Witten. Seit mehr als einer Woche sitzen Mieter in Witten in kalten Wohnungen. Der Gaszähler wurde ausgebaut. Und der Eigentümer ist nicht erreichbar.
Nina Lang friert. Denn in ihrer Wohnung an der Brückstraße 3 in der Wittener Innenstadt läuft schon seit Mittwoch vergangener Woche (27.11.) die Heizung nicht mehr. Auch im Hausflur bleibt es dunkel. Der Grund ist nicht etwa eine defekte Heizanlage im Keller. Vielmehr ist ihr Vermieter bei den Stadtwerken so sehr in Zahlungsrückstand gekommen, dass der Versorger in dem Gebäudekomplex den Gashahn zugedreht hat, ebenso den Allgemeinstrom.
„Es ist eine Katastrophe! Das ist kein Zustand so, vor allem wenn man Kinder hat“, ärgert sich Nina Lang, die einen zwei Jahre alten Sohn hat. Seit 2021 lebt sie in ihrer Wohnung. Bislang habe es keine größeren Probleme gegeben, nur ab und an sei der Allgemeinstrom ausgefallen. Was die Situation der Mieterinnen und Mieter in ihrer jetzigen Lage noch verschlimmert: „Wir haben keinen Ansprechpartner“, so die 43-Jährige. Die letzte Hausverwaltung habe vor rund vier Monaten aufgehört, eine neue gebe es noch nicht. „Wir sind alle ziemlich aufgebracht“, beschreibt Lang die Stimmung im Haus.
Wittener Stadtwerke warten auf ausstehende Zahlungen
Die Stadtwerke bestätigen, dass sowohl an der Brückstraße 1-3, als auch an der Crengeldanzstraße 38/38a am letzten Mittwoch der Gaszähler ausgebaut wurde. Die Adressen gehören zu einem zusammenhängenden Gebäudekomplex und teilen sich einen Gaszähler. Man warte auf Zahlungen, sagt Sprecher Matthias Kukla. In welcher Höhe, dazu darf er keine Auskunft geben.
Die Situation sei für alle ärgerlich, besonders die Mieter treffe es in der Wintersaison hart. „Aber wenn der Vermieter nicht zahlt, sind uns die Hände gebunden - und die Mieter müssen es ausbaden“, so Kukla. Man habe mehrere Mahn- und Erinnerungsschreiben an die Postadresse des Eigentümers geschickt. Ohne Reaktion. Von dem Ausfall sind laut Stadt 26 Bewohnerinnen und Bewohner betroffen.
Auch das Wasser sollte abgedreht werden
Auch fürs Wasser stehen noch Zahlungen aus, es drohte eine Sperre. „Das konnten wir noch abwenden“, sagt Knut Unger, Sprecher des Wittener Mietervereins. Gemeinsam mit den Stadtwerken fand man hier eine Lösung. Die laufenden Wasserkosten werden zunächst durch eine zurückbehaltene Miete finanziert. Aus den Hähnen der Bewohnerinnen und Bewohner kommt also weiterhin kühles Nass - und sogar warmes. Denn strombetriebene Durchlauferhitzer sorgen dafür. Für die Mieter ist das Glück im Unglück.
„Abgeschaltet ist alles, wofür der Vermieter verantwortlich ist“, fasst Unger zusammen. Dazu gehören auch die Türklingel sowie Festnetz und Internet. Das Schöne sei, dass in dieser Lage viele Menschen helfen würden. Mittlerweile seien so alle Bewohnerinnen und Bewohner mit Heizlüftern versorgt. Zumindest die in der Brückstraße. Denn der Kontakt zu den Mietern des Gebäudeteils an der Crengeldanzstraße gestalte sich durch Sprachbarrieren schwierig. „Aber dort scheinen die Heizungen noch zu laufen“, so Unger. Menschen aus Syrien, dem Kosovo, Rumänien und verschiedenen Ländern Afrikas würden dort leben.
Zurückgehaltene Mieten sollen laufende Kosten decken
Der Mieterschützer hat einen Hilfsplan für die Bewohner. Möglichst viele von ihnen sollen im Januar ihre Miete zurückbehalten. Darüber will der Verein dann die laufenden Gas- und Stromkosten bezahlen. So ist es schon mit den Stadtwerken verabredet. „Von unser Seite aus kann es mit der Lieferung wieder losgehen, sobald der Zähler wieder eingebaut ist“, sagt Matthias Kukla, der Sprecher des heimischen Energieversorgers. Doch ganz so einfach ist das nicht.
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Zunächst müssten die Bewohner den Gaszähler wieder einbauen lassen, erläutert Knut Unger. Die Kosten schätzt er auf 600 bis 700 Euro. „Das Geld müssen wir erstmal zusammen bekommen.“ Vor Januar werde das schwierig. Eigentlich ist der Wiedereinbau auch Sache des Vermieters. Doch der ist für den Mieterschützer bislang ebenfalls nicht erreichbar.
Mieterverein: „Die ganze Eigentümerstruktur ist völlig undurchsichtig“
Im Grundbuch ist als Eigentümer des Komplexes die „BEVO DE Alpha 3c GmbH“ eingetragen. Das Unternehmen beschäftigt sich laut Eintragung im Handelsregister mit „Kauf, Verkauf und Vermietung sowie der Verwaltung eigenen Grundbesitzes und sonstigen eigenen Vermögens“. Eine eigene Webseite hat die Firma aber nicht, ebenso wenig eine Telefonnummer. Es existiert nur eine Postanschrift in Düsseldorf.
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Auffällig ist dabei: Es gibt noch mehrere Firmen gleichen Namens, die sich lediglich in der Kombination aus Zahl und Buchstabe am Ende unterscheiden. Die Bevo De Alpha 3c GmbH gibt es etwa auch als „1a“ oder „2b“. Sie alle haben denselben Geschäftsführer und die meisten dieselbe Anschrift. Für Knut Unger vom Mieterverein handelt es sich deshalb um eine „Briefkastenfirma“. „Die ganze Eigentümerstruktur ist völlig undurchsichtig.“
Appell an den Bürgermeister
Bernd Klein, Geschäftsführer der verschiedenen Bevo De Alpha-Firmen, ist gleichzeitig auch Vorstandsvorsitzender der Degag Deutsche Grundbesitz Holding AG in Hamburg. Diese wiederum wird von zwei Gesellschaften in Liechtenstein getragen. Ein Bericht von Stiftung Finanztest kritisierte erst im September die intransparente Struktur der Degag und setzte sie auf seine Warnliste im Bereich Geldanlage.
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Auch die Stadt ist mit an Bord, sie ist für die Wohnungsaufsicht zuständig. Man habe sich die Situation vor Ort angesehen. „Dabei wurde klar, dass schnelles Handeln erforderlich ist, da die Wohnungen ohne Heizung schlicht nicht bewohnbar sind“, sagt Stadtsprecherin Heinke Liere. Die Menschen hätten dann in städtischen Notunterkünften untergebracht werden müssen.
Doch es gibt gute Nachrichten: Die Stadtwerke haben sich bereit erklärt, am Freitag (6.12.) einen neuen Gaszähler einzubauen - und die Kosten dafür zu übernehmen. Am gleichen Tag kann dann auch wieder geheizt werden. Damit ist zumindest eine erste Lösung für die Bewohner gefunden. Eine dauerhafte kann es aber nur mit dem Eigentümer geben. Und der bleibt weiterhin stumm. Eine Anfrage dieser Redaktion ließ Degag-Vorstand Bernd Klein bislang unbeantwortet.
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