Bochum. Ein Rechtsanwalt hat am Bongard-Boulevard einen Strafzettel wegen Falschparkens bekommen. Er zeigte die Polizei an, wegen falscher Verdächtigung.
Dieses Knöllchen hat es in sich. Es geht um mutmaßliches Falschparken auf dem Bochumer Bongard-Boulevard. 55 Euro soll ein Anlieger bezahlen. Das findet er aber „abstrus“, zumal der Fall auch alle Geschäfte und andere Anwohner der Einkaufsmeile betreffen könnte. Der Anwalt hat eine Strafanzeige gegen zwei Polizeikräfte und eine Mitarbeiterin des Rechtsamtes erstattet – wegen falscher Verdächtigung – und beklagt eine „fast grotesk anmutende Rechtsauffassung“.
- Wie die Bongardstraße zu Bochums Verkehrsader wurde
- Bochum, schön und hässlich: Diese Ort polarisieren
- Bochumer Boulevard wird fünf Wochen früher fertig als geplant
Der vermeintliche Parksünder ist ein alteingesessener Notar a.D. und Rechtsanwalt. Am Bongard-Boulevard betreibt er seit Jahrzehnten eine Kanzlei. Am 27. Februar 2024 um 10.27 Uhr parkte er eigenen Angaben zufolge seinen Pkw vor seinem Büro. Normalerweise ist die Straße für private Autos gesperrt, als Anlieger und Mieter eines Tiefgaragenplatzes an der Bongardstraße hat der Jurist aber eine Ausnahmegenehmigung. Außerdem darf er zwischen 21 und 11 Uhr am Bongard-Boulevard auch kurz stehen bleiben, wenn er etwas be- und entladen muss.
Rechtsanwalt: War maximal drei Minuten lang vom geparkten Auto weg
Dies war an jenem Februartag auch der Fall, sagt er. Weil er einen Computer-Tower aus seiner Kanzlei in sein Auto laden wollte, habe er dieses auf einer besonders gepflasterten Fläche unmittelbar neben der Fahrbahn abgestellt. Maximal drei Minuten sei er abwesend gewesen. Als er wieder am Auto erschienen sei, hätten eine Polizeibeamtin und ein Polizeibeamter festgestellt, dass er erstens falsch, nämlich auf dem Gehweg, geparkt habe und zweitens dort gar nicht hätte hinfahren dürfen, weil der Bereich ja grundsätzlich gesperrt sei. Es folgte eine „schriftliche Verwarnung mit Verwarnungsgeld“.
Die 55 Euro hat der Anwalt bis heute nicht bezahlt und kämpft nun vor Gerichten dafür, dass er das auch niemals tun muss.
Rechtsanwalt: Vorwurf sei „völlig abwegig“ und „grob falsch“
Denn beide Feststellungen der Polizei seien unrichtig. Er habe doch eine Ausnahmegenehmigung, mit der er die Bongardstraße befahren dürfe. Und dass er auf dem Gehweg geparkt habe, sei ein „völlig abwegiger Vorwurf“ und „so grob falsch, dass Derartiges einem Polizeibeamten schlechterdings nicht unterlaufen darf“.
+++ Wollen Sie keine Nachrichten mehr aus Bochum verpassen? Dann abonnieren Sie hier unseren kostenlosen Newsletter! +++
Der Anwalt begründet dies damit, dass sich links und rechts der Fahrbahn Flächen befinden, die sich mit einer kleineren Pflasterung deutlich von der üblichen Pflasterung abheben und „die ganz offensichtlich so gestaltet wurden, um anzuzeigen, an welchen Stellen Lieferfahrzeuge zum Zwecke der Belieferung abgestellt werden dürfen“. Seit Jahrzehnten habe er es „noch nie erlebt, dass irgendein Fahrzeugführer so unverständig ist, dass er sein Fahrzeug auf der Fahrbahn abstellt, vielmehr werden sämtliche Fahrzeuge – wie tagtäglich beobachtet werden kann – auf den entsprechenden durch Pflasterung hervorgehobenen Stellen abgestellt, was so allein auch sinnvoll ist“.
Bis 11 Uhr können Gewerbetreibende ihre Läden beliefern
Denn: „Wer auch nur einigermaßen die Verkehrssituation auf dem Bongard-Boulevard kennt, beobachtet tagtäglich, dass sämtliche umliegenden Geschäfte und Gewerbetreibenden in der Zeit bis 11 Uhr beliefert werden, wobei sämtliche Fahrzeuge ‚natürlich‘ nicht auf der äußerst schmalen Fahrbahn abgestellt werden“. Das würde sonst zu einem Verkehrschaos führen. „Die langen und überlangen Gelenkbusse der Bogestra müssten Slalom fahren, könnten nicht mehr aneinander vorbeifahren, der gesamte Verkehr auf der Bongardstraße, namentlich öffentlicher Linienverkehr, käme zum Erliegen.“
Diese Texte haben viele Menschen interessiert
- Decathlon zieht in Bochumer Ruhrpark – Standort überrascht
- Doch kein Abriss: Bochumer will historischen Altbau retten
- Drei Jahre im Camper: Warum diese Familie nun ein Zuhause sucht
Diese Rechtsauffassung teilte die Polizei aber nicht. Ebenso auch eine zuständige Mitarbeiterin des Rechtsamtes nicht. Nur bei einer Parkflächenmarkierung und dem Verkehrszeichen 315 („Parken auf Gehwegen“) habe das Auto dort stehen dürfen, argumentiert sie. So ein Schild steht dort aber nicht.
Der Anwalt hat vor dem Amtsgericht Einspruch gegen den Bußgeldbescheid erhoben. Den Vorwurf, er hätte die Bongardstraße zu Unrecht befahren, kippte der Richter, den Parkverstoß aber nicht. Der Anwalt legte sofort Rechtsmittel ein. Somit wird sich jetzt das Oberlandesgericht Hamm mit dem Knöllchen beschäftigen.
Mehr zum Thema – 50 Jahre Eingemeindung
- Als Wattenscheid ein ganzes Bundesland herausgefordert hat
- Viele Fotos: „Hände weg“: So kämpfte Wattenscheid um Eigenständigkeit
- Viele Wattenscheider, ein Wunsch: „Wollen eine eigene Stadt sein“
- 50 Jahre später: „Wattenscheid gehört für mich zu Bochum“
- 50 Jahre „Zwangsheirat“: In Wattenscheid mag niemand feiern
Der Rechtsanwalt: „Sollte das Urteil Bestand haben, hätte dies zur Folge, dass für notwendige Be- und Entladetätigkeit künftig Fahrzeuge nur noch auf der Fahrbahn abgestellt werden dürften, wodurch der Verkehr auf der Bongardstraße namentlich der Linienverkehr der Bogestra auf groteske Weise erschwert würde, wohl eher zum Erliegen käme.“
Stadt Bochum: Be- und Entladen nur am rechten Fahrbahnrand erlaubt
Ein Stadtsprecher bestätigte diese Regelung am Mittwoch auf Anfrage dieser Redaktion: „Auf dem Boulevard ist das Befahren und Parken zum Zwecke des erkennbaren Be- und Entladens von 21 bis 11 Uhr bzw. für Elektrofahrzeuge bis 12.30 Uhr gestattet. In diesem Bereich ist zum Be- und Entladen mangels Park- und Seitenstreifen zum Parken an den rechten Fahrbahnrand heranzufahren.“
Die Polizei will sich zu der Strafanzeige nicht äußern mit Verweis darauf, dass es sich um ein schwebendes Verfahren handele.