Gladbeck. Ineos Phenol soll vorübergehend stillgelegt werden. Bei den Beschäftigten sorgt das für Entsetzen. Sie werfen dem Management Wortbruch vor.
Die Nachricht von der geplanten vorübergehenden Stilllegung des Ineos-Werks in Gladbeck-Zweckel sei plötzlich und ohne Vorankündigung gekommen, sagt Betriebsratsvorsitzender Andreas Horn im Gespräch mit der Lokalredaktion. Mit Wut und Trauer hätten die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter die Nachricht in der vergangenen Woche aufgenommen. Nichts habe darauf hingedeutet, entsprechend groß sei der Schock.
Was Horn besonders ärgert: Gemeinsam mit der IGBCE hatten Betriebsrat und Werksleitung gerade erst eine Vereinbarung geschlossen, um die Zukunft des Standorts Gladbeck zu sichern. Diese Vereinbarung sieht den sozialverträglichen Abbau von vergleichsweise wenigen Arbeitsplätzen vor. Horn spricht von „schmerzhaften Maßnahmen“, die aber für die Belegschaft gangbar gewesen seien. Doch habe man überhaupt nicht die Chance gehabt, das vor Ort umzusetzen. Stattdessen kam die Nachricht von der vorübergehenden Stilllegung. „Das war ein Schlag ins Gesicht.“
Glabdecker Betriebsrat sieht Vertrauen verspielt
Diese Vereinbarung habe man mit der Geschäftsführung vor Ort getroffen, das Ineos-Management habe dem zugestimmt. Das Vertrauen von Belegschaft und Betriebsrat in die Zuverlässigkeit des Managements sei nun erst einmal gestört, macht Horn deutlich. Diese nach außen hin plötzliche Entscheidung, im zweiten Halbjahr 2025 temporär das Werk stillzulegen, entspreche in keiner Weise der Vorstellung von vertrauensvoller Zusammenarbeit, wie sie sich der Betriebsrat vorstellt. „Vernünftige Managemententscheidungen stellen wir uns anders vor.“
„Der Gladbecker Betriebsrat, Ineos Phenol Vertrauensleute und die IGBCE sind gesprächsbereit, aber auch, wenn notwendig, konfliktbereit.“
Die Begründung, das Antwerpener Werk wieder anzufahren, weil es sonst nach längerem Stilstand dauerhafte Schäden erleide, kann man in Gladbeck nicht nachvollziehen. Auch eine stehende Anlage könne man in Schuss halten und warten, man müsse nur auch investieren, gibt Horn die Auffassung des Betriebsrats wieder. „Da fehlt uns das Verständnis.“
Fragen aus Gladbeck an das Ineos-Management
Zumal die Kolleginnen und Kollegen bisher auch keine andere Begründung erfahren hätten. Ob es am Ende doch wirtschaftliche Überlegungen sind? Horn kann nichts dazu sagen, es gebe keine weiteren Informationen. Der Betriebsrat hat sich deshalb ans Ineos-Management gewandt. Die Belegschaft fordert Klarheit und Antworten auf folgende Fragen:
- Wie lange soll der Standort Gladbeck stillgelegt werden?
- Wann soll dieser wieder produzieren?
- Was passiert mit den Beschäftigten während der Stilllegung?
- Wie kann der Standort Gladbeck langfristig gehalten werden?
Weiter heißt es in einer Stellungnahme des Betriebsrats: „Die Rahmenbedingungen für die Wiederinbetriebnahme des Werks in Antwerpen und die damit verbundenen wirtschaftlichen sowie logistischen Faktoren, widersprechen aus Sicht des Betriebsrats jeder unternehmerischen Logik.“ Der Grundstoff für die Phenolproduktion ist Cumol. Dieser Stoff wird im Chemiepark Marl hergestellt und über eine Pipeline nach Zweckel geliefert. „Der Ersatz durch den täglichen Transport von Cumol aus Marl per Schiff nach Antwerpen ist ökonomisch und ökologisch nicht sinnvoll“, urteilt der Betriebsrat.
Betriebsrat ist gesprächsbereit aber auch konflitktbereit
Darüber hinaus sei Gladbeck ein zuverlässiger Standort. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter hätten immer geliefert und wenn nötig auch mehr als 100 Prozent gegeben. „Zuverlässigkeit war stets garantiert, es wurde nie gestreikt. Immer wurde zwischen Betriebsrat, Geschäftsführung und IGBCE ein gemeinsamer Weg für Lösungen gefunden.“
Auch jetzt seien Betriebsrat, Vertrauensleute und IGBCE weiterhin gesprächsbereit, stellt Horn klar. Gleichzeitig warnt er aber: Man sei im Zweifel auch konfliktbereit. Wie das aussehen könnte, führt er im Gespräch mit der Redaktion aus. Denkbar sei beispielsweise, dass der Betriebsrat keine Überstunden mehr genehmige. Dass der mehr als 100-prozentige Einsatz dann nicht mehr möglich sei, dass der Zug mit Phenol zum Kunden nach Polen dann im Zweifel eben stehen bleibe, dafür eben keine Mehrarbeit geleistet werde. Darüber hinaus sei man in Kontakt mit der IGBCE und überlege gemeinsam, welche Maßnahmen sonst denkbar wären.
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Horn und seine Kolleginnen und Kollegen im Betriebsrat hoffen auf ein Einlenken des Ineos-Managements, auf eine Rücknahme des Beschlusses. Nichtsdestotrotz: Aktuell lasse man 280 Leute und deren Familien im Unklaren darüber, wie die Zukunftsaussichten sind, kritisiert Horn. Unter der Belegschaft gebe es auch Familien, da arbeiteten beide Partner im Betrieb. Aufgrund der unklaren Situation machten sich die Menschen nun Sorgen um ihre Existenz, sagt Horn. Wie geht es weiter? Drohten Kurzarbeit oder gar Entlassungen? Das seien Fragen, die sich die Belegschaft im Moment stelle, macht der Betriebsratsvorsitzende deutlich.
Im Gespräch mit der Lokalredaktion hatte Werksleiter Benie Marotz in der vergangenen Woche noch gesagt, dass er aktuell noch nichts zu den Auswirkungen auf die Beschäftigten sagen könne. Dafür sei es zu früh, und man werde das in den kommenden Monaten beurteilen.
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