Dortmund. Laut Prognosen könnte es in Dortmund bei der Wahl große Überraschungen geben. Das hätte die Folge, dass Wahlkreissieger womöglich gar nicht im Bundestag landen.
Seit Bestehen der Bundesrepublik wurden in Dortmund ausschließlich Sozialdemokraten direkt in den Bundestag gewählt. Auch 2021 gewannen die SPD-Kandidaten Jens Peick und Sabine Poschmann ihre Wahlkreise jeweils mit deutlichem Vorsprung. Doch die Ausgangslage vor den Neuwahlen am 23. Februar ist eine andere: Die SPD steckt deutschlandweit in einer historischen Krise, die AfD erstarkt. Zudem sorgt die Wahlrechtsreform für neue Unwägbarkeiten.
Wer schafft es in den Bundestag? Durch die Reform aus dem Jahr 2023 haben selbst die Gewinner eines Wahlkreises keine Garantie auf den Einzug ins Parlament mehr. Für Dortmund heißt das: Ein Mandat sicher haben wohl nur Sabine Poschmann (SPD) und Matthias Helferich (AfD) – beide sind durch die Landeslisten ihrer Parteien weitgehend abgesichert.
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Bundestagswahl 2025: Gewinnt die CDU einen Wahlkreis in Dortmund?
Das sagen die Prognosen: Vor einer Wahl schlägt die Stunde der Meinungsforschungsinstitute. Neben der berühmten Sonntagsfrage, also der Prognose der Sitzverteilung im Parlament, werden zunehmend auch auf lokaler Ebene Berechnungen angestellt.
Die Ergebnisse sind mit Vorsicht zu betrachten. Sie beruhen nicht auf Befragungen im jeweiligen Wahlkreis, sondern leiten den örtlichen Trend nur aus aktuellen Bundestrends und früheren Ergebnissen im Wahlkreis ab. Demnach hat die CDU Chancen, nahezu alle Wahlkreise in NRW gewinnen – auch die beiden Dortmunder.
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Die Wahlkreiskarte des Markt- und Sozialforschungsinstitutes INSA Consulere sieht sowohl im Wahlkreis 141 (Dortmund I, West) als auch 142 (Dortmund II, Ost) die Christdemokraten vorn – im Westen mit einem Vorsprung von mehr als drei Prozent, im Osten ist es knapper. Auch auf der Plattform wahlkreisprognose.de sind laut den Berechnungen Siege der CDU-Kandidaten Sarah Beckhoff (Dortmund I) und Michael Depenbrock (Dortmund II) zu erwarten. Insbesondere in Wahlkreis II soll es dabei eng werden – auch hier wird ein Vorsprung der CDU von maximal drei Prozent erwartet.
Nach Wahlrechtsreform: Es gibt keine Ausgleichsmandate mehr
Für die Prognose auf der Seite election.de wurden statistische Wahrscheinlichkeiten errechnet. Nach dieser Methode bleiben beide Dortmunder Wahlkreise in sozialdemokratischer Hand: Im Westen würde Jens Peick mit einer Wahrscheinlichkeit von 54 Prozent gewinnen, im Osten Sabine Poschmann mit einer Wahrscheinlichkeit von 81 Prozent.
Die Reform des Wahlrechts 2023: Die Spannung erhöhen nicht nur diese Prognosen zugunsten CDU, sondern auch das neue Wahlrecht. Die Zahl der Abgeordneten beträgt ab der kommenden Legislaturperiode 630, statt aktuell 736. Dadurch wird nicht mehr jeder der bundesweit 299 Wahlkreissieger automatisch Mitglied des Bundestags.
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Jede Partei hat dann nur noch exakt so viele Abgeordnete, wie ihr nach dem Zweitstimmenergebnis zustehen. Überhang- und Ausgleichsmandate gibt es nicht mehr. Die Sitze jeder Partei werden proportional auf ihre jeweiligen Landeslisten verteilt. Entscheidend für diese parteiinterne Mandatsverteilung ist das Verhältnis der Zahl der Zweitstimmen, die auf die 16 Landeslisten einer Partei entfallen.
Neues Wahlrecht könnte CDU-Bewerber das Bundestagsmandat kosten
Dabei gibt es klare Regeln: Zunächst werden die siegreichen Direktkandidaten gereiht. Wer den höchsten Erststimmenanteil hat, erhält das erste Mandat. Hat die Partei mehr Wahlkreissieger, als ihr nach dem Zweitstimmenergebnis zustehen, scheiden Wahlkreissieger mit niedrigen Erststimmenanteilen aus. Wenn dagegen allen Wahlkreissiegern ein Sitz zugeteilt wurde, der Partei in dem Bundesland aber nach dem Zweitstimmenergebnis noch weitere Sitze zustehen, werden diese wie bisher nach ihrer Landesliste vergeben.
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Was könnte das für Dortmund heißen? Insbesondere CDU-Kandidaten könnte das neue Wahlrecht den Einzug in den Bundestag kosten. Denn es ist durchaus wahrscheinlich, dass die Partei in NRW deutlich mehr als 30 bis 35 Prozent der Wahlkreise gewinnt, also mehr als der Anteil der Sitze, der ihr nach aktuellen Prognosen anhand der Zweitstimmen zustehen würde.
Folglich müssten Wahlkreissieger auf ihre Mandate verzichten – nämlich die, die mit vergleichsweise wenigen Stimmanteilen gewonnen haben. Das könnte in Dortmund der Fall sein, sollten es Sarah Beckhoff oder Michael Depenbrock tatsächlich schaffen, sich gegen die favorisierte SPD-Konkurrenz durchzusetzen. Denn in großen Teilen des Ruhrgebiets würden Wahlkreissiege der CDU wohl weniger deutlich ausfallen als in anderen Teilen von NRW – etwa am Niederrhein oder im Münsterland, wo ohnehin traditionell konservativ gewählt wird.
Zwei Dortmunder Kandidaten sind über Landeslisten abgesichert
Und in Dortmund dürften auch bei CDU-Siegen nicht nur die Kandidaten der SPD nennenswerte Stimmanteile erhalten. Das legt schon der Blick auf das Ergebnis von 2021 nahe. Damals erhielten Markus Kurth und Anke Weber (beide Grüne) in ihren Wahlkreisen 17 beziehungsweise 14,8 Prozent der Stimmen. Die AfD-Kandidaten Heiner Garbe und Matthias Helferich kamen auf 6,8 und 8,3 Prozent – womöglich legen beide dieses Mal noch zu, beflügelt durch das Hoch ihrer Partei.
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Die Landeslisten: Ohne Direktmandat gibt es nur für die Abgeordneten Sabine Poschmann und Matthias Helferich (Wahlkreis II) die an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit, über die Landeslisten in Berlin bleiben zu dürfen. Poschmann landete auf Platz 16 der SPD-Liste für Nordrhein-Westfalen. AfD-Rechtsaußen Helferich wurde trotz vieler Gegner in seinem Landesverband auf Platz 6 gewählt.
Der zweite SPD-Abgeordnete Jens Peick ist auf einen Sieg im West-Wahlkreis angewiesen – mit Listenplatz 55 hätte er sonst wohl keine Chance auf den erneuten Einzug ins Parlament.
Grüne, AfD, Linke: Für drei potenzielle Nachrücker wird es eng
Bei den Grünen rangiert Hannah Rosenbaum (Wahlkreis II) auf Platz 27. Das hätte bei der letzten Wahl so gerade für Berlin gereicht. Doch wegen der verringerten Abgeordnetenzahl werden es auch über die Landeslisten möglicherweise weniger Kandidaten schaffen, gerade im Fall von Verlusten der eigenen Partei. Rosenbaums Kollegin Tina Wilken, Direktkandidatin der Grünen im West-Wahlkreis I, hat sich nicht für einen Listenplatz beworben.
Sarah Beckhoff und Michael Depenbrock finden sich auf Platz 44 beziehungsweise 56 der CDU-Landesliste wieder. Wirklich eine Rolle spielt das nicht: Da die Union in NRW wie auch bundesweit voraussichtlich sehr viele Wahlkreise direkt gewinnen wird, gibt es kaum Hoffnung für potenzielle Listen-Nachrücker.
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Bei der AfD kann sich neben Helferich ein weiterer Bewerber Hoffnung auf ein Bundestagsmandat machen. Und dabei handelt es sich nicht um den Direktkandidaten in Wahlkreis I, Heiner Garbe (Platz 39). Mit Peter Bohnhof, der auch dem Stadtrat angehört, findet sich ein weiterer Dortmunder Kandidat auf Platz 20 der Landesliste wieder. Stimmen aktuelle Umfrageergebnisse, könnten ungefähr bis zu diesem Platz AfD-Nachrücker aus NRW in den Bundestag einziehen.
Chancen hat schließlich auch Sonja Lemke, Direktkandidatin der Linken im Ost-Wahlkreis. Sie wurde von ihrer Partei auf Listenplatz 5 gewählt. Die Linke liegt laut Umfragen zwar unterhalb der Fünf-Prozent-Hürde. Doch durch die sogenannte Grundmandatsklausel wird eine Partei bei der Verteilung der Bundestagsmandate entsprechend ihrem Zweitstimmenanteil berücksichtigt, wenn sie deutschlandweit mindestens drei Wahlkreise gewinnt. Das könnte der Linkspartei durchaus gelingen. (mit pw)