Witten. Einen langen Atem wird der neue Vorstand der SPD in Annen brauchen. Denn mitten in dem großen Wittener Stadtteil klaffen zwei offene Wunden.

Die SPD Annen hat sich neu aufgestellt. Ratsherr Holger Jüngst hat den Vorsitz übernommen. Zusammen mit seinen Stellvertretern Christel Humme und Marius Goman will er dafür sorgen, dass es mit dem, so Humme, „arg gebeutelten Stadtteil“ bald wieder aufwärts geht. Keine leichte Aufgabe, denn die Sorgen sind groß: Mit der Schließung von Real und dem Aus für die Eisenwerke Böhmer klaffen zwei offene Wunden mitten im Ort.

Der neue Vorsitzende hat nach seiner Wahl keine Zeit verstreichen lassen. „Ich bin bereits mit Böhmer im Gespräch“, sagt der 55-Jährige. Schließlich gehe es darum, die Folgenutzung für die zentral gelegene, fünf Hektar große Fläche, die jahrzehntelang von der Schwerindustrie genutzt wurde, stadtplanerisch zu regeln. „Erfreulich ist, dass der Eigentümer bereits erste Ideen vorgelegt hat, wie es mit dem Gelände weitergehen könnte“, so Jüngst. Demnach solle der Gebäudebestand weiter verwendet werden – Interessenten für einzelne Bereiche des Werks gebe es bereits. Zusätzlich sollen Neubauten für eine ergänzende Nutzung – etwa Wohnen – entstehen.

Wittener Sozialdemokraten sehen Gesprächsbedarf

Nicht über alle Ideen ist die SPD glücklich. Sie sieht noch dringenden Gesprächsbedarf. „Mit den einzelnen Nutzungen und Nutzern sind wir sehr einverstanden“, so der neue Vorsitzende. Aber all das könne nicht ohne eine völlige Neuordnung des Geländes gehen. „Und darüber müssen wir jetzt mit Politik, Wirtschaft und Verwaltung in den Dialog kommen.“ Und auch mit den Annenern: „Wir wollen die Bürger mitnehmen“, betont Christel Humme.

Etwa fünf Hektar groß ist das Gelände der früheren Eisenwerke Böhmer auf der Annenstraße in Witten.
Etwa fünf Hektar groß ist das Gelände der früheren Eisenwerke Böhmer auf der Annenstraße in Witten. © www.blossey.eu | Hans Blossey

Wichtig ist dem neuen Vorstand bei der Böhmer-Nachfolge: „So ein Dilemma wie bei der Wickmann-Fläche darf nicht wieder passieren.“ Die Sozialdemokraten sprechen von „völligem Wildwuchs“ und „ungeordneten Verhältnissen“ – mit leidigen Folgen für die Bevölkerung: Nach dem Real-Aus fehlt ein Vollsortimenter in Wittens einwohnerstärkstem Vorort.

Keine Entwicklungssperre auf früherem Real-Gelände

Die Schließung des SB-Warenhauses sei „verheerend“ für Annen gewesen, so Christel Humme, auch für die kleinen Geschäftsbetriebe im Umkreis. Die SPD drängt auf rasche Lösungen, doch die sind nicht in Sicht. „Kaufland als Eigentümer der Immobilie ist grundsätzlich bereit, das Haus als Standort zu aktivieren“, das hat Holger Jüngst bei dem Unternehmen auf Nachfrage erfahren. „Es gibt aber noch keinen Zeitplan.“ Doch auch das hat er erfahren: Anders als wohl von Real verbreitet worden war, liegt keine zweijährige Sperre auf der Fläche. Das habe das Bundeskartellamt ihm schriftlich versichert, so Jüngst. „Die Entwicklung liegt also allein in den Händen des Eigentümers Kaufland.“

Seit der Real-Schließung fehlt ein Vollsortimenter in Witten-Annen.
Seit der Real-Schließung fehlt ein Vollsortimenter in Witten-Annen. © FUNKE Foto Services | Jürgen Theobald

Und die wird dauern. Von ein bis fünf Jahren war bei der Schließung des Kaufhauses die Rede. Zu lang für den Stadtteil – denn das Gelände verkommt schon jetzt sichtbar. Holger Jüngst überlegt daher, ob nicht Teile der einstigen Real-Fläche für Veranstaltungen geöffnet werden könnten – und will den Eigentümer danach fragen. „Wir haben bei unserem Konzert gesehen, dass man mit relativ kleinem Aufwand Leben in den Ort bringen kann“, sagt der Annener, der auch Bauherr für einen neuen Supermarkt auf dem Schnee ist und dort kürzlich zu einem kleinen Rockfestival geladen hatte. Auf diese Weise würde das Gelände nicht für die Bürger verloren gehen.

SPD macht sich für Brücke über die Gleise stark

Noch ein drittes Thema brennt den Politikern auf den Nägeln – der Verkehr im Ort. Sie haben daher eine alte Idee wieder auf die Tagesordnung setzen lassen: die Fußgänger- und Radfahrerbrücke über die Bahnlinie. Sie soll etwa vom Rheinischen Esel bis zum neuen Bildungsquartier reichen, den von den Gleisen zerschnittenen Stadtteil verbinden und den Bahnhof barrierefrei erreichbar machen. Schon Anfang der 90er Jahre war eine Brücke über die Gleise im Gespräch, die Pläne scheiterten aber an einer Bürgerinitiative. Eine Machbarkeitsstudie soll nun die rechtlichen und technischen Rahmenbedingungen für ein solches Bauwerk klären. Holger Jüngst ist zuversichtlich, dass es diesmal klappen könnte. „Aber selbst dann wird es mindestens zehn Jahre dauern, bis die Brücke fertig ist – und auch nur, wenn wird dran bleiben.“

Bereicherung Bildungsquartier

Es gibt auch gute Nachrichten für Annen. Witten bekommt für das Bildungsquartier im Stadtteil 6,1 Millionen Euro Städtebauförderung von Bund und Land. „Das ist das letzte Zeichen dafür, dass die Realisierung des Projekts auch zu Ende gebracht wird“, meint Holger Jüngst, der neue Vorsitzende des SPD-Ortsvereins Annen. Auch sei der Bau weiterhin im Zeitplan.

Die SPD Annen freut sich auf das Bildungsquartier. Das Quartier werde mehr als ein Zentrum für Bildung und Sport, es werde ein Treffpunkt für die Bürger. Auch das Seniorenfrühstück des Ortsvereins soll dort wieder aufgenommen werden. Christel Humme: „Wenn viele das Zentrum nutzen und mit Leben füllen, dann wird es eine Bereicherung für den Stadtteil.“

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Dicke Bretter sind es also, die der neue Vorstand zu bohren hat. Es sei zwar mühsam, aber es mache auch Spaß, etwas für Annen bewirken zu können, versichert Humme. „Je dicker die Bretter, umso spannender.“ Der Ortsverein sei stolz darauf, mit Holger Jüngst und Paulina Saelzer zwei Vertreter im Rat zu haben. Ideen aus dem Ort hätten damit eine gute Chance, auch umgesetzt zu werden.