Duisburg. 79 Jahre nach der Einschulung an der Marktschule in Hochheide haben sich Mitschüler getroffen. Erinnerungen an die schöne Schulzeit – aber auch an Prügel.

Gemütlicher Kaffeeduft wabert durch den Awo-Treff an der Ehrenstraße in Duisburg, in dem gerade angeregt erzählt und diskutiert wird. Immerhin elf von insgesamt 49 ehemaligen i-Dötzchen sind nach Hochheide zum Klassentreffen gekommen, 79 Jahre nach der Einschulung. Sie erinnern sich lebhaft an ihre Zeit an der Marktschule und an ihre Lehrer Herrn Reinecke, Herrn Lambrecht oder Frau Theisen.

Auch, wenn die Grundschule inzwischen abgerissen ist (heute steht dort ein Ärztehaus), so sind die Erinnerungen doch höchst lebendig. Es war ja auch eine besondere Situation, so direkt nach Ende des Zweiten Weltkrieges. 1946 wurden zwei Jahrgänge zusammen eingeschult. Die Klasse ist Jahrgang 1939 und hätte eigentlich schon ein Jahr früher in den Unterricht gemusst. Aber die Wirren des Kriegsendes haben den kleinen Hochheiderinnen und Hochheidern noch eine Schonfrist gewährt.

Eingeschult 1946 an der Hochheider Marktschule: Nach 79 Jahren treffen sich die Mitschüler wieder

„Wir waren jetzt nicht besonders stolz drauf, zur Schule gehen und lernen zu dürfen. Das gehörte einfach dazu, Krieg hin oder her“, sagt Günter Hribar und erinnert sich zurück: „Bei uns war Schule von acht bis eins, und Unterrichtsausfälle, so wie heute, gab es nicht. Es waren genügend ausgebildete Lehrer da und mittags gab es Schulessen. Es gab genügend Lehrmaterialien und frieren musste auch keiner.“

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„Wir haben in der Schulzeit viel solides Grundwissen und Disziplin und Ordnung vermittelt bekommen“, ergänzt Irmgard Krüppel. Gab es denn früher auch schon Mobbing oder Ausgrenzung? Die Klassenkameraden schauen sich verwirrt an und verneinen unisono. „Wir haben uns natürlich mal gestritten, aber das war nach kurzer Zeit vergeben und vergessen. Wir hatten doch alle nichts und mussten zusammenhalten“, bringt Hubert Honnef die Sache auf den Punkt.

Prügelstrafen trüben die schönen Erinnerungen an die Schulzeit

Auch ohne Mobbing war in der Schulzeit aber nicht alles besser als heute. Es gab Prügelstrafen. Davon haben an der Marktschule ein paar Lehrer ausgiebig Gebrauch gemacht. Auch daran erinnern sich die Mitschülerinnen und Mitschüler beim Klassentreffen, und der Ton wird hier deutlich ernster.

„Ein Lehrer ist von vorne nach hinten durch die Reihe gegangen und hat jeden gefragt, ob er es war, der unaufgefordert geredet hat. Wenn sich keiner bekannt hat, dann bekam der Letzte in der Reihe automatisch die Ohrfeige“, erinnert sich Ferdi Berger und zeigt ein schmerzverzerrtes Gesicht.

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Geschlagen wurden sowohl Jungen als auch Mädchen, in diesem Punkt war die Gleichberechtigung schon weit vorangeschritten. An einen besonders schmerzhaften Schlag erinnert sich Gisela Deiwix: „Ich kam zu spät. Ohne nach dem Grund zu fragen, hat der Direktor mir auf dem Schulhof eine schallende Ohrfeige verpasst.“ Was der prügelnde Pädagoge nicht gesehen hatte: Das junge Mädchen hatte pünktlich zur Einschulung Ohrlöcher gestochen bekommen und eines war heftig entzündet. Genau dort traf der Direktor mit seiner Ohrfeige, was Höllenschmerzen verursachte und viel Blut und Sekret hervorbrachte.

Geschlagene Grundschülerin bekommt nach Jahrzehnten eine mehrfache Entschuldigung

„Ich hab den Mann 20 Jahre später mit seiner Frau im Park getroffen und bin zu ihm hin und habe ihm gesagt, dass ich ihm das nie vergessen werde, was er mir damals angetan hat“, erzählt Gisela Deiwix mit ernstem Gesicht. „Ich war damals erwachsen, hatte schon Kinder, aber so etwas vergisst man nicht.“ Zumindest war die Reaktion des pensionierten Schulleiters bei diesem überraschenden Wiedersehen mehr als einsichtig. „Er war komplett erschüttert und hat sich mehrfach entschuldigt“, berichtet die Hochheiderin. Ansichten und Verhaltensweisen können sich also mit der Zeit ändern.

Die einstige Klassengemeinschaft jedenfalls erinnerte sich jetzt größtenteils immer noch gerne an ihre Grundschulzeit und hatte sich Vieles aus der frühen Nachkriegszeit zu erzählen. Die ehemaligen Mitschülerinnen und Mitschüler hoffen, dass es im kommenden Jahr ein neues Klassentreffen gibt – möglichst in voller verbliebener Gruppenstärke. Schließlich sind es dann schon stolze 80 Jahre, seit sie alle an der früheren Marktschule eingeschult wurden.