Bochum-Innenstadt. Wo fühlen sich Menschen in Bochums Innenstadt wohl, wo nicht? Und wie könnte man die City lebenswerter machen? Hier gibt es Beispiele und Ideen.

Über ihren „persönlichen Horror-Ort“ in der Bochumer Innenstadt muss Doris Betsch nicht lange nachdenken. „Der Boulevard!“, sagt sie, vor dem Kuhhirten stehend und deutet auf die Fahrbahn in Richtung Hauptbahnhof. Dieser breite, oftmals zugige Streifen, „nur Asphalt“ – als sie vor einigen Jahren zum Studium nach Bochum zog und vom Bahnhof aus erstmals durch die Innenstadt lief, da sei dieser Eindruck vom Massenberg- und Bongard-Boulevard hängen geblieben.

Heute engagiert sich Betsch im Netzwerk „Stadt für alle“ und führt an einem Junifreitag gemeinsam mit einigen Mitstreiterinnen und einem Mitstreiter eine Handvoll Interessierte durch die Innenstadt. Am Kuhhirten steht die Gruppe, weil hier „schön“ und „hässlich“ nah beieinander liegen. Der Platz mit seinem kleinen Wasserlauf, der im Sommer von Kindern zum Plantschen genutzt wird, jedenfalls, ist bei einer Umfrage unter Bochumerinnen und Bochumern wiederholt als „schöner Ort“ genannt worden. Asphalt hin, Stein her: Das Wasser werte den Platz auf.

Schönes Bochum, hässliches Bochum
Der Platz am Kuhhirten mit seinem kleinen Wasserlauf kommt bei der Umfrage gut weg. Der daran vorbeiführende Boulevard hingegen ist für Doris Betsch der „Horror-Ort“ schlechthin in der Bochumer City. © WAZ Bochum | Sarah Kähler

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Bochumer Innenstadt: Boulevard sorgt für gemischte Reaktionen

Ende des vergangenen Jahres hat „Stadt für alle“ drei Tage lang Fragebögen vor der Volkshochschule ausgeteilt, dann auch noch online verbreitet. Knapp 120 Bögen seien ausgefüllt zurückgekommen. „Natürlich ist das nicht repräsentativ“, sagt Rainer Midlaszewski, dessen seien sie sich bewusst. „Aber trotzdem bekommt man einen Eindruck, was Bochumerinnen und Bochumer zu Veränderungen in der Innenstadt wissen, denken oder sich wünschen.“

Nun liegt die Bewertung als „schön“ oder „hässlich“ ohnehin im Auge des Betrachters, und so mancher Ort ist beides – je nachdem, wen man fragt. Manch eine Stelle in der City polarisiere stark, haben die Mitglieder von „Stadt für alle“ beobachtet. Das Bermudadreieck zum Beispiel „wird von einigen als schön, von anderen als schrecklich bewertet“. Auch der bereits erwähnte Boulevard sorgt für gemischte Reaktionen. Bei anderen Punkten jedoch seien sich viele Befragte einig gewesen, berichtet Midlaszewski.

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Den Buddenbergplatz hinterm Hauptbahnhof Bochum empfinden viele als hässlich

Meistgenannt als „schrecklichster Ort in der Innenstadt“ sei der Hauptbahnhof mit Vorplatz und Hinterausgang (Buddenbergplatz) gewesen, gefolgt vom Massenbergboulevard und dem Gustav-Heinemann-Platz zwischen Rathaus und Bildungs- und Verwaltungszentrum.

Angstraum statt Wohlfühlort: Der Gustav-Heinemann-Platz zwischen Rathaus und Bildungs- und Verwaltungszentrum wurde wiederholt als „schrecklichster Ort in der Innenstadt“ genannt.
Angstraum statt Wohlfühlort: Der Gustav-Heinemann-Platz zwischen Rathaus und Bildungs- und Verwaltungszentrum wurde wiederholt als „schrecklichster Ort in der Innenstadt“ genannt. © FUNKE Foto Services | Dirk A. Friedrich

Und die schönsten Orte? Ganz vorne der Stadtpark – wenn auch strenggenommen nicht mehr in der Innenstadt gelegen. Aber auch der Appolonia-Pfaus-Park sei mehrfach genannt worden, berichtet Doris Betsch. „Wo ist der denn?“, fragt eine Frau. Die Antwort dürfte auch Teil der Erklärung sein, warum er in der Hitliste auftaucht: Die Grünanlage liegt, etwas versteckt, hinter dem Bildungs- und Verwaltungszentrum – nur einen Katzensprung von der Stelle entfernt, an der „Stadt für alle“ die Umfrage verteilte.

Etwas versteckt hinter dem Bildungs- und Verwaltungszentrum liegt der Appolonia-Pfaus-Park.
Etwas versteckt hinter dem Bildungs- und Verwaltungszentrum liegt der Appolonia-Pfaus-Park. © FUNKE Foto Services | Dirk A. Friedrich

Wünsche für die Bochumer Innenstadt: Bäume, Bänke, Brunnen

„Es muss eine neue Form der Innenstadt geben“, meint Rebecca Sirsch. Viele Innenstädte sähen gleich aus, dieselben Filialen der immergleichen Ketten, zunehmende Leerstände, gleichzeitig aber wenig Orte mit Aufenthaltsqualität. Wie ließen sich leerstehende Gebäude (zwischen)nutzen, um dort Raum für Begegnung zu schaffen? Auch das ist eine Frage, die das Bündnis umtreibt. Ideen und Ansätze gäbe es ja: Der Popup-Store „Repair&Share“ auf der Kortumstraße im vergangenen April sei ein Beispiel für ein nachhaltiges Projekt.

Schönes Bochum, hässliches Bochum
Die Initiative "Stadt für alle" sammelt und entwickelt Ideen für die Bochumer Innenstadt. Von links: Doris Betsch, Pia Niederhoff, Rainer Midlaszewski, Rebecca Sirsch und Lina Heimrath. © WAZ Bochum | Sarah Kähler

Die Umfrage habe gezeigt, dass sich viele Menschen „unkommerzielle Angebote“ in der Innenstadt wünschten. Anders gesagt: „Wo können wir uns erholen, ohne dafür zu bezahlen?“ Unterm Strich lande man oft bei den drei B, sagt Doris Bensch: „Bäume, Bänke, Brunnen.“

Bündnis „Stadt für alle“

„Stadt für alle“ ist eine offene Initiative, die sich nach eigenen Angaben „für eine solidarische, ökologische und nachhaltig Stadtentwicklung in Bochum einsetzt“. Themen seien unter anderem bezahlbarer Wohnraum, eine klimaneutrale Verkehrswende, aber auch soziale und kulturelle Infrastruktur.

Die Initiative sagt, sie begreife die Stadt als „Gemeinwesen und die städtischen Ressourcen als Gemeingüter“, die allen Bewohnerinnen und Bewohnern gehörten. Deshalb sei es wichtig, über Nutzung und Verteilung städtischer Ressourcen gemeinsam zu entscheiden.

Das Bündnis trifft sich jeden zweiten und vierten Dienstag im Monat um 19 Uhr im „Botopia“ (Griesenbruchstraße 9). Neue Mitwirkende seien herzlich willkommen. Weitere Infos: www.stadt-fuer-alle-bochum.net.

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