Dortmund. Politisches Engagement erfordert Opfer. Zwei Dortmunderinnen schwärmen dennoch von dieser Arbeit. Was sie in der Politik gesucht und gefunden haben.

Für CDU-Kandidaten ist es kein normaler Wahlkampfmorgen, Anfang Februar in Dortmund-Lütgendortmund. Die Brandmauer-Diskussion ist auf dem Höhepunkt, die umstrittene Abstimmung im Bundestag erst wenige Tage her. Aufgeregt sei sie deshalb nicht, sagt Sarah Beckhoff: „Ist doch spannend, man hat mit den Leuten was zu reden.“ Trotz ihres jungen Alters ist Straßenwahlkampf für sie Routine: Schon ihr halbes Leben lang engagiert sich die 30-Jährige in der Politik, opfert dafür einen Großteil ihrer Freizeit.

Und die Routine ist ihr anzumerken. Selbstbewusst spricht sie Passanten an, drückt ihnen Flyer in die Hand. Am CDU-Stand im äußersten Dortmunder Westen gibt es vor allem Zustimmung für das Vorgehen von Friedrich Merz. „SPD und Grüne wollen nichts ändern“, sagt Beckhoff zu den Menschen. Auf Widerspruch reagiert sie freundlich. Wird die Diskussion lauter, lächelt sie das weg.

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Niemand interessierte sich für Politik: Junge Dortmunderin ging zur Jungen Union

Schon mit 14 Jahren trat Beckhoff der Jungen Union (JU) bei. „Wir hatten damals sehr unpolitische Zeiten. Es war zwar die Finanzkrise, aber das hat in meinem Alter niemanden interessiert.“ In der JU habe sie den Austausch mit Gleichgesinnten gesucht – ganz ergebnisoffen: „Ich wollte einfach diskutieren und gucken, was man im bürgerlich-konservativen Spektrum überhaupt so machen kann.“ 16 Jahre später ist ihr Gesicht auf Wahlplakaten zu sehen, und das nicht zum ersten Mal.

Wahlkampf in Dortmund.
Der Straßenwahlkampf ist für sie Routine: Die Dortmunder CDU-Kandidatin Sarah Beckhoff im Gespräch mit einer Passantin. © FUNKE Foto Services | Ralf Rottmann

Fast zeitgleich steht Hannah Rosenbaum vor Netto in Lanstrop. Die 36-Jährige kandidiert für die Grünen – bisher ist sie Bezirksbürgermeisterin für die Innenstadt-Nord. Rosenbaum steht nicht nur für ein anderes politisches Spektrum als Beckhoff. Auch ihr Weg in die Politik war ein anderer: ein fließender Übergang vom Studium in den Stadtrat. Das Interesse sei zwar schon vorher dagewesen, aber erst an der Uni sei sie richtig aktiv geworden, unter anderem im AStA, aber auch auf Bundesebene: „Das fing mit den Protesten wegen der Studiengebühren an.“

Auf dem Discounter-Parkplatz herrscht geschäftige Eile. Zielstrebig erledigen die Menschen ihren Wochenend-Einkauf, den Stand der Grünen nehmen nur wenige wahr. Der hohe Dortmunder Norden an der Grenze zu Lünen ist nicht gerade Stammland der Partei. „Aber wir sehen jedes Gespräch als Chance“, sagt Hannah Rosenbaum, während sie direkt vor dem Ladeneingang lächelnd Flyer verteilt. „Wenn jemand diskutieren will oder eine andere Meinung hat, dann ist das völlig ok!“

Start in der Partei: Jedes Neu-Mitglied kann einbringen, was und wie viel es möchte

Doch es bleibt ruhig, nur ein paar mal fallen im Vorbeigehen Bemerkungen wie: „In den letzten drei Jahren habt ihr alles kaputt gemacht!“ Rosenbaum kopfschüttelnd: „Schon erstaunlich, was man in drei Jahren angeblich alles schaffen kann.“ Aber mit solcher Kritik müsse man klarkommen. „Man darf das nicht an sich ranlassen“, sagt sie. „Hauptsache, wir bleiben freundlich. Dann gehen die Menschen mit einem positiven Gefühl weg – und das ist schon viel wert.“

Wahlkampf in Dortmund.
Hannah Rosenbaum, die für die Grünen kandidiert, engagiert sich seit dem Studium politisch. © FUNKE Foto Services | Ralf Rottmann

Die Grünen sind für Hannah Rosenbaum nicht nur politische Heimat, sondern auch Arbeitgeber – sie ist Geschäftsführerin der Ratsfraktion in Hagen. Ein Parteibuch hat sie erst seit 2019, nur zwei Jahre später wurde sie Bezirksbürgermeisterin. „Ich wollte direkt anschließen an das, was ich im Studium gemacht habe. Und wo geht das besser als in der Lokalpolitik?“ Dort so schnell Fuß gefasst zu haben sei ein „Glücksgriff, ein echtes Privileg“.

Auch bei Sarah Beckhoff war das nicht von vornherein abzusehen. „Ich wollte gar nicht großartig was werden in der Politik und habe erst mal vier, fünf Jahre lang einfach so mitgemacht, ohne besonderen Ämter.“ Seminare organisieren, Mitteilungen schreiben, Flyer verteilen – jedes neue Partei-Mitglied kann das einbringen, was es kann und möchte: „Jeder bringt ja Kenntnisse und Fähigkeiten mit“, so Beckhoff.

20 Stunden pro Woche für die Politik: Familie zeigt Verständnis, hat aber auch Sorgen

Anders als Rosenbaum hat sie einen Beruf außerhalb der Politik. Der Wahlkampf ist eine Ausnahme-Zeit, für die Beckhoff Urlaub genommen hat. Doch auch sonst umfasse ihr Engagement gut und gerne 20 Stunden pro Woche. Die junge Christdemokratin hat sich vieler Aufgaben angenommen, etwa im Bundesvorstand der Jungen Union. Schon morgens vor der Arbeit führt sie Telefonate, nach Feierabend geht es weiter. „Und die Wochenenden sind meistens komplett weg.“

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Sarah Beckhoff betont aber auch: „Es muss ja niemand wie ich 120 Prozent geben.“ Sie zeigt auf zwei junge Männer am CDU-Stand: „Die beiden fahren gleich nach Hause. Sie helfen hier morgens mit und gehen am Nachmittag zum BVB. Jeder soll für sich selbst entscheiden, welches Maß okay ist.“ Und schließlich bedeute die politische Arbeit ja nicht nur Schweiß und Tränen, sondern auch Geselligkeit.

Ihre Freunde außerhalb der Politik wissen, dass sie viel um die Ohren hat: „Das ist dann halt so, dass man sich mal länger nicht sieht.“ Auch die Familie zeige Verständnis, mache sich hin und wieder aber Sorgen: „Die befürchten, ich könnte mich übernehmen. Meine Eltern finden das schon ziemlich irre, dass ich nachts durch halb Deutschland fahre, um am nächsten Tag bei einer Veranstaltung zu sein.“

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Ähnlich viel Zeit investiert Hannah Rosenbaum ins Ehrenamt. Als Bezirksbürgermeisterin hat sie nicht nur operative, sondern auch repräsentative Aufgaben. Das können zusammen mit ihrem Alltags-Job gut und gerne 60-Stunden-Wochen sein. „Passt doch, oder?“, fragt sie ihren Lebensgefährten, der neben ihr am Wahlkampfstand steht. „Kommt hin“, lautet die Antwort. Klar sei das manchmal stressig, sagt die junge Grüne. „Aber das kriegt man alles hin, mit gutem Zeitmanagement und einem straff organisierten Kalender.“

Aller Opfer zum Trotz schwärmt auch Hannah Rosenbaum regelrecht vom politischen Engagement, das sie „wahnsinnig zufrieden“ mache: „Man lernt tolle Menschen kennen und kann Projekte umsetzen, Dinge verändern, die man schon immer verändern wollte.“