Gladbeck / Düsseldorf. Um zu verhindern, dass Wohnen zu teuer wird, empfiehlt das Land differenzierte Hebesätze für Wohnen und Gewerbe. So sähen die für Gladbeck aus.

Damit die Stadt Gladbeck ab 2025 bei der Grundsteuer genau so viel einnimmt, wie bisher, müsste sie den Hebesatz auf 1045 Punkte schrauben. Diese Zahl hat das Land nun veröffentlicht. Das Finanzministerium hat für alle Städte in NRW einen entsprechenden „aufkommensneutralen Hebesatz“ veröffentlicht. Das Ministerium sieht darin einen Anhaltspunkt für die Entscheiderinnen und Entscheider in den Rathäusern, „wenn sie die Grundsteuer insgesamt auf einem stabilen Niveau halten wollen“.

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Heißt im Klartext: Wollen die Städte die Einnahmen auf einem Niveau wie bisher halten, müssen sie an den Hebesatz ran. Denn der wird vor Ort vom Rat festgelegt. Gleichzeitig aber stellt auch das Finanzministerium noch einmal klar: „Das bedeutet nicht, dass die Höhe der zu zahlenden Grundsteuer für jeden Menschen und jedes Unternehmen gleich bleibt, wenn eine Kommune den ermittelten Hebesatz des Landes anwendet.“ Aufkommensneutralität für die Kommunen bedeute nicht im Umkehrschluss Belastungsneutralität für die Bürgerinnen und Bürger.

„Aufkommensneutralität für die Kommune bedeutet nicht Belastungsneutralität für die Bürgerinnen und Bürger. “

Mitteilung der Finanzverwaltung NRW

Tatsächlich tobt darüber ein Streit zwischen den Kommunen und dem Land. Denn mit der Reform werden Wohngrundstücke, insbesondere von Ein- und Zweifamilienhäusern, besonders stark belastet. Bereits Anfang Mai hatten Bürgermeisterin Bettina Weist und Kämmerin Silke Ehrbar-Wulfen erste Zahlen für Gladbeck vorgestellt. Demnach müssen Besitzer von Einfamilienhäusern in Gladbeck in Summe rund eine Million Euro mehr zahlen. Besitzer von Geschäftsgrundstücken zahlen dagegen rund 1,6 Millionen Euro weniger.

Grundsteuerreform reißt Millionenloch in Gladbecker Stadtkasse

Insgesamt tue sich nach der Reform im kommenden Jahr ein Loch in der Stadtkasse auf in Höhe von rund einer Million Euro, hieß es. Um das zu stopfen und die Einnahmen auf dem Niveau von 2024 – also aufkommensneutral zu halten – müsste die Stadt an den Hebesatz ran. Das jedoch würde die Kosten fürs Wohnen in Gladbeck noch einmal erhöhen. Denn nicht nur Eigenheimbesitzer, auch Mieter zahlen über ihre Nebenkosten diese Steuer. Bisher liegt der Hebesatz in Gladbeck bei 950 Punkten. Anfang 2023 war die entsprechende Erhöhung in Kraft getreten.

Schon im Mai hatten sich Bürgermeisterin und Kämmerin daher dafür ausgesprochen, den Hebesatz nicht zu erhöhen. Das wurde so dann auch im Haupt-, Finanz- und Digitalisierungsausschuss (HFDA) besprochen. Gleichzeitig verabschiedete der einen Appell ans Land, einzugreifen und den Anstieg der Kosten für Wohnimmobilien zu bremsen. Dafür solle das Land die Steuermesszahl, die für die Berechnung der Grundsteuer genutzt wird, anpassen.

Land will Städten unterschiedliche Hebesätze für Wohnen und Gewerbe ermöglichen

Das Land lehnt das ab, will den Kommunen aber ermöglichen, unterschiedliche Hebesätze für Wohn- und Geschäftsgrundstücke festzulegen. Ein entsprechender Gesetzesentwurf liege dem Landtag vor, heißt es seitens des Finanzministeriums. Das hat gleich unterschiedliche Hebesätze mitgeliefert, die in den Städten auch zu Aufkommensneutralität führten. Für Gladbeck empfiehlt das Land für Wohngrundstücke einen Hebesatz von 891, für Geschäftsgrundstücke 1650 Punkte.

Die Kommunen lehnen das bisher geschlossen ab. Sie sehen rechtliche Probleme auf sich zukommen. Außerdem, so Silke Ehrbar-Wulfen: „Ein solcher differenzierter Hebesatz würde am Ende von den Gewerbetreibenden wie eine zweite Gewerbesteuer gewertet werden, mit der wir in Konkurrenz zu den umliegenden Kommunen stehen“, sagt die Kämmerin. Am Ende, so die Befürchtung, würde Wohnen und Gewerbe in einer Stadt immer wieder gegeneinander ausgespielt.

Gladbecker Politik befasst sich am Montag im Hauptausschuss erneut mit der Grundsteuer

Die Stadtverwaltung hat für die Sitzung des HFDA am Montag einen Dringlichkeitsantrag vorbereitet, um das Thema aktuell in der Politik zu beraten. Inwieweit sich nun, da die unterschiedlichen Hebesätze tatsächlich im Raum stehen, noch eine Dynamik in der Politik entwickelt, vermöge sie nicht vorherzusagen, so Silke Ehrbar-Wulfen. Sprich, ob die Front gegen die unterschiedlichen Hebesätze nicht doch noch bröckelt. Die Festlegung der Hebesätze ist am Ende eine politische Entscheidung und obliegt dem Rat.

Die Verwaltung habe die Zahlen auch erst am Mittwoch erhalten. Aktuell prüfe man unter anderem, was differenzierte Hebesätze denn für Geschäftsgrundstücke bedeuten, so die Kämmerin. Die Frage dahinter: Würden die dann viel teuer oder aber lägen sie auf dem Niveau von 2024 und die Eigentümer spürten die Auswirkungen gar nicht so direkt?

Stadt Gladbeck schaut mit Skepsis auf die Zahlengrundlage der Landesrechnungen

Außerdem schaut die Kämmerei mit etwas Skepsis auf die Zahlen, die das Land als Grundlage seiner Berechnung genutzt hat. Demnach beziehe sich das Land auf eine Sonderauswertung der Daten aus dem Mai, so Silke Ehrbar-Wulfen. Die Stadt dagegen habe Ende Mai eine Auswertung bekommen, da schienen die Daten um einige Einsprüche und Unstimmigkeiten bereinigt gewesen zu sein, sagt die Kämmerin mit Blick auf exorbitante Ausreißer. Fälle wie der Eigenheimbesitzer, der statt 120 nun 17.000 Grundsteuer hätte zahlen sollten, seien damals schon nicht mehr vorgekommen. Das Land, so die Forderung aus Gladbeck, sollte auf Basis der aktualisierten Werte auch seine Berechnungen aktualisieren.

Gleichzeitig fehle den Städten eine vollständige Messbetragsliste. Die habe das Land für Ende Juni, Anfang Juli angekündigt. „Erst dann können wir als Stadt gesicherte Rechnungen anstellen“, so Silke Ehrbar-Wulfen. Bisher könne man immer nur mit vorläufigen Zahlen arbeiten.

Doch unabhängig davon, wie die Entscheidung letztlich ausfällt, im Kreis Recklinghausen bleibt Gladbeck bei den Empfehlungen des Landes mit seinen Hebesätzen Spitze, egal ob es der einheitliche Satz oder aber der differenzierte ist. Das habe man bereits überprüft, sagt die Kämmerin.

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