Witten. . Es geht um die Zukunft des Wiesenviertels. Der Verein Stellwerk, der es zum Kreativquartier machte, stellt zum Jahresende seine Arbeit ein.

  • Im Wiesenviertel, längst auch in den Nachbarstädten bekannt, wird sich vieles ändern
  • Der Verein Stellwerk, der dieses Stück Innenstadt zu einem Kreativquartier machte, will seine Arbeit einstellen
  • Bis Ende des Jahres sollten sich deshalb neue Macher finden, die das Stellwerk-Erbe antreten

Sie hatten es schon im März angekündigt, jetzt steht es fest: Der Verein Stellwerk wird zum Jahresende seine Arbeit einstellen. Seit 2012 hat das vierköpfige Team aus dem einst von Ladenleerständen geplagten Wiesenviertel ein Kreativquartier gemacht, das begeisterte Besucher auch aus den Nachbarstädten anzieht. Der Rückzug der Stellwerker beginnt schon Ende Juni.

Er werde weiter am Wiesenviertel-Stammtisch, den regelmäßigen Treffen der ansässigen Geschäftsleute, teilnehmen, hier aber keine „Arbeitsaufträge“ mehr entgegennehmen, so Stellwerk-Geschäftsführer Philip Asshauer. Den seit geraumer Zeit Geldsorgen plagen. Zwar habe der Verein jährlich zwischen 150 000 und 200 000 Euro eingeworben, um Akteure mit ihren Projekten im Wiesenviertel zu unterstützen. „Allerdings darf der Verein diese überwiegend öffentlichen Fördergelder nicht zur Finanzierung der eigenen Arbeit verwenden.“

Stellwerker leisteten viel unbezahlte Arbeit

Asshauer und die drei weiteren hauptamtlichen Stellwerk-Mitarbeiter sahen ihren Einsatz – 40-, aber auch 60-stündige Arbeitswochen – nicht kontinuierlich finanziert. Sie leisteten in den vergangenen Jahren viel unbezahlte ehrenamtliche Arbeit. Hochmotivert wollten sie das Viertel nach vorne bringen. So könne das aber nicht weitergehen, „man muss das jetzt auf andere Füße stellen“, betont Asshauer, vor Ort der Macher der ersten Stunde.

Die Idee der Stellwerker: Vertreter aus Stadt, örtlicher Politik und Wirtschaft müssten sich zu einer „Denkfabrik“ zusammenschließen. Und als Nachfolger des Stellwerks ein professionelles Konzept dazu entwickeln, wie es mit dem Wiesenviertel künftig weitergehen soll und wie sich dies alles langfristig finanziell tragen kann, so Asshauer. „Es beginnt ein neues Kapitel. Es ist kein nachhaltiges Konzept, wenn man immer auf Fördergelder angewiesen ist.“

In diesem Jahr gibt’s noch zwei Tummelmärkte

Eine zweite Idee ist die Gründung eines Wiesenviertel-Vereins. Hier könnte sich jeder mit Zeit oder Geld einbringen, dem das Viertel am Herzen liegt. Der Verein könne dann für das Quartier zwar keine Mammutprojekte wie das Wiesenviertelfest oder den Tummelmarkt stemmen, jedoch kleinere Dinge verwirklichen. So etwas wie den „Blumen-Pott“, den mobilen Stadtgarten am Brunnen in der Wiesenstraße, den Bürger hegen und pflegen.

Gut gelaunte Menschen, so weit das Auge reicht. Das Wiesenviertelfest lockte auch stets viele Besucher aus Dortmund und Bochum nach Witten.
Gut gelaunte Menschen, so weit das Auge reicht. Das Wiesenviertelfest lockte auch stets viele Besucher aus Dortmund und Bochum nach Witten.

Apropos Wiesenviertelfest. Das ist zwar in diesem Jahr von den Stellwerk-Organisatoren unter anderem aus zeitlichen Gründen abgesagt worden. Aber “tot“ ist es deswegen nicht. Philip Asshauer hat gehört, dass man an der Uni Witten/Herdecke darüber nachdenkt, die beliebte Veranstaltung von Studenten organisieren zu lassen. Der Tummelmarkt wird in diesem Jahr noch weitergeführt. Die Termine sind der 15. Juli und der 30. September.

Das Knut’s und die Studiobühne bleiben erhalten

Eine weitere gute Nachricht für Wiesenviertel-Fans: Die von Waldemar Riedel geführte Kneipe Knut’s und die ihr angeschlossene Studiobühne bleiben erhalten. Zwar gehört das Knut’s derzeit noch zum Verein Stellwerk, soll aber eine andere Rechtsform bekommen.

Philip Asshauer ist wichtig, dass seine Vorschläge für das Quartier kein fertiger Masterplan sind. Aber er würde sich freuen, „wenn sich bis zum Jahresende Menschen finden, die das schon Erreichte weiterführen und ausbauen“.

„Im Viertel werden Ansprechpartner fehlen“

Sebastian Brunnstein, Chef des Geschäftes Zwergperten am Humboldtplatz, lobt das langjährige große Engagement der Stellwerker. „Das hat für viel Zusammenhalt gesorgt. Wenn es das Stellwerk nicht mehr gibt, werden im Viertel Ansprechpartner und Koordinatoren fehlen.“ Brunnstein sagt, dass er bereit sei, einem neuen Wiesenviertel-Verein beizutreten. Aber zeitlich könne er sich als Selbstständiger mit drei Kindern nur sehr begrenzt engagieren.

Auch Michael Kapmeyer, dem in der Steinstraße der Laden „Naturtuche“ gehört, bedauert das Ende des Stellwerks. „Sie haben sehr viel angeschoben, das hier Früchte trägt. Aber ich verstehe die Entscheidung. Immer dem Geld für Projekte hinterher zu rennen, ist schwierig.“ Kapmeyer ist aber zuversichtlich, dass das Wiesenviertel „als Quelle für Neues“ Witten erhalten bleiben wird.

Weitere Infos auf: www.studiostellwerk.de

>>> KOMMENTAR: AM ENDE GEHT ES AUCH UM GELD

Keine Frage: Der kleine Verein Stellwerk hat das Wiesenviertel zu dem gemacht, was es heute ist. Zu einem bunten, munteren Quartier mit vielen kreativen Ideen und tollen Festen. Nichts von der Stange, sondern alles selbst ausgedacht. Aus einem Viertel mit einst vielen Leerständen wurde eines mit viel Lebensqualität. Und Strahlkraft für die ganze Innenstadt.

Es entstand ein neues Stück Witten. Junge Leute wagen den Sprung in die Selbstständigkeit und begreifen sich nicht als Konkurrenz, sondern als Team, das gemeinsam etwas nach vorne bringen will. Die Politik hat dieses große Engagement der Stellwerk-Akteure parteiübergreifend stets gelobt. Das Wiesenviertel wurde zur Marke, mit der auch Makler ihre Objekte im attraktiven Quartier gerne bewerben.

Wahr ist aber auch, dass das Gehalt der Stellwerk-Macher immer auch von den Fördergeldern abhing, die sie selbst für Projekte im Wiesenviertel einwarben. Und das war keine verlässliche Einnahmequelle, die Existenzen sichert.