Bottrop. Oft öffnen erst Schicksalsschläge Menschen die Augen für den Sinn von Sterbebegleitung. So kam Kerstin Senk in die Bottroper Hospizgruppe.
Es können persönliche Schicksalsschläge und Erfahrungen sein, nach denen sich auf einmal die Sicht auf Sterben und Tod verändert. So ist es zum Beispiel Kerstin Senk ergangen, die sich seit Januar in der Ambulanten Hospizgruppe Bottrop engagiert. Kurz darauf hat sie die Begleitung einer 88-jährigen Dame im Fuhlenbrock übernommen, die nach einer kleinen Odyssee nun wieder zuhause betreut wird. „Medizinisch, was ich natürlich nicht leisten kann und begleitend, was meine Aufgabe ist“, erzählt Kerstin Senk.
Eine Odyssee der anderen Art hat sie selbst schon hinter sich, nachdem der frühe Tode ihrer Mutter (sie wurde nur 60 Jahre) die Tochter, die heute etwa im ähnlichen Alter ist, zunächst richtig aus der Bahn geworfen hat. Das war vor 21 Jahren. „Auch in einem Hospiz, nicht in Bottrop, das gab es damals noch nicht.“
Danach hat Kerstin Senk ihr bisheriges Berufsleben, die Reisebranche mit Kreuzafhrten und Trips nach New York, an den Nagel gehängt. Damals begann sie mit einer Ausbildung zur psychologischen Beraterin, Achtsamkeitstrainerin oder Prävention und Nachsorge bei Burnout.
Nach einem persönlichen Schicksalsschlag krempelt eine Bottroperin ihr Leben komplett um
Inzwischen hat sie sich in diesem Bereich längst selbstständig gemacht. Die Hospizarbeit, Sterbe- und Trauerbegleitung sind aber Arbeitsfelder, die die Grafenwälderin seitdem nie aus dem Blick verloren hat. „Ich habe 2016 im damals noch neuen stationären Hospiz einen ersten Kurs gemacht, dann 2016 den, den wir auch jetzt in der Ambulanten Gruppe wieder anbieten“, erzählt Kerstin Senk. Dann ging es für einige Jahre in die Hospizarbeit nach Oberhausen. Anfang des Jahres hat sich nun der Kreis geschlossen und sie arbeitet ehrenamtlich in Bottrop. Es sei keine Entscheidung gegen Oberhausen gewesen.
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Ausschlaggebend seien die sechs Stunden Fahrzeit, manchmal mehr, pro Woche mit dem Wagen in die Nachbarstadt gewesen. „Das wollte ich irgendwann nicht mehr und jetzt bin ich hier.“ „Hier“, das heißt Kerstin Senk ist eine von knapp 70 aktiven Ehrenamtlichen der Ambulanten Hospizgruppe.
„Insgesamt haben wir 180 Mitglieder“, weiß Anja Lenzyk, Koordinatorin des eingetragenen Vereins, der schon lange vor der Eröffnung des stationären Hospizes im Bottroper Netzwerk aktiv war. „Nein, es sind nicht nur Frauen, die sich bei uns engagieren, die Zahl der Männer hat kontinuierlich zugenommen“, so Lenzyk. In der Anfangsphase mag der „Frauenüberschuss“ auch daran gelegen haben, dass erwartet wurde, neben diesem – sicher zuweilen auch fordernden – Ehrenamt keinem regelmäßigen Vollzeitjob nachzugehen, weiß beispielsweise Barbi Mohr. Die Biologin ist eine der Frauen aus der Frühzeit der 1995 gegründeten Hospizgruppe.
Auch Sabine Junker gehört zu den 70 Aktiven im Verein. Ihr Schwerpunkt liegt neben der Trauerbegleitung, ein Bereich, der in der Hospizgruppe kontinuierlich wächst, auch bei der Organisation des inzwischen schon traditionellen Sternenbasars in der Vorweihnachtszeit. „Nicht alle Aktiven machen alles, nicht alle übernehmen unbedingt eine Sterbebegleitung, es gibt immer auch vieles andere zu tun“, weiß Sabine Junker, die ebenfalls schon in allen Bereichen des Vereins gearbeitet hat. Zur Trauerbegleitung, die übrigens komplett spendenfinanziert ist, sagt sie: „Es sind natürlich auch die Lebenden, die Hinterbliebenen, denen wir weiterhelfen wollen.“
Beim Thema „Männer“ gibt es immer wieder Überraschungen – auch in der Bottroper Hospizgruppe
„Das Interesse ist da bei den Menschen, das erleben wir immer wieder“, bestätigt auch Vereins-Koordinatorin Anja Lenzyk. „Wenn die Zeitung etwas veröffentlicht, merken wir das sofort, denn wer zu uns kommt oder um wen wir uns kümmern, gehört in der Regel zur Altersgruppe der Zeitungsleser.“ Es habe aber durchaus schon einmal zwei junge Männer gegeben, die über Instagram auf die Hospizgruppe aufmerksam geworden seien. „Sie haben beide einen Kurs erfolgreich abgeschlossen, waren ganz toll und bei der Sache, konnten aber aus beruflichen Gründen nicht bleiben.“ So gehe es aber vielen, die noch beruflich und familiär voll eingespannt seien. „Das merken wir nicht nur bei uns im Ehrenamt.“
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Beim Thema Männer bringen die vier Damen noch eine Überraschung ans Licht: „Wir haben ja inzwischen eine ganze Reihe Männer unter den Aktiven, aber wenn wir Männer fragen, ob sie lieber einen Mann oder eine Frau als Sterbe- oder Trauerbegleitung hätten, bekommen wir öfter zu hören: lieber eine Frau“, erzählt Barbi Mohr. „Vielleicht hängt uns der Ruf an, einfühlsamer, verständnisvoller zu sein. Man weiß es nicht.“ Allerdings sei das nicht die Regel.
Vorbereitungskurs für die Ambulante Hospizgruppe
Den nächsten Vorbereitungskurs für ehrenamtlich Sterbebegleitung bietet die Ambulante Hospizgruppe ab Januar an. Zuvor gibt es eine Infoveranstaltung am 4. Dezember, 15 Uhr in den Vereinsräumen, Gladbecker Straße 20.
Zu einem ökumenischen Segnungsgottesdienst für alle Trauernden und Hinterbliebenen in Bottrop mit anschließender Begegnung lädt die Hospizgruppe am 15. November, 18 Uhr in die ev. Martinskirche, Osterfelder Straße, ein.
Der Sternenbasar mit vielen selbstgemachten Geschenkideen, dem beliebten Fotokalender mit Bottroper Motiven von Barbi Mohr, Kaffee und selbstgemachtem Kuchen, findet am Samstag, 23. November, 10 bis 16 Uhr im Saal der Kulturkirche, Scharnhölzstraße 33, statt. Info und Kontakt: Tel.: 02041 763812; kontakt@hospizgruppe-bottrop.de oder auf hospizgruppe-bottrop.de.