Witten. Der Handel im Niedergang, Leerstände, unschöne Fassaden - wie lässt sich der Abwärtstrend in Wittens City stoppen? Es gibt einen neuen Anlauf.

Dass in der Wittener Innenstadt Handlungsbedarf besteht, darüber sind sich alle einig, Städteplaner, Politiker und die Bürger sowieso. Aber wie lässt sich Leerständen wie im Kaufhof oder Krüger-Haus begegnen? Was könnten Hauseigentümer selbst beitragen und wo kann die Stadt tätig werden? Mit dem im Baugesetzbuch vorhandenen „Sanierungsrecht“ unternimmt sie nun einen neuen Versuch, dem Abwärtstrend zu begegnen.

Das Sanierungsrecht lässt verschiedenste Möglichkeiten zu - bis hin zu flächendeckenden Abrissen, wie man sie aus den Siebziger Jahren kennt und denen mitunter ganze Altbau- oder Altstadtviertel im Revier zum Opfer fielen. Umgekehrt wurden Bausünden zugelassen, wie man sie auch aus Witten kennt, zum Beispiel am verbauten City-Bogen zwischen Stadtgalerie und Berliner Platz. Nun packt die Stadt dieses Instrument wieder aus, aber nicht in der Absicht, irgendjemanden zu verschrecken. Ziel ist letztlich eine schönere Innenstadt.

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Hauseigentümer könnte es zum Beispiel über Abschreibungsmöglichkeiten schmackhaft gemacht werden, etwas in ihre Immobile zu investieren - Stichwort Fassadengestaltung. Auch Modernisierungen zählen dazu, etwa im energetischen Bereich. Das Sanierungsrecht reicht bis hin zum städtischen Vorkaufsrecht. Könnte die Stadt also zum Beispiel den leeren Kaufhof erwerben? Theoretisch schon, aber praktisch sieht Tobias Grunwald von der CDU das kritisch. „Mit welchem Geld denn?“

Dennoch hat der Unionspolitiker mit dem Ausschuss nun eine Voruntersuchung auf den Weg gebracht. Sie soll erst einmal klären, was Sanierungsgebiet werden könnte. Klar ist: Es geht zunächst um die östliche, sprich obere Bahnhofstraße - mit Sorgenkindern wie Kaufhof und der leerstehenden Krüger-Immobilie. Der Unionspolitiker sieht nun endlich eine Gelegenheit für Politik und Verwaltung, aus der reinen Zuschauerrolle herauszukommen. Denn viele Versuche, die Innenstadt zu verändern, scheiterten bisher an einem Argument: Privatbesitz! Michael Hasenkamp („Stadtklima“) warnte denn auch vor Eingriffen ins Eigentumsrecht.

Stadt Witten setzt auf Kooperation mit Hausbesitzern

Die Stadt setzt grundsätzlich erst mal auf eine Kooperation mit den Hausbesitzern, bevor womöglich ein „schärferes Schwert“ gezückt wird. Eine Debatte entbrannte im Ausschuss über die Größe des möglichen Sanierungsgebiets. „Stadtklima“ hält den bisherigen Ansatz der Stadt für zu großzügig. Andere vermissten die Einbeziehung der unteren Bahnhofstraße. Stadtbaurat Stefan Rommelfanger warnte aber davor, „sich zu überheben“. Man könne später immer noch weitere Gebiete festlegen. Er wolle jetzt ein bisschen Tempo hineinbringen und nicht zuletzt deshalb bei der geplanten Abgrenzung bleiben. „Sonst dauert es noch viel länger.“ Rommelfanger betonte, dass es sich zunächst ja nur um eine Analyse handele. Die lässt sich Witten 75.000 Euro kosten. Rommelfanger: „Wir brauchen einen Experten, der Sanierungsrecht kann.“

Die Linke fragte konkret danach, wohin die Reise geht. „Ich hätte gern eine klare Vorstellung davon, was wir da stehen haben wollen“, sagte Oliver Kalusch. Er fände das Ganze noch „ausgesprochen nebulös“. Martin Strautz (Bürgerforum) wollte die Stadtgalerie noch einbeziehen, was der Baurat zum gegenwärtigen Zeitpunkt aber ablehnte.

Mit bis zu 20.000 Quadratmetern der größte Leerstand in der Wittener Innenstadt: Noch ist nicht klar, was aus dem Kaufhof wird.
Mit bis zu 20.000 Quadratmetern der größte Leerstand in der Wittener Innenstadt: Noch ist nicht klar, was aus dem Kaufhof wird. © FUNKE Foto Services | Klaus Pollkläsener

Strautz, selbst Eigentümer, erinnerte an ein Dilemma, warum sich so wenig zum Positiven hin verändert. Einige Vermieter seien zugänglich und hätten selbst ein Interesse an der Innenstadtentwicklung. Andere seien „Erben“, die sich „zwischen Südamerika und Süddeutschland“ aufhielten und weiterhin 35 Euro/qm für ihre Geschäftsimmobilie kassieren wollten. SPD-Urgestein Klaus Wiegand flehte: „Um Himmels Willen, tut etwas!“

„Es wird weniger Handel geben. Das gilt für alle Innenstädte“

Stefan Rommelfanger
Stadtbaurat

Vielleicht werde das Untersuchungsergebnis ein ganz anderes sein, als das, was man sich jetzt vielleicht vorstelle, sagte Sebastian Anding, Sachkundiger Bürger für die CDU. Er erinnerte an das veränderte Käuferverhalten gerade junger Leute im Internet. „Es wird eine ganz andere Nutzung und Aufenthaltsqualität geben, möglicherweise grüne Lungen.“ Dem wollte Stadtbaurat Stefan Rommelfanger nicht widersprechen. „Es wird weniger Handel geben. Das gilt für alle Innenstädte“ - dafür mehr Kultur, Wohnen, Grün und Gastro.

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Längst hat die Stadt einen „trade-down“-Effekt festgestellt, einen Abwärtstrend des heimischen Handels. „Es bewegt sich nichts in der Innenstadt“, stellte Holger Jüngst (SPD) fest. Als lobendes Beispiel für eine gelungene Anwendung des Sanierungsrechts nannte er Hagen-Haspe. „Gott sei Dank hatten die Hagener nach dem Niedergang der Hasper Hütte den Mut.“ In dem Sanierungsrecht sieht er eine der wenigen Möglichkeiten, „flächig“ im Zentrum vorzugehen.

„Eigentlich ist die ganze Innenstadt ein Sanierungsgebiet“, stelle Stadtbaurat Rommelfanger abschließend fest. Er sprach von einem „Strukturwandel“, den es in den nächsten zehn Jahren zu bewältigen gelte. „Wir müssen alles dafür tun, dass die Bahnhofstraße als Kernzone stabil bleibt.“

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