Essen. Das war das Jahr 2024 in Essen: AfD-Parteitag in der Grugahalle, Streit um die Rüttenscheider Straße und überall Abschiede.
15. Januar: 7.000 protestieren gegen die AfD in Rüttenscheid unter dem Motto „Nie wieder ist jetzt“. Ende 2023 war bekanntgeworden, dass bei einem Treffen in Potsdam, an dem neben vielen AfD-Vertreter auch zwei CDU-Politiker teilnahmen, über massenhafte „Remigration“ gesprochen wurde, also die Abschiebung von Menschen in ihre Heimatländer, wenn die AfD an die Regierung käme. Deutschlandweit formieren sich wütende Proteste gegen die Partei; eine der ersten und größten findet im Stadtteil Rüttenscheid statt. 7.000 kommen; es wird nicht die einzige Anti-AfD-Demo in Essen in diesem Jahr bleiben.
Am 1. März schließt die Kult-Diskothek „MuPa“ nach mehr als 25 Jahren. Das ehemalige Kino, das „Filmpalette“ hieß und für den Disco-Betrieb in „Musikpalette“ umgetauft wurde, zog Generationen von Nachtschwärmern an. Die Trauer hält nicht lange an: Sechs Wochen später öffnet die „MuPa“ neu mit einem neuen Betreiber.
30. März: In der Kletterhalle „Neoliet“ stürzt ein 45-Jähriger ab und stirbt. Der Mann galt als erfahrener Kletterer. Nach allem, was man heute weiß, hatte er die Sicherungsanlagen offenbar bewusst nicht benutzt. Die Polizei kann weder ein Fremdverschulden noch einen technischen Defekt ausmachen.
23. Mai: Die Essener SPD nominiert auf ihrem Parteitag einstimmig die Gesamtschul-Lehrerin Julia Klewin zur OB-Kandidatin. Sie tritt im Herbst 2025 gegen den amtierenden Oberbürgermeister Thomas Kufen an. Kufen ist im nächsten Jahr bereits seit zehn Jahren Essens Oberbürgermeister und stellt sich das dritte Mal zur Wahl.
14. Juni: Schlechte Nachricht für das Essener Nachtleben – es wird bekannt, dass Kult-Sänger und „Schlagergott“ René Pascal nie wieder in seiner Kneipe „Drehscheibe“ singen wird. Das Lokal wird für immer geschlossen bleiben. Aus Krankheitsgründen hatte der Sänger im Februar seinen Ausstieg angekündigt, doch ein Nachfolger-Team wollte die „Drehscheibe“ wieder auferstehen lassen. Dazu kommt es nicht.
29. und 30. Juni: Die AfD hält ihren Bundesparteitag in der Grugahalle ab. Die Stadt hatte bis zuletzt versucht, den Parteitag mit juristischen Mitteln zu verhindern – ohne Erfolg. Am Parteitags-Wochenende ist die Stadt, vor allem der Großraum Rüttenscheid, in einem Ausnahmezustand, weitgehend blockiert von der Polizei, und ab Freitagabend gibt es eine Reihe von Gegen-Demos, zu denen Zehntausende kommen. Aus ganz Deutschland reisen Demonstranten an. Die Polizei zählt am Ende 143 Anzeigen wegen Ausschreitungen. Trotz einer phasenweise hitzigen Stimmung, Blockaden und aggressiven Aktionen einzelner Demonstranten bleibt das Wochenende insgesamt friedlich; die Stadt versinkt nicht, wie vorher vielfach befürchtet, im Krawall.
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2. Juli: Im Uni-Klinikum gibt es viel Getuschel auf den Fluren: Der ehemalige Kaufmännische Direktor, der bis 2011 die finanziellen Geschicke des Uniklinikums leitete, ist in Wahrheit lediglich ein Elektroanlagen-Installateur, hat überhaupt keinen kaufmännischen, akademischen Abschluss. Das kommt jetzt heraus, weil der Mann mit einem seiner späteren Arbeitgeber einen juristischen Streit ausficht. In die Amtszeit des ehemaligen Kaufmännischen Direktors fielen so gewichtige Entscheidungen wie der Anstoß für das Westdeutsche Protonenzentrum, das bis heute Verluste einfährt.
29. Juli: Auf dem Uni-Gelände endet eine 30-jährige Tradition: Der Trödelmarkt am Reckhammerweg ist Geschichte. Auf dem Trödelmarkt werden auch viel frisches Obst, Gemüse und Brot verkauft; für manche Anwohner des Viertels ist das Ende des Marktes ein herber Verlust.
1. August: Die Tribüne am Regattaturm am Baldeneysee wird abgerissen. Das gesamte Gelände soll neu gestaltet werden. Bis die neue Tribüne steht, werden wohl zwei Jahre vergehen.
22. August: Karstadt im Limbecker Platz schließt endgültig und für immer. Der Warenhauskonzern hatte mehrere Insolvenzen durchstanden, doch jetzt gibt es keine Rettung mehr. 110 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind betroffen; die Hälfte von ihnen erhält Angebote von verbliebenen Karstadt-Häusern in NRW. An den letzten Tagen werden die letzten Artikel nochmal reduziert; selbst Schaufensterpuppen und Laden-Interieur werden verkauft. Viele Bürgerinnen und Bürger nehmen mit einem letzten Besuch traurig Abschied.
20. September: Mitglieder einer arabischen Großfamilie attackieren Ärzte und Pfleger im Elisabeth-Krankenhaus. Der Vorfall löst große Betroffenheit und Wut aus; auch Oberbürgermeister Thomas Kufen schaltet sich ein. Die aggressiven Angehörigen hatten die Angestellten des Krankenhauses mit Schlägen und Tritten massiv attackiert, nachdem ein Familienmitglied (80) trotz intensiver Reanimations-Versuche gestorben war. Der türkisch-libanesische Familienclan war schon vorher polizeibekannt.
29. September: In Altenessen und Katernberg verbreitet ein 41-Jähriger Angst und Schrecken. Er legt Feuer in zwei Häusern, manche Bewohner können sich nur mit lebensgefährlichen Aktionen aus den Fenstern retten. Das Bild einer Familie macht die Runde, die ihre kleine Tochter an der Fassade herablässt. Der Mann, offenbar mit einer Machete bewaffnet, fährt seinen Lieferwagen auch in die Fassade eines Gemüsegeschäftes in Katernberg, im selben Stadtteil will er noch ein anderes Geschäft zerstören. Am Ende kommt es zu einer filmreifen Verhaftungs-Szene in einem Hinterhof. Der Mann hatte offenbar die Trennung von seiner Frau nicht verkraftet. Er sitzt bis jetzt, Stand Mitte Dezember, in Untersuchungshaft. Die Familien, die wegen der Brände aus ihren Wohnungen flüchten mussten, konnten bislang nicht zurück und leben teilweise unter schwierigsten Bedingungen bei Verwandten oder Freunden.
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18. Oktober: Die Stadt Essen führt auf der Rüttenscheider Straße die lange angekündigten Abbiegezwänge ein. So kann man zum Beispiel mit dem Auto nicht mehr am Rüttenscheider Stern weiter in Richtung Süden fahren, sondern muss entweder nach links in die Klara- oder nach rechts in die Zweigertstraße abbiegen. Die Maßnahmen sollen Autos von der Rüttenscheider Straße verdrängen, die seit dem Jahr 2020 als Fahrradstraße ausgewiesen ist.
Die Kritik ist groß, die Zahl der Ordnungswidrigkeiten in den ersten Tagen hoch; und vor Gericht verliert die Stadt einen Prozess gegen die Firma ifm, die im Glückaufhaus am Anfang der Rüttenscheider Straße sitzt. Die rote Markierung auf der Huyssenallee, die dort das Geradeausfahren verhindern soll, muss wieder entfernt werden.
Außerdem im Oktober: Rot-Weiss Essens Kult-Fan „Glockenhorst“ stirbt nach einem bewegten Leben mit 74 Jahren. Die Fans sammeln sage und schreibe 20.000 Euro für das Begräbnis.
17. November: Sternekoch Nelson Müller verlässt Essen. Sein Restaurant „Schote“ gibt er auf und startet in Bergisch Gladbach ein Hotel. Was in Essen bleibt, ist das „Müllers an der Rü“.
2. Dezember: Ruhrbahn-Chef Michael Feller muss vorzeitig gehen. Obwohl er einen Vertrag bis Dezember 2025 hat, soll im März 2025 Schluss sein. Die Ruhrbahn betont, es sei ein Abschied in beiderseitigem Einvernehmen; Feller habe sehr gute Arbeit geleistet, und man scheide nicht im Streit.
9. Dezember: Rot-Weiss Essen trennt sich nach einer sportlich schlechten Hinrunde von Trainer Christoph Dabrowski. RWE steht gegen Ende des Jahres auf einem Abstiegsplatz, konnte bislang bei weitem nicht an die erfolgreiche und mitreißende Vor-Saison anknüpfen.
12. Dezember: Die Leuchtschrift „Die Folkwangstadt“ wird vom Dach des Handelshofs am Tor zur Innenstadt abmontiert. Es verbleibt nur das Wort „ESSEN“, eingerahmt von zwei Stadtwappen. Die „Folkwangstadt“ war im März 2022 installiert worden, anlässlich des 100. Geburtstages des Museums. Auf einen neuen Slogan konnte man sich nicht einigen; bei einer Bürgerbefragung fielen alle Vorschläge durch. „Die Einkaufsstadt“ hatte von 1950 bis 2022 auf dem Dach des Handelshofs gestanden. Wenige Tage später erregt eine Guerilla-Aktion einiges Aufsehen: Unbekannte hängen an den frei gewordenen Platz auf dem Dach des Handelshof das Banner „Diese / Ja watt denn“ auf. Die populäre Instagram-Seite „Essen diese“ hatte sich von Anfang an stark in die Handelshof-Diskussion eingemischt; es gab ernst gemeinte Petitionen für den Schriftzug „Essen diese“ auf dem Dach.
13. Dezember: Zum Jahresende gibt es erneut Diskussionen um den Gründungsbischof des Ruhrbistums, Kardinal Hengsbach (1910 - 1991): Nachdem im Jahr 2023 Missbrauchsvorwürfe laut wurden, teilt jetzt das Bistum mit, dass es seit geraumer Zeit beim Bistum ernstzunehmende Anfragen eines Mannes gibt, der behauptet, er sei der geheime Sohn des Kardinals. Das Bistum erwägt jetzt, die Gruft am Dom zu öffnen, um die Sache eindeutig mit einem Test zu klären.
Essen Innenstadt: Wer sich 2024 verabschiedete, wer neu kam
Innenstadt: 2024 war kein sonderlich gutes Jahr für die Innenstadt: Anfang Oktober wird bekannt, dass Modehändler Peek & Cloppenburg sein angestammtes Domizil auf der Kettwiger Straße verlässt und einen Teil der Verkaufsfläche von Karstadt im Limbecker Platz übernimmt. Außerdem verabschieden sich in der Innenstadt weitere Traditionsgeschäfte für immer: Im Sommer sorgt die Nachricht für Betroffenheit, dass der Lederwarenhändler Brecklinghaus am Pferdemarkt (Ende Viehofer Straße) für immer schließt; auch Leuchten Kaiser an der Viehofer Straße hört auf. In der nördlichen Innenstadt schließt der US-Shop, ein Jeans-Geschäft, nach 70 Jahren, die Betreiber ziehen sich aus Altersgründen zurück.
Lange Schlangen gibt es dagegen bei diesen Neu-Eröffnungen: Im Limbecker Platz startet im September der chinesische Lifestyle-Laden „Miniso“; die Schlange am ersten Tag ist mehrere hundert Meter lang. Es ist das erste „Miniso“-Geschäft in Deutschland. Bereits im April hatte die Eröffnung des dänischen Deko-Händlers „Geschwister Greene“ für großes Echo im Limbecker Platz gesorgt. In der Rathaus Galerie eröffnen im Oktober „Woolworth“ und „Rewe“ große Filialen. Das soll, gemeinsam mit dem neuen Geschäft „Rusta“, das im November 2023 Einzug hielt, die Wende in der Rathaus Galerie bringen, die seit Jahren massiv durch Leerstand geschwächt wird.
Evakuierungen, Straßensperrungen: Acht Blindgänger-Funde im Jahr 2024
Bomben: Auch 2024 war in Essen das Jahr der Bombenfunde. Zuletzt mussten im November Teile Rüttenscheids evakuiert werden, als auf der Wittekindstraße ein Blindgänger bei Bauarbeiten gefunden wurde. Die aufwändigste Bombenentschärfung gab es Ende Februar: Da fand man einen Blindgänger an der Hollestraße am Ibis-Hotel, dort wird eine neue Straßenbahnstrecke („Citybahn“) gebaut. Für die Entschärfung mussten Teile des Stadtzentrums, sämtliche Bahnlinien und die A40 in Essen-Mitte gesperrt werden. Insgesamt gab es in diesem Jahr acht Bombenfunde. Die meisten davon gab es auf dem Baugelände an der Erbslöhstraße in Altenessen-Süd, wo eine neue Gesamtschule errichtet werden soll.