Bochum. Als DJ ist Rubiga Murugesapillai gefragt. „Mein Background bestimmt mich, ist aber nicht alles“, sagt die 30-Jährige. Wie sie gegen Ungleichheiten kämpft.

Der Raum, in dem Rubiga Murugesapillai die Menschen zum Tanzen bringt, ist nicht viel größer als die Parkfläche für ein Auto. Zwölf Quadratmeter sind es. Es gibt eine große Fensterfront, die Wände sind rosa gestrichen. An der Decke glitzert eine Discokugel. Wenn die 30-Jährige hinter dem DJ-Pult steht, kommen Rap, RnB und Afrobeats aus den zwei großen Lautsprechern über ihr. Bis zu 50 Menschen lauschen, manche stehen draußen auf dem Bürgersteig und bewegen sich im Takt. „Für Bochum ist das einfach ein richtig schöner Raum“, sagt die DJ.

Rubiga Murugesapillai tritt als DJ Rubimental im ganzen Ruhrgebiet auf. Sie setzt sich für mehr Gleichberechtigung in der Musik- und Kulturszene ein. Wir treffen die Bochumerin für das „Wegbier“. In diesem Videoformat führen uns zehn Frauen aus dem Ruhrgebiet zu den Orten, die eine besondere Bedeutung für sie haben. Unterwegs erzählen sie uns ihre Geschichte.

Wie viele Frauen so wie Murugesapillai auflegen, darüber gibt es keine genauen Statistiken. „In der Musikbranche werden vor allem männliche DJs gebucht,“ bedauert Murugesapillai. Auch die Lineups der Festivals seien meist männlich. „Dabei gibt es viele coole weiblich gelesene DJs, die das genauso gut oder vielleicht sogar besser können“, sagt sie.

Rubiga Murugesapillai hat sich als DJ Rubimental im Ruhrgebiet einen Namen gemacht.
Rubiga Murugesapillai hat sich als DJ Rubimental im Ruhrgebiet einen Namen gemacht. Im Videoformat Wegbier erklärt sie, dass sie sich das Auflegen selbst beigebracht hat.  © Hans & Franz Filmproduktion | Hans & Franz Filmproduktion

Kleinste Club Bochums ist die Cute Community

Der wohl kleinste Club Bochums liegt an der Herner Straße. Den Raum betreibt mit ehrenamtlichen Engagement die „Cute Community“. Sie will eine Plattform für die „Produktion und Verbreitung migrantischer und diasporischer Kunst und Kultur“ sein. Jeden Donnerstag legen verschiedene DJs von 19 bis 22 Uhr in jeweils einstündigen Slots die Musik ihrer Wahl auf. Ihre Show wird im Internet gestreamt und ist als Radioshow weltweit zu hören.

Rubiga Murugesapillai
Besuch im wohl kleinsten Club Bochums: In der Cute Community hat Rubiga Murugesapillai (links), hier mit Digitalchefredakteurin Anne Krum‚ das erste Mal an einem professionellen Mischpult geübt. Immer donnerstags tanzen in dem Club bis zu 50 Menschen.  © Hans & Franz Filmproduktion | Hans & Franz Filmproduktion

„Hier habe ich zum ersten Mal mit professionellem Equipment geübt“, erinnert sich Murugesapillai. Inzwischen kuratiert sie oft ganze Abende. Das heißt, sie wählt aus, wer auftritt und damit eine besondere Bühne bekommt. „Mir ist es wichtig, vor allem BIPoC und FLINTA*-Personen einzuladen“, sagt sie. BIPoC steht für Black People, Indigenous People und People of Colour. FLINTA* ist ein Akronym für Frauen, Lesben, Inter, Nicht-Binäre, Trans oder Agender. Es ist die besondere Mission der Cute Community, dass vor allem diese Künstlerinnen den Raum nutzen können.

Rubiga Murugesapillai lernt Auflegen bei Youtube

Mit Hilfe von Youtube-Videos hat sich Murugesapillai das Auflegen selbst beigebracht. „Das ist irgendwie im stillen Kämmerlein passiert“, erinnert sie sich. Musik hat in ihrem Leben schon immer eine große Rolle gespielt. Ihre Eltern hörten viel Radio, sie selbst spielte als Schülerin Querflöte und trat mit Orchestern auf.  Im Corona-Lockdown will sie eigentlich ihre Masterarbeit schreiben, aber die Bibliotheken sind geschlossen. Sie kauft sich einen kleinen Controller, setzt sich die Kopfhörer auf und probiert sich aus.

Das Wichtigste beim Auflegen ist, die Reaktion des Publikums zu sehen und Energie daraus zu ziehen“, sagt die DJ Rubiga Murugesapillai aus Bochum. 

„Das Wichtigste beim Auflegen ist, die Reaktion des Publikums zu sehen und Energie daraus zu ziehen“

Rubiga Murugesapillai, DJ

Ein paar Monate später nimmt sie ein Mixtape auf. Es ist das erste Mal, dass sie etwas für andere Leute gemacht hat. „Aber das ist das Wichtigste beim Auflegen: dass man die Reaktionen des Publikums bekommt und daraus Energie ziehen kann“, sagt sie. Mittlerweise wird sie an vielen Wochenenden gebucht. Im vergangenen Jahr stand sie beim Dortmunder Festival Juicy Beats Festival auf der Bühne.

„Ich habe im Ruhrgebiet Fuß gefasst“

„Ich habe im Ruhrgebiet Fuß gefasst mit dem Auflegen“, erzählt Rubi. Aufgewachsen im Sauerland, mit Stationen während des Studiums in Köln, Indien und Singapur hatte sie Bochum „so gar nicht auf dem Schirm“. Nach dem Uniabschluss zieht für ihren ersten Job von Heidelberg in die Stadt. Murugesapillai arbeitet hauptberuflich als Lektorin in einem Verlag.

Regler und Knöpfe eines Mischpultes: Rubiga Murugesapillai hat sich das Auflegen selbst beigebracht.
Rubiga Murugesapillai hat sich das Auflegen mittels Youtube-Tutorials selbst beigebracht. © Hans & Franz Filmproduktion | Hans & Franz Filmproduktion

Inzwischen hat sie viele Musiker, Künstler und Kreative in der Stadt kennengelernt. „Es ist toll, von diesen Menschen umgeben zu sein und inspiriert zu werden und vielleicht auch selbst zu inspirieren“, sagt sie. „Sie machen die Stadt für mich so schön.“

Eine Viertelstunde Fußweg vom Club der Cute Community entfernt liegt das Bochumer Kunstmuseum. Es ist in einer alten Villa und einem modernen Erweiterungsbau nahe des Stadtparks untergebracht. Murugesapillai läuft durch die offenen Räume. Für eine vor wenigen Wochen zu Ende gegangene Ausstellung hat sie eine große Soundinstallation beigesteuert. Bis in den Spätsommer hinein konnten sich die Museumsbesucher an einem überdimensionalen DJ-Pult selbst ausprobieren, Knöpfe drücken, an Reglern drehen und laute Beats durch die Hallen jagen.

„Wer über Geld entscheidet, ist mehrheitlich weiß“

 „Das ist für mich eine sehr große Anerkennung, da überhaupt gefragt zu werden“, sagt Murugesapillai. „Das gilt gerade für mich als migrantisch gelesene Person, dass ich in so einer -  man muss ja sagen - immer noch weißen Institution stattfinden darf.“ Die Kunst- und Kulturszene erlebt sie im Bereich der Kuratorien als sehr exklusiven Kreis. Das gelte nicht nur für die soziale Herkunft. „Wer über Auswahl und Geld entscheidet, ist mehrheitlich weiß“, beobachtet sie.  

Diese Ungleichheiten beschäftigen Murugesapillai. Aber sie sollen nicht ihr Wirken überlagern: „Ich will nicht darauf reduziert werden“, sagt sie. „Mein Background bestimmt mich zwar, aber das ist nicht alles.“

Rubiga Murugesapillai
Im Videoformat „Wegbier“ führen Frauen wie Rubiga Murugesapillai (rechts) die Digital-Chefredakteurin Anne Krum an die Orte, die ihnen besonders wichtig sind. Treffpunkt ist ein Kiosk.  © Hans & Franz Filmproduktion | Hans & Franz Filmproduktion

Auf der Dachterrasse des Kunstmuseums stehen zwischen Steinfiguren ein paar Tische und Bänke. Besucher können ihre Eindrücke sacken lassen. Bei Vernissagen baut Murugesapillai hier oben ihr Equipment auf: „Das Tolle an der Musik ist, dass man sie sprechen lassen kann und einfach eine gute Zeit hat.“

Auf ein Wegbier – Zehn Frauen aus dem Ruhrgebiet

Zehn Frauen, zwei Getränke, ein Weg: Im neuen Video-Format Wegbier trifft sich Anne Krum, Chefredakteurin Digital, in zehn Folgen mit Frauen aus dem Ruhrgebiet. Sie starten am Kiosk. Mit einem Getränk in der Hand gehen sie zu prägenden Orten oder Lieblingsplätzen. Auf dem Weg erzählen die Frauen ihre Geschichten. Was treibt sie an, was um?

Kampfsportlerin Mandy Böhm trinkt in der ersten Folge (ab 13. September) kein Bier, aber Kaffee. Beim Streifzug durch Gelsenkirchen erzählt sie, warum sie zwar nicht so aussieht, sie sich selbst aber für ein „Monster“ hält.

In der zweiten Folge erzählt Sängerin Marie Wegener, warum sie trotz Morddrohung und Hassnachrichten an ihrem Traum arbeitet: auf großen Bühnen zu stehen mit ihrer eigenen Musik.

Die Kabarettistin Esther Münch hat ihre Heimat derartig lieben gelernt, dass sie fest davon überzeugt ist, ihre Heimat riechen zu können. In der dritten Folge führt sie durch ihre Heimat Bochum.

In der vierten Folge berichtet die frühere Spitzensportlerin und Nationaltrainerin Martina Voss-Tecklenburg, wie sie auf den Straßen von Duisburg das Kicken erlernte und warum ihre Mutter dagegen war, dass sie im Verein spielt. Sie erzählt auch, wie sie durch ihre Erkrankung ihren Job nicht mehr machen konnte.

In der fünften Folge erzählt Fernsehmoderatorin und Autoverkäuferin Panagiota Petridou, dass sie ihre Menschenkenntnis vor allem in der Kneipe ihrer Eltern gewonnen hat. Mutter und Vater sind als Gastarbeiter in den 60er Jahren nach Nordrhein-Westfalen gekommen.

In der sechsten Folge stellt Jasmin Wolz ihren Alltag als Feuerwehrfrau in Bochum vor. Sie ist eine von ganz wenigen Frauen, die diesen Job ergreifen. Sie berichtet, dass sie als Jugendliche „das Männer-Ding“ Feuerwehr abstoßend fand und wie sie nun ihren Traumjob gefunden hat.

In der siebten Folge gesteht Oberärztin Dagny Holle-Lee: „Das Ruhrgebiet war am Anfang ein Schock“. Wie sie als eine der Top-Spezialistinnen für Kopfschmerzen ihre Medizin aus Essen heraus betreibt, erzählt sie im Video.

Die seit ihrer Geburt blinde Sängerin Cassandra Mae aus Duisburg erreicht Millionen mit ihrer Musik. Selbst der indische Premier ist ein Fan.

„Ich habe relativ vielen Menschen geholfen zu kündigen,“ sagt Britta Cornelißen. Sie arbeitet als Female Empowerment Coach und setzt sich für einen Mutterschutz für alle ein. Aufgewachsen ist sie in Gladbeck.

In der zehnten Folge: DJ Rubiga Murugesapillai.

Die Folgen erscheinen wochenweise neu auf unserer Wegbier-Formatseite.