Hattingen. Seit 10 Jahren wehrt sich eine Gruppe aus Hattingen erfolgreich gegen ein Großprojekt des Landes. Nun wird wieder über den Ruhrumbau diskutiert.
Seit drei Jahren sollte statt Buhnen eine Auenlandschaft den Ruhrbogen in Hattingen prägen. Die Umgestaltung des Flussbereichs wurde vor zehn Jahren erstmals öffentlich vorgestellt. Allein, mit dem Widerstand der Hattinger hatten die Planer nicht gerechnet - und einen solch massiven Gegenwind hatten sie auch nie erlebt. Jetzt wird erneut über das Großprojekt diskutiert.
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Still ruht der See - oder in diesem Fall die Ruhr. Der Ruhrbogen trägt weiter seine charakteristischen Buhnen, erlebte in den vergangenen zehn Jahren Jahrhundert-Hochwasser und Dürren. Und die haben neue Überlegungen bei den Planungen, die sogar schon seit 2010 laufen, nötig gemacht. Doch Konkretes zu diesen Überlegungen und wie sie einen möglichen Ruhrumbau verändern, gibt es auch auf wiederholte Nachfrage nicht.
„Derzeit werden auch aktuelle Maßnahmenkosten ermittelt und bewertet.“
Dabei wurde schon vor dreieinhalb Jahren (2021) angekündigt, dass geprüft werde, inwiefern Trockenphasen die Umbau-Pläne beeinflussen. Der Genehmigungsprozess bei der Bezirksregierung Arnsberg, der seit Februar 2019 der Antrag für eine naturnahe Entwicklung des Ruhrbogens vorliegt, verzögert sich weiter. Zur Erinnerung: die Planung der Maßnahme ist bei der Bezirksregierung Düsseldorf angesiedelt, genehmigen muss Arnsberg.
Baukosten und Finanzierung
Finanziert werden soll das Projekt Umbau Winzer Bogen in Hattingen zu 100 Prozent durch das Wasserentnahme-Entgelt-Gesetz. Das sieht eine zweckgebundene Abgabe für Wassernutzer vor. „Etwa 80 Millionen Euro kommen dadurch pro Jahr zusammen“, erklärte ein Vertreter der Bezirksregierung Düsseldorf bei der Vorstellung 2014.
Es ist davon auszugehen, dass die vor Jahren avisierten Baukosten - 2018 ging man von 6,5 Millionen Euro in Hattingen aus, mehr als eine halbe Million Euro war da bereits in die Planung geflossen - sich inzwischen vervielfacht haben.
Aus Düsseldorf gibt es, gefragt nach dem aktuellen Stand, Veränderungen der Pläne und einem möglichen Zeithorizont zuerst keine Antwort und auf wiederholte Nachfrage lediglich die Mitteilung: „Derzeit stehen die Bezirksregierungen Düsseldorf als Vorhabenträger und Arnsberg als Genehmigungsbehörde im Austausch zum weiteren Vorgehen. In diesem Rahmen werden auch aktuelle Maßnahmenkosten ermittelt und bewertet.“
Auch das Umweltministerium in Düsseldorf ist zwischenzeitlich mit der Causa Hattingen befasst. Auf die Frage, ob das Projekt überhaupt noch umgesetzt werden soll, gibt es keine konkreten Aussagen.
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Fest steht, dass die 2014 angekündigte Baumaßnahme, bei der geplant war, einen Teil der Buhnen zu entfernen, Nebengewässer zu schaffen und den Fluss deutlich zu verbreitern, eigentlich 2021 abgeschlossen werden sollte. Doch in Hattingen wurde massiv dagegen protestiert.
Allen voran ist der Initiativkreis für den Erhalt des Ruhrbogens, den Hattinger Bürger 2014 nach der Vorstellung der Umbaupläne ins Leben gerufen haben, aktiv. Stellt auch heute noch kritische Nachfragen und wird nicht müde, Gegenargumente vorzubringen. Die Initiative erreichte 2017 sogar, dass der Abschnitt der Ruhr unter Denkmalschutz gestellt wurde. Entsprechend müssen auch diese Belange bei etwaigen Umbauplänen nun abgewogen werden.
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Die Meinungen zur Notwendigkeit der Maßnahme gehen unterdessen weit auseinander. Auch unter Naturschützern gibt es Gegner und Befürworter. Angesichts des verheerenden Hochwassers 2021 hatte unter anderem Naturschützer Thomas Griesohn-Pflieger in einem Brief an die damalige Umweltministerin zur Eile beim Umbau gemahnt.
Geplant ist die naturnahe Umgestaltung als Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie der EU, die bis 2027 abgeschlossen sein soll. Dass es dazu in Hattingen nicht kommen wird, ist abzusehen.
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Ziel ist zum einen der Hochwasserschutz. Durch weitere Auslaufflächen für das Flusswasser sollen bebaute Bereiche geschützt werden. Eines der Hauptziele ist aber, die Wasserqualität der Ruhr zu verbessern und Tieren, die hier ursprünglich heimisch waren, wieder einen Lebensraum zu bieten. Dafür ist Hattingen nur ein Puzzlestück entlang des Flusses. Renaturiert wurde beispielsweise bereits ein Abschnitt in Witten.
Der ökologische Zustand des Ruhrbogens wird nach einer Übersicht des Bundes zur Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie als schlecht eingestuft. Vor allem auch bei der Belastung mit Stoffen, die nicht ohnehin überall vorkommen, steht der Ruhrbogen schlecht da. Der Zustand für Fische sei immerhin mäßig, der für andere Wasserorganismen schlecht.
In den vergangenen Jahren scheint man im Verfahren keinen Schritt vorangekommen zu sein. Also bleibt es bei den Buhnen, sofern die nicht gerade vom Hochwasser überspült sind.