Dortmund. Sollte die AfD zu Diskussionsrunden eingeladen werden? Nein, sagen Dortmunder Schüler. Ja, sagt jedoch die Schulleitung. So geht es nun weiter.
Fünf Tage vor der Bundestagswahl kommt im Dortmunder Nordosten eine große Runde zusammen. Politiker von neun Parteien wollen diskutieren und junge Menschen für sich gewinnen. Nicht dabei: Der AfD-Kandidat Matthias Helferich. Ihn haben die Schülerinnen und Schüler der Gesamtschule Scharnhorst nicht eingeladen. Die Podiumsdiskussion wurde deshalb durch die Schulleitung abgesagt – und muss nun an einem Ort außerhalb der Schule stattfinden.
Er freue sich über das Interesse und Engagement der Jugendlichen, betont Schulleiter Nadim Al-Madani: „Ich war von der Idee total begeistert.“ Diese Idee der Unesco-AG sah vor, Politiker aus Dortmund für eine Gesprächsrunde zusammenzubringen, ihnen Fragen zu stellen, die von den Schülern im Vorfeld selbst erarbeitet wurden. Die AfD jedoch sollte außenvor bleiben – und dort sieht Al-Madani dann doch ein Problem.
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Dortmunder Schüler über AfD-Mann Helferich: „Wollen so einen Menschen nicht bei uns haben“
Für Robin Stahl (18) und Ales Kheder (16) ist die Teilnahme der Partei undenkbar, insbesondere ihres Kandidaten im Wahlkreis Dortmund II, zu dem auch Scharnhorst gehört. Über Matthias Helferich, der immer wieder durch rassistische Provokationen auffällt, bereits den Nationalsozialismus verharmloste und selbst Parteifreunden zu radikal ist, sagen die Jugendlichen: „Wir wollen so einen Menschen nicht bei uns haben.“ Sogar die Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands (MLPD) haben sie eingeladen. Auch darüber sei in der AG diskutiert worden, sagt Robin Stahl: „Aber die MLPD ist im Gegensatz zur AfD nicht menschenverachtend.“
Der Schulleiter habe sich zu der Absage gezwungen gesehen, sagt Nadim Al-Madani selbst: „Ich muss den Schulfrieden wahren.“ In böser Erinnerung hat er einen Vorfall, der vor rund anderthalb Jahren einen Shitstorm nach sich zog. Zum Schulfest war ein Imam eingeladen und sprach in der Aula ein Gebet. Ein Video davon landete im Internet, rechte Accounts schlachteten die Szene aus: Christliche Kinder würden gezwungen, einem islamischen Gebet beizuwohnen. Dabei waren auch die Kirchen an dem Fest beteiligt – im Video war ein evangelischer Pfarrer sogar deutlich zu erkennen.
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Dass sich etwas ähnliches nochmal ereignet, davor wolle er seine Schule schützen, sagt Nadim Al-Madani. Die Entscheidung habe er sich nicht leicht gemacht, sich auch mit Kollegen beraten. Am Ende sei für ihn aber klar gewesen: Findet die Veranstaltung statt, kommt man um die AfD nicht herum. „Es gilt der Grundsatz der Überparteilichkeit. Ich kann zu der Partei stehen, wie ich will – aber sie ist nicht verboten und hat bei den letzten Wahlen auch hier im Stadtteil viele Stimmen erhalten.“
Politik-Diskussion findet nun woanders statt – ohne Matthias Helferich
Dabei sagt der Schulleiter selbst, dass es ihn innerlich zerrissen habe. Auch er weiß um die verbalen Entgleisungen Helferichs, gegen den in der AfD ein Parteiausschlussverfahren läuft. Muss man so jemanden wirklich einladen? Nadim Al-Madani findet: „Wir müssen das aushalten. Ich erwarte dann von den anderen Kandidaten, dass sie ihn entlarven.“
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Die Schüler haben nun eine Lösung gefunden, die Diskussionsrunde doch noch stattfinden stattfinden zu lassen. Kerstin Lederbogen von der evangelischen Jugendeinrichtung Schalom OT bot ihre Hilfe an: „Ich finde es schade, dass sich die Schulleitung einschüchtern lässt.“ Umso mehr freue sie sich, dass die Jugendlichen Haltung beweisen wollen. In der Einrichtung selbst ist am 18. Februar zwar kein Raum verfügbar, stattdessen konnte Lederbogen die katholische Franziskus-Gemeinde für die Ausrichtung gewinnen. Schülerinnen und Schüler aller weiterführenden Schulen in Scharnhorst sind eingeladen, 300 werden erwartet.
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Mit der Lösung kann auch Nadim Al-Madani leben. Es handelt sich nun nicht um eine Schulveranstaltung. Der Lehrer ist erleichtert – denn auch im Fall einer Diskussionsrunde mit Beteiligung Helferichs hätte er ein ungutes Gefühl gehabt und Sorge, die Antifa könnte an der Schule protestieren wollen. Erst vor wenigen Tagen hat aus diesem Grund eine Schule in Hamburg eine ähnliche Veranstaltung abgesagt.