Etwa ab Weihnachten seien die Patienten zu ihm gekommen. „Sie sind alle sehr verärgert - und ich bin es auch“, sagt Meinshausen. Denn auch für ihn sei der Arzt-Kollege derzeit kaum erreichbar. So habe er etwa keine Patientendaten austauschen können, die für die Weiterbehandlung nötig sind, etwa bisherige Dosierungen. Man habe die Informationen bei den jeweiligen Apotheken erfragen müssen. „Aber ich sehe es als unsere Pflicht, die Patienten aufzufangen.“ Denn in Witten gibt es nun nur noch drei Praxen, die Suchtpatienten betreuen.

Keine echte Lösung für Palliativ-Patienten

Auch für die Palliativ-Patienten des Wittener Arztes sollte es eine Lösung geben. Sie würden vom Palliativnetz Witten weiter versorgt, sagte Pötter im Dezember. Das sieht das Netzwerk selbst allerdings ganz anders: „Es findet keine Zusammenarbeit mit Dr. Pötter statt“, sagt Vorstandsmitglied Dr. Matthias Thöns. Diese sei bereits Anfang 2023 beendet worden.

„Das ist unanständig“

Dr. Matthias Thöns
über den Umgang seines Kollegen mit Palliativ-Patienten

Dennoch gebe der Mediziner bei seinen Palliativpatienten, die in Heimen versorgt werden, die Nummer des Palliativnetzes als Notfallnummer für abends oder nachts an. Er würde sie aber weder beim Netzwerk anmelden noch übergeben. „Das ist unanständig“, so Thöns. Dazu, ob und wie viele Patienten des Kollegen man in den letzten Wochen übernommen habe, möchte sich der Palliativmediziner nicht äußern.

Auch die Kassenärztliche Vereinigung hat keinen Kontakt zu Wittener Arzt

Auch die KVWL selbst hat längere Zeit nichts von dem Mediziner gehört. Auf eine schriftliche Anfrage aus dem letzten Jahr reagierte der Mediziner diese Woche. „Er hat mir mitgeteilt, dass er die Praxis aus gesundheitlichen Gründen nicht weiterführen könne“, sagt Dr. Eckhard Kampe, Leiter der für Witten zuständigen Bezirksstelle. „Einen Nachfolger zu finden, sei in der Kürze der Zeit nicht möglich gewesen“, gibt Kampe wieder.

Die Praxis für Allgemeinmedizin und Palliativmedizin von Dr. Daniel Pötter ist wegen Krankheit geschlossen.
Die Praxis für Allgemeinmedizin und Palliativmedizin von Dr. Daniel Pötter ist wegen Krankheit geschlossen. © FUNKE Foto Services | Jürgen Theobald

Und die Patientenakten? Innerhalb der nächsten 14 Tage wolle Pötter eine E-Mail-Adresse einrichten, über die ehemalige Patientinnen und Patienten dann ihre Unterlagen anfordern könnten, so Kampe.

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Versorgung der Patienten steht im Vordergrund

Die Stimmung unter den anderen Ärzten in Witten ist indes angespannt. „We are not amused“, umschreibt es Arne Meinshausen. Das Verhalten des Kollegen habe ihn „befremdet“. Nun gehe es darum, die Patienten von Pötter bei anderen Ärzten in Witten unterzubringen. Dazu sollten die Patientinnen und Patienten zuerst in den Vertretungs- und Nachbarpraxen in der Innenstadt anfragen. „Wenn deren Kapazität erschöpft ist, können sie beim ÄQW-Sekretariat anrufen“, sagt Meinshausen. Die Ärztliche Qualitätsgemeinschaft Witten würde sie dann an einen Arzt des Netzwerkes weitervermitteln.

Gegenüber dieser Redaktion hat Daniel Pötter nach dem erstmaligen Erscheinen dieses Artikels alle Anschuldigungen seiner Kollegen zurückgewiesen. So habe er etwa die Praxis-Schließung mit der ÄQW abgesprochen. Auch sei er in ständigem Kontakt zu KVWL und Ärztekammer. Die Aufregung um seine Person kann er nicht verstehen.

Die Geschäftsführer der ÄQW, neben Meinshausen die Ärzte Markus Knittel und Sebastian Thies, weisen das entschieden zurück. Man habe erstmals am 8. Januar von der Praxisschließung erfahren. Mittlerweile sei die weitere Betreuung der von Dr. Pötter versorgten Heimbewohner und Methadonpatienten geregelt.

>>> Kontakt zum ÄQW-Sekretariat: 02302-5898930.

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