Witten. 2012 feierte Witten das erste Wiesenviertelfest. Dabei gab es das Kreativquartier damals noch gar nicht. Wie alles begann. Eine Erfolgsgeschichte.

Das Wiesenviertelfest ist aus dem Wittener Veranstaltungskalender nicht mehr wegzudenken. Am Samstag (17.8.) verwandeln sich Wiesen-, Stein- und Hammerstraße zum zehnten Mal in eine fröhlich-kreative Partymeile. Los ging es 2012 mit deutlich weniger Programm und Besuchern. Und trotz seiner Beliebtheit stand das Fest einige Male kurz vor dem Aus. „Aber es ist einfach nicht totzukriegen“, sagt Waldemar Riedel scherzhaft, einer der Macher der ersten Stunde.

Der 39-Jährige ist auch dieses Jahr wieder beim Organisationsteam dabei, hält sich aber bewusst eher im Hintergrund. 2010 gründete der heutige Wirt des „Knuts“ mit Gabriel Schunck, Philip Asshauer und Florian Danner den Verein „Stellwerk“. Ursprüngliches Ziel war es, die zahlreichen leerstehenden Lokale in der Innenstadt mit Kunst und Kultur zu bespielen. „Es war damals unglaublich wenig los in der Stadt für junge Erwachsene, das wollten wir angehen“, erinnert sich Riedel. „Da war das Gefühl: Entweder wir machen hier jetzt was oder wir gehen weg wie so viele andere“, ergänzt Schunk.

Waldemar Riedel (l.) und Gabriel Schunck haben das Wiesenviertelfest 2012 mit ihrem Verein „Stellwerk“ ins Leben gerufen. Mit dabei waren damals auch Philip Asshauer und Florian Danner.
Waldemar Riedel (l.) und Gabriel Schunck haben das Wiesenviertelfest 2012 mit ihrem Verein „Stellwerk“ ins Leben gerufen. Mit dabei waren damals auch Philip Asshauer und Florian Danner. © FUNKE Foto Services | Jürgen Theobald

Stellwerk brachte Kunst und Kultur in die Innenstadt

Aus dem neu gegründeten Verein heraus entstand etwa das „Nachtasyl“: Die Kulturinitiative holte dazu bundesweit freie Theaterensembles und Schauspielstudenten zusammen, um die Innenstadt in ein improvisiertes Schauspielhaus zu verwandeln. Es folgten zum Beispiel die „Kulturnische“, ein Autokino auf dem Parkdeck der Stadtgalerie, ein Osterpicknick im Stadtpark oder Singer-Songwriter-Abende in verschiedenen verlassenen Lokalen. Mit einer selbst gezimmerten mobilen Bar war das „Stellwerk“ bei vielen Veranstaltungen vor Ort.

Ein Bild aus alten Zeiten: (v.l.) Florian Danner, Waldemar Riedel und Philip Assauer 2011 vor den damaligen Stellwerk-Räumen.
Ein Bild aus alten Zeiten: (v.l.) Florian Danner, Waldemar Riedel und Philip Assauer 2011 vor den damaligen Stellwerk-Räumen. © WAZ FotoPool | Walter Fischer

„Damals war klar, wenn das Stellwerk was macht, geht man da hin“, erinnert sich Joscha Denzel (30) zurück. Der heutige Vorstand des Wiesenviertelvereins war damals noch Schüler. „Und alle wollten weg aus dieser Stadt.“ Doch als das Knut‘s entstand, habe es endlich einen Treffpunkt gegeben, „wo man gerne hingeht“. Die heutige In-Kneipe in der Wiesenstraße, direkt neben dem legendären „Klimbim“, startete 2010 noch in der Steinstraße. „Damit wollten wir einen Anlaufpunkt schaffen, einen Ort, an dem Ideen entstehen können“, sagt Riedel.

Wie das Wiesenviertel seinen Namen bekam

Das Wiesenviertel, wie man es heute kennt, gab es Anfang der 2010er-Jahre noch nicht - auch nicht den Namen. Als die Stellwerk-Truppe die Idee für ein Fest im Viertel hatte, fehlte ein passender Titel. „Und dann haben wir dem Kind einfach einen Namen gegeben“, erzählt Gabriel Schunck. Naheliegend, schließlich war das Vereinslokal „Knut‘s“ 2012 an die Wiesenstraße gezogen. „Und dann hat sich dieser Begriff innerhalb eines Jahres verfestigt, auf einmal konnte man ihn in Wohnungsanzeigen lesen“, so der 41-Jährige.

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Beim ersten Wiesenviertelfest wollte man nicht nur Kunst- und Kulturschaffenden einen Raum geben, sondern ganz bewusst auch Ladeninhaber und Anwohner mitnehmen. An diesem Konzept hat sich bis heute nichts verändert. „Beim ersten Fest hatten wir eine Bühne, vielleicht fünf Bands, eine Modenschau und den Auftritt einer Ballettschule“, fasst Waldemar Riedel das Programm der ersten Quartierfeier zusammen. Auch Essen gab es an der ein oder anderen Ecke, ein paar Biertische wurden aufgestellt, aber auch damals schon Sofas, Teppiche und liebevolle Dekoration.

Eindrücke vom ersten Wiesenviertelfest 2012 in Witten.
Eindrücke vom ersten Wiesenviertelfest 2012 in Witten. © Riedel | Riedel

Neue Organisatoren, mehr Musik

2017 löste sich das Stellwerk auf, das Fest wurde abgesagt. Vor allem finanzielle Schwierigkeiten führten zu dem Entschluss. „Wir haben uns von Fördertopf zu Fördertopf gehangelt, irgendwann geht das nicht mehr“, sagt Schunck. Man wollte das Stellwerk in einen Quartiersverein übergehen lassen - den heutigen Wiesenviertel-verein. 2018/19 übernahm dann ein hauptsächlich studentisches Team um Joscha Denzel die Organisation des Festes, das ab sofort nur noch an einem statt an zwei Tagen über die Bühne ging.

Drei Generationen Wiesenviertelfest: Waldemar Riedel (l.) und Gabriel Schunck (2.v.r.) haben das Fest 2012 ins Leben gerufen. Joscha Denzel (2.v.l.) war ab 2018 im Organisationsteam. Nils Baukus (r.) ist in diesem Jahr dabei.
Drei Generationen Wiesenviertelfest: Waldemar Riedel (l.) und Gabriel Schunck (2.v.r.) haben das Fest 2012 ins Leben gerufen. Joscha Denzel (2.v.l.) war ab 2018 im Organisationsteam. Nils Baukus (r.) ist in diesem Jahr dabei. © FUNKE Foto Services | Jürgen Theobald

Das Fest sei da professioneller geworden, sagt Riedel. Vor allem das Musikprogramm wurde von Denzel, selbst Musiker, deutlich ausgebaut. Statt einer gab es drei Bühnen. „Es war der Wahnsinn, was sie da für ne Bühne hingestellt haben,“ erinnert sich Waldemar Riedel. Zuvor hatte man eher improvisiert. Inzwischen besuchten immer mehr Menschen das Wiesenviertelfest.

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Wiesenviertelfest stand auf der Kippe

Doch wegen finanzieller Schwierigkeiten wurde es 2020 erneut abgesagt. Die Organisatoren wollten zunächst ein dauerhaftes Organisations- und Finanzierungsmodell erarbeiten. Und dann kam Corona. Obwohl man erneut an Fördertöpfen und Spendengelder hing, organisierten Denzel und Co das Fest 2022 „ein letztes Mal“. Danach, so die Idee, wollte man die Straßenfete in XXL in andere ehrenamtliche Hände geben.

„Letztes Jahr hatte ich schon abgeschlossen, dachte, das war‘s jetzt“, sagt Joscha Denzel. Denn zunächst fand sich niemand. Am Ende wuppte eine Gruppe junger Menschen, die alle recht frisch in der Stadt waren, die Straßenparty. „Es stand so auf der Kippe. Für mich ist das das Wunder von Witten“, freut sich der 30-Jährige. „Es ist toll, dass Menschen hier direkt so eine Heimat finden und auch aktiv etwas zurückgeben wollen.“ Und so wird das Fest hoffentlich auch die nächsten Jahre immer wieder dank engagierter Menschen stattfinden können.

>>>Info: Das zehnte Wiesenviertelfest startet am Samstag, 17.8., um 12 Uhr. Das Bühnenprogramm endet um 22 Uhr.

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