Bottrop. Seit seiner Eröffnung an Rosenmontag vor zehn Jahren versteht sich das Bottroper Hospiz als offenes Haus. So geht das Haus ins zweite Jahrzehnt.

Was auf den ersten Blick nicht zusammenzupassen scheint: Im Bottroper Hospiz klammern die Menschen weder den oft nahen Tod, noch das pralle Leben aus. So wie jetzt, in der Karnevalszeit. Nun gab es sogar eine Premiere: Das Bottroper Stadtprinzenpaar hatte sich angesagt und besuchte erstmals in der Hospizgeschichte das Haus, in dem sterbenskranke Menschen ihre letzten Tage, zuweilen auch Monate, gut aufgehoben verbringen.

Eigentlich war dieser Besuch längst überfällig. Denn als vor zehn Jahren, damals am 3. März, die ersten Gäste im Hospiz eintrafen, war das ein Rosenmontag. „Seit damals hat sich viel getan, vor allem, was die Akzeptanz und das Wissen um unsere Arbeit in der Öffentlichkeit angeht“, sagt Christoph Voegelin.

In den letzten zehn Jahren hat das Hospiz in der Öffentlichkeit eine große Akzeptanz erreicht

„Ein wichtiger Aspekt, denn bis dahin kannte in der Stadt kaum jemand ein stationäres Hospiz, nur die Arbeit der Ambulanten Hospizgruppe. Wir haben erst einmal das Bewusstsein wecken müssen, dass Hospiz eigentlich ,Herberge‘ und nicht ,Sterbehaus‘ bedeutet“, erinnert sich der Hospizleiter an die ersten Jahre.

Jürgen Münnich (l.) und Christoph Voegelin sind als Geschäftsführer und Leiter seit Jahren ein eingespieltes Team. am Rosenmontag vor zehn Jahren bezogen die ersten Gäste das Hospiz.
Jürgen Münnich (l.) und Christoph Voegelin sind als Geschäftsführer und Leiter seit Jahren ein eingespieltes Team. am Rosenmontag vor zehn Jahren bezogen die ersten Gäste das Hospiz. © FUNKE Foto Services | Thomas Gödde

Inzwischen habe sich Blatt deutlich gewendet. Sicher auch durch die vielen großen und kleinen öffentlichen Spendenaktionen, die den Hospizgedanken seit 1999 in die Stadt getragen hätten. Viele Ehrenamtliche, auch der Ambulanten Hospizgruppe, Spenderinnen und Spender, Firmen, die Arbeiten unentgeltlich oder zum Selbstkostenpreis übernommen hätten, Kirchen, Schulen, Kitas, Vereine, Parteien und unzählige Privatleute: „Das Hospiz ist, glaube ich, in der Mitte der Gesellschaft angekommen“, so Christoph Voegelin.

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Er ist, wie so viele andere an der Osterfelder Straße 151a, einer der Menschen der ersten Stunde. Auch an den ersten verstorbenen Gast damals, es war Aschermittwoch, der 5. März, kann sich der Hospizleiter noch erinnern. Aber auch an so viele andere der 1500 Gäste, die seither im Hospiz lebten und gestorben sind.

Es gibt allerdings auch Gäste, wie Gerda Scholer, mit der die WAZ im November für diese kurze Serie zum zehnjährigen Bestehen des Hauses sprechen konnte. Sie war inzwischen in der Lage, das Hospiz wieder verlassen, lebt nun in einem Pflegeheim für Senioren in ihrer Heimat Dinslaken. „So etwas erleben wir immer wieder, wenn auch selten, trotz sehr schlechter Prognose bei der Ankunft“, weiß Geschäftsführer Jürgen Münnich. Aber das habe sicher auch damit zu tun, dass viele hier zur Ruhe kommen, ebenso wie die Angehörigen, die sich keine Sorgen mehr um die Betreuung machen müssten und sich gut aufgehoben wüssten, so Christoph Voegelin.

Im Gegensatz zum Pflegeheim werden im Hospiz die Kosten komplett übernommen

Geschäftsführer und Leiter sprechen da von einer Art Wechselwirkung. Denn wer seine Angehörigen gut betreut wisse, würde selbst entspannter mit der Krankheitssituation in der Familie umgehen und das wiederum strahle dann auch auf die Gäste im Hospiz zurück. Eine andere Art von Beruhigung bedeutet sicher auch die seit 2009 geregelte komplette Übernahme der Kosten (im Gegensatz zu Pflegeheimen) beim Einzug ins Hospiz und entsprechender medizinischer Diagnose, die eine gesetzliche Rahmenvereinbarung vorschreibt.

Eine „Abschiebung“ ins Hospiz sei daher auch nur schwer möglich, sagt Geschäftsführer Jürgen Münnich. „Das haben wir hier auch noch nie erlebt.“ Inzwischen seien die Diagnosen, mit denen man ins Hospiz kommen könne, nicht mehr nur auf Krebserkrankungen beschränkt. „Auch unheilbare Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder schwere Demenz, die ja auch zum Tod führt, gehören nun dazu“, weiß Christoph Vöegelin.

Im zehnten Jahr seines Bestehens kann das Haus auf eine durchschnittliche Belegung von gut 90 Prozent verweisen. An eine Erweiterung, wie sie mit Errichtung des flachen Anbaus an die alte Villa einmal mitgedacht wurde, denken sie und der Vorstand derzeit aber nicht. „Die acht Plätze könnten durch Aufstockung des Flachbaus um zwei erweitert werden“, so Jürgen Münnich.

Den 50er-Jahre-Wohnhauscharakter hat die alte Chefarztvilla neben dem Knappschaftskrankenhaus bis heute behalten. Es gibt sogar eine Kinderspielecke, die Christoph Voegelin (l.) und Jürgen Münnich aber nur fürs Foto aufgesucht haben.
Den 50er-Jahre-Wohnhauscharakter hat die alte Chefarztvilla neben dem Knappschaftskrankenhaus bis heute behalten. Es gibt sogar eine Kinderspielecke, die Christoph Voegelin (l.) und Jürgen Münnich aber nur fürs Foto aufgesucht haben. © FUNKE Foto Services | Thomas Gödde

Dafür könne das Haus während der Bauzeit aber auch nur reduziert arbeiten, Einnahmen fielen weg. „Wir sind auch ein Wirtschaftsunternehmen, das zwar keinen Profit macht, aber dessen Arbeit neben der gesetzlichen Kostenübernahme weiterhin auf Spenden angewiesen ist, rund 150.000 Euro pro Jahr“, so Münnich. Das Leitungsteam ist sich einig: „Die jetzige Größe ist für Bottrop und in der Region optimal, es sind ja auch in den letzten Jahren neue Hospize entstanden. Wir arbeiten inzwischen eng zusammen, wenn hier kein Platz frei ist, gibt es anderswo einen und umgekehrt.“

Eine Erweiterung gibt es aber dennoch: Ein größerer Gartenteil von knapp 400 Quadratmetern, der eigentlich zur Pflegeschule des Knappschaftskrankenhauses gehört, darf künftig vom Hospiz (mit)genutzt werden. „Auch da haben wir einen Gartenbaubetrieb gefunden, der uns sehr entgegen kommt, die Neugestaltung beginnt in Kürze“, sagt Jürgen Münnich. Vielleicht werde es ein Duft- oder Entspannungsgarten. Zeitgleich soll auch der Eingangsbereich zum Haus gärtnerisch neu gestaltet werden. „Einladender, denn die jetzigen Hecken wirken ja wie auf einem Friedhof.“

Infos und Kontakt: www.hospizbottrop.de