Dortmund. Was Berlin entscheidet, muss Dortmund umsetzen: Vor der Bundestagswahl haben wir Oberbürgermeister Westphal gefragt, was die Stadt am dringlichsten braucht.
Wie wirkt sich das, was in Berlin entschieden wird, in Dortmund konkret aus? Und was wünscht sich der Oberbürgermeister von der nächsten Bundesregierung? Thomas Westphal (SPD) spricht darüber im Interview und erklärt, warum er den Streit um die Schuldenbremse für besonders zukunftsweisend hält.
Welche bundespolitischen Themen haben Sie in den letzten Jahren besonders intensiv verfolgt?
Im Grunde sind fast alle bundespolitischen Maßnahmen kommunale Realität. Das fängt mit Sozialgesetzgebung an, mit Asyl- und Ausländerrecht, das wir vor Ort umsetzen müssen. Große Auswirkungen hat Gesetzgebung, die einen Rechtsanspruch schafft – zum Beispiel auf Kita- oder Ganztagsplätze. Der Bürger klagt das ja am Ende nicht bei der Bundesregierung ein, sondern bei der Kommune.
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Die Ganztagsbetreuung in der Schule ist ein Thema, das uns ganz besonders beschäftigt. Weder Bund noch Land haben dazu eine Idee entwickelt, zusätzliche finanzielle Mittel stellen sie auch nicht zur Verfügung. Und das Thema ist für Familien ein ganz relevantes, elementar für den Alltag und auch für die Bildungserfolge von Kindern.
Dortmunds OB Westphal hat „eine zentrale Frage“ an die neue Regierung
Wie spürt die Stadt Dortmund, dass es für 2025 noch keinen Bundeshaushalt gibt?
Am meisten spüren wir das im Bereich des Jobcenters. Das ist ja eine gemeinsame Behörde, die wir uns mit der Bundesagentur für Arbeit teilen. Dadurch ist sie abhängig vom Bundeshaushalt. Die Frage nach dem Budget für das nächste Jahr, also wie viele arbeitsmarktpolitische Maßnahmen hier gemacht werden, hängt jetzt im Schacht. Auch Maßnahmen zur Integration von Menschen aus anderen Ländern, die wir mit diesen Mitteln machen, stecken fest.
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Was muss im Interesse Dortmunds in der nächsten Legislaturperiode angegangen und verändert werden?
Zentral ist die Frage der finanziellen Ausstattung der Kommunen. Ich habe schon das Beispiel Ganztag genannt, aber das geht noch weiter. Wie werden die Kommunen ausgestattet, um Integrationsleistungen zu bringen, Menschen in den Arbeitsmarkt zu bringen? Bei der öffentlichen Infrastruktur fahren wir völlig auf Verschleiß: Straßen, Schulen, Kindergärten, Wohnungen, ÖPNV oder auch Glasfaser – da fehlt es an allen Ecken und Enden an finanzieller Unterstützung. Das ist meine zentrale Frage an die neue Regierung, wie wir das alles finanzieren wollen.
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Die Frage nach der Schuldenbremse ist aus meiner Sicht eine Luxusdiskussion. Deutschland ist mit einem Verschuldungsgrad von 60 Prozent des Bruttoinlandsprodukts ganz weit vorne beim Sparen, aber ganz weit hinten bei der Infrastruktur für Kinder. Das muss sich komplett umdrehen.
Dortmund will Bürokratie auf eigene Faust bekämpfen
Das wird je nach Regierungs-Konstellation mit großer Wahrscheinlichkeit ein Streitthema bleiben...
Aber der Streit lohnt sich. Wir müssen uns klarmachen, worum da gestritten wird. Das klingt so technisch: „Bundesfinanzen, was interessiert mich das?“ Aber das sind so zentrale Fragen: Haben wir Geld dafür, dass der Bus pünktlich kommt? Dass es Schulen gibt, in die ich meine Kinder schicken kann, mit vernünftigen Toiletten? Diese ganz alltäglichen Fragen entscheiden sich in Berlin anhand der Schuldenbremse.
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Die Investitionsbereitschaft ist auch im privaten Bereich gering. Was muss passieren, damit sich das ändert?
Fehlende öffentliche Investitionen bedeuten auch fehlende private Investitionen – das bedingt sich einander. Natürlich müssen Unternehmen das Geld erstmal verdienen. Aber wir kennen das in Dortmund nur zu gut: Überall dort, wo wir erstmal öffentlich investieren, kommen private Investitionen automatisch hinterher. Und da sind wir dann schon wieder bei der Diskussion um die Schuldenbremse.
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Die Ampel-Koalition hatte sich den Bürokratieabbau auf die Fahnen geschrieben. Wie ist der Eindruck im Dortmunder Rathaus: Wo stehen wir da?
Wir laufen im Hamsterrad und kommen keinen Millimeter voran. Ich persönlich glaube auch nicht, dass es funktioniert, wenn man sich das Thema von oben herab vornimmt. Wir verfolgen in Dortmund einen anderen Weg und wollen Modellregion für Bürokratieabbau werden. Dann schaffen wir für einen Zeitraum von drei Jahren Regelwerke ab und schauen mal, wie es funktioniert. Man könnte über diesen Zeitraum mal konkret nachweisen, welche Effekte es gibt, und daraus lernen. Ich glaube auch, dass dann Investitionen schneller erfolgen, gerade im Bauwesen mit den überbordenden Regelwerken, die alles nur teurer und komplizierter machen. Alles andere geht immer im Räderwerk zwischen Parlament und Verwaltung hin und her und nichts ändert sich.
Im Austausch mit den Dortmunder Bundestagsabgeordneten
Nach der Reform des Wahlrechts und je nach Ausgang der Wahl könnte Dortmund künftig weniger Bundestagsabgeordnete haben. Wäre das aus Ihrer Sicht ein Problem?
Das würde ich nicht rein an der Zahl festmachen. Aber ich freue mich natürlich über Abgeordnete, die sich mit allem, was sie tun, für Dortmund einsetzen – und nicht für eigene parteipolitische Ideen, wie das vielleicht der eine oder andere tut.
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Wie oft tauschen Sie sich mit den Dortmunder Abgeordneten aus?
Regelmäßig mit allen Parteien, die sich für das demokratische Spektrum auch wirklich interessieren und dafür arbeiten. Gerade in der Arbeitsmarktpolitik. Die berichten, was gerade in Berlin diskutiert wird. Wir sagen, wie wir das sehen. Wenn die Berliner hören, wie es auf der lokalen Ebene tatsächlich funktioniert, ist das für alle gut.