Bochum. Bei der Feuerwehr arbeiten kaum Frauen. Eine von ihnen ist Jasmin Wolz. Früher fand sie das „Männer-Ding“ abstoßend. Warum sie den Job nun liebt.
Allein die Schuhe. Schwarz und klobig sind sie, und vor allem schwer: zwei Kilo. Die Hose bringt es auf 1,3 Kilo. Die Jacke mit den neongelben Signalstreifen lastet schwer auf der Schulter. Sie macht weitere zwei Kilos aus. Jasmin Wolz schnallt den Helm fest. Noch ein Kilo. Routiniert legt sie ihr Equipment an: Maske, Funkgerät, Handschuhe, Pressluftatmer, einen langen Schlauch. Mit mehr als 40 Kilo Ausrüstung am Körper startet die Feuerwehrfrau ihren Einsatz. „Das Gewicht merkt man gar nicht so krass“, sagt Wolz und lacht.
Eine gewisse Leichtigkeit ist es, die sie vermitteln will von ihrem Beruf. Einen Job, den noch so gut wie keine Frau ausübt. Bei der Berufsfeuerwehr liegt der Frauenanteil bundesweit bei 2,8 Prozent. Die Statistik des Feuerwehrverbandes ist von 2021 – neuere Daten kommen erst Ende 2024. In Bochum ist Wolz eine von drei Frauen im mittleren Dienst unter den knapp 400 Berufsfeuerwehrleuten. Sie ist die einzige Gruppenführerin.
Wir treffen Jasmin Wolz für das Videoformat Wegbier. Zehn Frauen aus dem Ruhrgebiet starten mit uns an einem Büdchen und zeigen uns die Orte, die für sie eine besondere Bedeutung haben. Unterwegs erzählen sie ihre Geschichte.
Feuerwehrfrau Wolz: „Ich habe keinen riesigen Bizeps“
Wolz steht in Jeans und T-Shirt neben den großen Einsatzfahrzeugen. Sie winkelt einen ihrer tätowierten Arme an: „Ich habe jetzt auch keinen riesigen Bizeps.“ Wenn die 34-Jährige Dienst hat, trägt sie ihre langen Haare zu zwei geflochtenen Zöpfen, die ihr links und rechts über die Schulter fallen. So ist Wolz auch meist in den Videos zu sehen, die sie auf Instagram postet. „Ich hoffe, dass andere Frauen sich denken: Ach guck mal, eine ganz normale Frau, die durchschnittlich sportlich ist – die schafft das auch“, sagt Wolz.
Mehr als 55.000 Menschen folgen ihrem Account „jasminchen.b“. Sie sehen, wie die Feuerwehrfrau im Zeitraffer die Drehleiter emporklettert und in die Kamera lacht. Mal stapft sie in einem neongrünen Chemikalienschutzanzug über den Hof, mal präsentiert sie die Ausrüstung ihres Einsatzfahrzeuges.
So locker, wie sich Wolz heute in ihrem Job zeigt, war sie nicht immer. Um die Feuerwehrausbildung in Bochum machen zu können, müssen die Bewerber etwa einen anspruchsvollen Sporttest absolvieren: drei Kilometer laufen in weniger als 15 Minuten, mehr als zwölf Liegestützen mit je zwei Sekunden halten, 15 Meter Streckentauchen.
Mit einer gewissen Grundfitness und Training hält Wolz das für machbar. „Die Männer brauchen vielleicht drei Monate Vorbereitungszeit, die Frauen neun“, glaubt sie. Männer hätten es aufgrund ihrer Muskulatur etwas leichter. Doch Unterschiede zwischen den Geschlechtern könne es weder bei den Anforderungen noch im Job geben: „Wenn es brennt, muss eine Frau das Gleiche leisten wie ein Mann.“
„Ich hatte immer das Gefühl, viel mehr geben zu müssen als andere“
Schwierig war es dennoch für Wolz, in ihrem Beruf richtig anzukommen. „Als ich hier angefangen habe, hatte ich immer das Gefühl, viel mehr geben zu müssen als alle anderen“, erinnert sie sich. Sie habe sich stark unter Beobachtung gefühlt, weil es kaum andere Frauen in ihrem Umfeld gegeben habe. Mit der Zeit habe sie gelernt, dass sie nicht mehr tun müsse: „Es reicht so zu sein, wie ich bin.“ Sie habe festgestellt, dass sie vor allem ihr eigenes Anspruchsdenken unter Druck gesetzt habe. Nun versuche sie mehr Frauen für ihren Beruf zu gewinnen. Einen Anteil von zwanzig Prozent fände sie gut.
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„Wir haben einen tollen Zusammenhalt“, schwärmt die 34-Jährige. Zweimal in der Woche arbeitet sie 24-Stunden-Schichten von acht Uhr morgens bis zum folgenden Tag. Die restliche Zeit hat sie frei. Wenn die Feuerwehrleute keinen Einsatz fahren, machen sie tagsüber Übungs- und Arbeitsdienste, Unterricht und Sport. In der Bereitschaftszeit am Abend kocht das Team und sitzt zusammen. „Es fühlt sich für mich im positiven Sinne wie Jugendherberge an“, sagt Wolz.
Im Einsatz sitzt sie als Gruppenführerin im Fahrzeug vorne rechts, daneben der Maschinist am Steuer, hinter ihr der „Trupp“. Viele Situationen seien Routine, aber im Vorfeld sei oft unklar, was sie erwarte. „Ich liebe es, Einsätze zu fahren, weil ich einfach gerne Feuer ausmache.“ Sie wolle nicht, dass Menschen zu Schaden kommen. Im Einsatz könne sie etwas bewirken – und gleichzeitig ein großes Team zusammenbringen, so wie sie es in ihrem früheren Beruf nie erlebt habe.
Feuerwehr: „Keinen Bock auf das Männer-Ding“
Viele von Wolz Kollegen haben schon als Kind gewusst, dass sie zur Feuerwehr wollen. Bei ihr war das anders: Sie wächst bei ihrer Mutter und deren neuem Lebensgefährten in Gevelsberg auf. Ihr Stiefvater will sie früh für die Freiwillige Feuerwehr begeistern. Doch Wolz denkt: „Auf das Männer-Ding habe ich keinen Bock.“ Sie macht eine Ausbildung zur Mediengestalterin.
Erst als ihr leiblicher Vater stirbt, überlegt sie, ob sie etwas Sinnvolles tun könne. Sie fängt bei der Freiwilligen Feuerwehr an. Es macht ihr so viel Spaß, dass sie sich mit Anfang 20 fragt: „Ist das, was ich immer so abstoßend fand, vielleicht genau der richtige Beruf für mich?“
Mehr als zehn Jahre später sagt Wolz, sie habe „das perfekte Leben“ für sich gefunden. Sie habe die besten Kollegen und Spaß im Job. Wenn sie frei hat, fährt sie mit ihrem Mann, ebenfalls ein Feuerwehrmann, mit dem Rad um den Kemnader See. Sie treffen sich mit Freunden in einer Karaoke-Bar im Ausgehviertel Bermuda-Dreieck. Wolz sagt: „Ich bin sehr glücklich, da wo ich jetzt bin.“
Auf ein Wegbier – Zehn Frauen aus dem Ruhrgebiet
Zehn Frauen, zwei Getränke, ein Weg: Im neuen Video-Format Wegbier trifft sich Anne Krum, Chefredakteurin Digital, in zehn Folgen mit Frauen aus dem Ruhrgebiet. Sie starten am Kiosk. Mit einem Getränk in der Hand gehen sie zu prägenden Orten oder Lieblingsplätzen. Auf dem Weg erzählen die Frauen ihre Geschichten. Was treibt sie an, was um?
Kampfsportlerin Mandy Böhm trinkt in der ersten Folge (ab 13. September) kein Bier, aber Kaffee. Beim Streifzug durch Gelsenkirchen erzählt sie, warum sie zwar nicht so aussieht, sie sich selbst aber für ein „Monster“ hält.
In der zweiten Folge erzählt Sängerin Marie Wegener, warum sie trotz Morddrohung und Hassnachrichten an ihrem Traum arbeitet: auf großen Bühnen zu stehen mit ihrer eigenen Musik.
Die Kabarettistin Esther Münch hat ihre Heimat derartig lieben gelernt, dass sie fest davon überzeugt ist, ihre Heimat riechen zu können. In der dritten Folge führt sie durch ihre Heimat Bochum.
In der vierten Folge berichtet die frühere Spitzensportlerin und Nationaltrainerin Martina Voss-Tecklenburg, wie sie auf den Straßen von Duisburg das Kicken erlernte und warum ihre Mutter dagegen war, dass sie im Verein spielt. Sie erzählt auch, wie sie durch ihre Erkrankung ihren Job nicht mehr machen konnte.
In der fünften Folge erzählt Fernsehmoderatorin und Autoverkäuferin Panagiota Petridou, dass sie ihre Menschenkenntnis vor allem in der Kneipe ihrer Eltern gewonnen hat. Mutter und Vater sind als Gastarbeiter in den 60er Jahren nach Nordrhein-Westfalen gekommen.
In der sechsten Folge stellt Jasmin Wolz ihren Alltag als Feuerwehrfrau in Bochum vor. Sie ist eine von ganz wenigen Frauen, die diesen Job ergreifen. Sie berichtet, dass sie als Jugendliche „das Männer-Ding“ Feuerwehr abstoßend fand und wie sie nun ihren Traumjob gefunden hat.
In der siebten Folge gesteht Oberärztin Dagny Holle-Lee: „Das Ruhrgebiet war am Anfang ein Schock“. Wie sie als eine der Top-Spezialistinnen für Kopfschmerzen ihre Medizin aus Essen heraus betreibt, erzählt sie im Video.
Die seit ihrer Geburt blinde Sängerin Cassandra Mae aus Duisburg erreicht Millionen mit ihrer Musik. Selbst der indische Premier ist ein Fan.
„Ich habe relativ vielen Menschen geholfen zu kündigen,“ sagt Britta Cornelißen. Sie arbeitet als Female Empowerment Coach und setzt sich für einen Mutterschutz für alle ein. Aufgewachsen ist sie in Gladbeck.
In der zehnten Folge: DJ Rubiga Murugesapillai.
Die Folgen erscheinen wochenweise neu auf unserer Wegbier-Formatseite.