Gladbeck. Aktuell läuft wieder der Fahrrad-Klimatest, der ADFC ruft zur Teilnahme auf. Diese Orte in Gladbeck sind für Radler besonders gefährlich.

Unübersehbar erinnert die Stadt Oberhausen auf einer großen Werbetafel an der Mülheimer Straße am Schloss an den Fahrradklima-Test des ADFC. „Wie ist Radfahren bei Dir vor Ort?“ Es folgt „fahrradklima-test.de“, ein Fahrrad samt Herz verziert diesen Hinweis. Ziel: Möglichst viele Menschen erreichen, die mitmachen. Und in Gladbeck? Nichts, stellt Vera Bücker vom lokalen ADFC fest. Dabei sei eine große Beteiligung in Zeiten einer angestrebten Mobilitätswende so wichtig. Gerade jetzt, weil ein Projekt wie die Buersche Straße die Gemüter kräftig erhitzt. Die WAZ erklärt, was es mit der Umfrage auf sich hat.

Den Fahrradklima-Test führt der ADFC im zweijährigen Turnus durch, seit nunmehr elf Jahren. Die Noten, die die Teilnehmer für die Situation in Gladbeck bisher vergaben, würden Lehrkräfte wahrscheinlich mit „hat sich stets bemüht“ und einem „Genügend“ beurteilen. Darüber hinausgekommen sei die Stadt in den bisherigen Fahrrad-Klimatests nie. „Die Noten pendeln immer um die 4, darunter lagen wir noch nie“, stellt Vera Bücker fest. Und fügt mit Blick auf das Umfeld hinzu: „Die Nachbarstädte waren auch nicht besser.“

Seit Jahren dümpelt Gladbeck um die Note „4“

Dabei sollte man annehmen, dass die Kommunen im Laufe der Jahre vorankommen im Sinne des Radverkehrs. Schließlich sind die Kernthemen unverändert. Bücker: „Wir wollen doch zu einem anderen Miteinander im Straßenverkehr kommen.“ Die passionierte Radlerin führt aus: „Ein Ziel der Verkehrswende ist, den Autoverkehr zu reduzieren, nicht zu verbieten. Doch die Menschen sollen motiviert werden, den Öffentlichen Personennahverkehr zu nutzen, zu Fuß zu gehen oder aufs Fahrrad umzusteigen. Das heißt: Die Bedingungen für die einen erschweren und für die anderen erleichtern.“

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Klar, wer gemeint ist: Das Autofahren solle unattraktiver werden, Radeln ansprechender. Die Strecke zum Ziel ist lang, sehr lang: Also gehören zu den Fragen des Fahrrad-Klimatests seit jeher Standards wie „Sicherheit“. Hinzu kommt ein Zusatzblock mit vertiefenden Gesichtspunkten.

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Wenn‘s um das Thema „Sicherheit“ geht, kommt man wohl in Gladbeck um die Buersche Straße nicht herum. Der abgebrochene Verkehrsversuch, bei dem extra ein breiter Streifen für den Radverkehr eingerichtet war nebst einem deutlichen verschmälerten Bereich für motorisierte Fahrzeuge, weckt bei misstrauischen Menschen in Gladbeck den Verdacht: Wollen Stadtverwaltung und Projektgegner aus der Politik vollendete Tatsachen schaffen? Immerhin steht die Bewertung des Experiments in einer Studie noch aus.

Stadtsprecher David Hennig am Mittwoch, 26. Oktober 2022, in Gladbeck. Foto: Oliver Mengedoht / FUNKE Foto Services

„Der Verkehrsversuch wird wissenschaftlich begleitet durch die Uni Duisburg-Essen und wird dies auch weiterhin – nun aber unter geänderten Rahmenbedingungen“

David Hennig

„Der Verkehrsversuch wird wissenschaftlich begleitet durch die Uni Duisburg-Essen und wird dies auch weiterhin – nun aber unter geänderten Rahmenbedingungen. Die Auswertung ist also noch nicht abgeschlossen, da nun auch die Situation mit Mischverkehr einfließen wird“, informiert David Hennig auf Anfrage. Der Sprecher in der Stadtverwaltung Gladbeck: „Wir rechnen mit Ergebnissen frühestens im Frühjahr 2025.“

Der Verkehrsversuch auf der Buerschen Straße in Gladbeck wurde vorzeitig beendet: Nun gilt hier wieder Mischverkehr.
Der Verkehrsversuch auf der Buerschen Straße in Gladbeck wurde vorzeitig beendet: Nun gilt hier wieder Mischverkehr. © FUNKE Foto Services | Michael Korte

Stichwort „Mischverkehr“: Die Zurückverlegung des Radverkehrs auf die Straße mit Autos, Bussen und Motorrädern berge Gefahren, warnt Bücker. Denn: Der vorgeschriebene Abstand von 1,50 Meter innerorts zum Fahrrad beim Überholen – außerhalb einer Ortschaft sind sogar zwei Meter festgesetzt – könne nicht eingehalten werden. Und wer am Steuer zuckelt schon hinter einem Radler hinterher? Längst nicht alle. „Es ist unmöglich, legal zu überholen; nur wenige bleiben hinter den Fahrradfahrern“, stellt Bücker fest. Und das betrifft nach ihrer Aussage nicht nur die Buersche Straße.

Dr. Vera Bücker fährt am Donnerstag, 01. August 2024 in Gladbeck mit dem Fahrrad. Foto: Ingo Otto / FUNKE Foto Services

„Den ADFC erreichen auch Beschwerden, dass beispielsweise die Bülser Straße und die Arenbergstraße qualitativ schlechte Radwege haben“

Vera Bücker

Das Mit- und Nebeneinander habe früher besser geklappt, erzählt die ADFC-Sprecherin. „Die Autos waren schmaler, es gab noch keine größeren Lastenräder. Der Platz ist unmerklich immer mehr geschrumpft“, hat Bücker beobachtet. Und bei den gewachsenen Ausmaßen der Autos kommen wir auch zu einem Parkproblem, das beispielsweise auf der Buerschen Straße sogar routinierte Radler ins Schleudern bringt: das Dooring, abgeleitet vom englischen Begriff „Tür“. Autos waren in früheren Jahren nicht so breit wie heutzutage. Für die gängigen Dimensionen moderner Modelle sind damalige Parkstreifen nicht angelegt: „Mindestens 75 Zentimeter müssen für das Türöffnen zur Verfügung stehen.“ Steige ein Autofahrer für einen Radler unerwartet aus, könne letzterer vor die Tür prallen und sich verletzen.

Die Buersche Straße nach dem Ende des Verkehrsversuchs
Nach dem beendeten Verkehrsversuch auf der Bülser Straße in Gladbeck wurden wieder Parkplätze für Autofahrer ein gerichtet. © FUNKE Foto Services | Michael Korte

Nicht nur die Buersche Straße, „das Parade-Pferd“ zum Thema, sei „nichts für Ungeübte“, findet Vera Bücker. Sie berichtet: „Den ADFC erreichen auch Beschwerden, dass beispielsweise die Bülser Straße und die Arenbergstraße qualitativ schlechte Radwege haben. Früher durften Fahrradfahrer den Bürgersteig nutzen, jetzt müssen sie auf die Straße.“ Der Raum dort sei zu schmal. Fazit: „Der Radverkehr ist nun schlechter gestellt als vorher.“ Es gebe „noch nicht einmal eine Markierung“.

Den stark befahrenen Kreisverkehr an der Wilhelmstraße / Schützenstraße in Gladbeck sehen nicht nur ungeübte Radler als einen Gefahrenpunkt an.
Den stark befahrenen Kreisverkehr an der Wilhelmstraße / Schützenstraße in Gladbeck sehen nicht nur ungeübte Radler als einen Gefahrenpunkt an. © FUNKE Foto Services | Michael Korte

Unverändert risikoreich und daher unattraktiv für Velo-Nutzer: Kreisverkehre. Die ADFC-Expertin beschreibt beispielhaft die Situation am Riesener-Gymnasium an der Schützenstraße „Erst hat man dort einen Bordsteinradweg. Im Kreisverkehr wird man dann auf die Straße gelenkt, die Markierung hört auf.“ Wegen des hohen Verkehrsaufkommens im Kreisel „traut sich kein Radler, dort zu fahren“.

Welche positiven Veränderung gibt es in Gladbeck?

Aber ein Positiv-Beispiel für eine Verbesserung muss es doch geben, oder? Bücker überlegt und kommt zum Schluss: „Mir fällt nur wieder die Wiesmannstraße ein, kein neues Beispiel.“ Schlimmer noch: „Wir haben für den Radverkehr nicht einmal mehr Stillstand.“ Die Verantwortlichen haben nach Bückers Einschätzung sogar den Rückwärtsgang eingelegt.

Daher hofft die Spezialistin, dass möglichst viele sich am Fahrrad-Klimatest beteiligen. Jede Stimme zähle. „2022 haben knapp 300 Menschen mitgemacht. Es wäre schön, wenn wir diese Marke diesmal knacken könnten.“ Das Ergebnis sollte signalisieren: Gladbecker wollen die Mobilitätswende und aufs Fahrrad steigen. Nur: Die Bedingungen müssen stimmen.

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„Der Fahrrad-Klimatest des ADFC läuft bis zum 30. November“, so Vera Bücker. Mitmachen ist möglich über https://fahrradklima-test.adfc.de/