Bochum-Süd. Eine Bochumer Initiative ist mit ihrem Versuch gescheitert, den Kahlschlag für ein Neubaugebiet zu verhindern. Sie bekam sogar richtig Gegenwind.
Seit nunmehr acht Jahren wird über das geplante Neubaugebiet auf dem Gelände der früheren Erich-Kästner-Gesamtschule (EKS) in Bochum-Wiemelhausen diskutiert. Immer wieder kam es zu Änderungen. Nun scheint ein endgültiger Planentwurf gefunden, der aber noch einige politische Gremien passieren muss, ehe der Rat im November das letzte Wort hat. Als Erstes gab jetzt die Bezirksvertretung Bochum-Süd grünes Licht für das Bauvorhaben und ließ dabei den Protest der Initiative „Netzwerk für bürgernahe Stadtentwicklung“ abblitzen.
Neubaugebiet statt Wald: Protest von Bochumer Initiative blitzt ab
Diese versucht, den Kahlschlag auf dem 7,2 Hektar großen Areal an der Ecke Markstraße/Stiepeler Straße zu verhindern. Für das Neubaugebiet sollen 750 Bäume weichen, die vor allem den Randbereich säumen. Vier große Wohnblöcke sind geplant, dazu ein Mehrfamilienhaus, ein Gebäude für Gewerbe, eine Kita mit vier Gruppen und eine neue Dreifach-Sporthalle. Die Zahl der Wohnungen, die so dringend benötigten neuen Wohnraum schaffen sollen, stand zuletzt noch nicht ganz fest. Anfangs war von 400 die Rede, zuletzt dann von 360 und nun aktuell von 370. Mindestens 30 Prozent sollen öffentlich gefördert sein, ein weiteres Drittel zudem als Eigentum verkauft werden.
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Vielleicht werden es am Ende sogar mehr Wohnungen. Die Stadt ist inzwischen von ihrer Ursprungsplanung abgewichen, die Erdgeschosse der Wohnblöcke ausschließlich für Gewerbe zu reservieren. Auch hier kann jetzt also je nach Bedarf Wohnraum geschaffen werden.
Wolfgang Czapracki-Mohnhaupt, Sprecher des Netzwerks, gab in der Bezirksvertretung Süd alles, um deren Mitglieder umzustimmen. Im Planverfahren sei schon so viel geändert worden, das ginge auch jetzt noch. Den dringenden Bedarf an Wohnraum wolle man nicht anzweifeln, so Czapracki-Mohnhaupt. Doch dort, wo der Gewerbe-Block und eine Stellplatzanlage eingeplant seien, könne man den Wald retten. Darunter seien auch viele schützenswerte Bäume. Die Wohnbebauung bleibe davon unberührt.
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Das Netzwerk hält das für Gewerbe vorgesehene Gebäude direkt an der Ecke Markstraße/Stiepeler Straße auch deshalb für entbehrlich, weil jetzt auch die Bezirksvertretung von ihren Plänen abgerückt ist, mit der Bezirksverwaltungsstelle dort einzuziehen. Da der bisherige Standort im Uni-Center durch Wasserschaden und Schimmelbefall verlassen werden musste, sind Bürgerservice (Amtshaus Weitmar), Bezirksvertretung (Schiller-Schule) und Parteien (Technisches Rathaus) über die Stadt verteilt untergekommen.
Nun wird erwogen, doch wieder ins Uni-Center zurückzukehren. Bezirksbürgermeister Helmut Breitkopf (SPD) berichtet von guten Gesprächen mit der neuen Center-Managerin, die eine Sanierung der Räume im Uni-Center in ein bis zwei Jahren in Aussicht gestellt habe. Bis zu einem möglichen Einzug im Neubaugebiet werde es hingegen wohl dreimal so lange dauern, mutmaßt Breitkopf.
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Doch auch mit diesem Argument und zudem selbst angefertigten Skizzen, wie man das Gelände neben der neuen EKS anders Bebauung könnte, kommt das Netzwerk für bürgernahe Stadtentwicklung in der Bezirksvertretung nicht weiter. Im Gegenteil, Wolfgang Czapracki-Mohnhaupt bekommt von den Lokalpolitikern sogar richtig Gegenwind.
„Nächstes Jahr sind Kommunalwahlen. Lassen Sie sich doch aufstellen und wählen.“
Nicht inhaltlich, da renne er bei ihr und den Grünen mit seinem Ansinnen, Wald zu retten, grundsätzlich offene Türen ein, so Birgit Fligge. „Ich schätze ihren Einsatz sehr. Und ja, es ist schade, dass da Bäume gefällt werden müssen.“ Aber man benötige diesen Platz für neuen Wohnraum. Das sei ein Dilemma. Nicht in Ordnung sei hingegen der „sehr kurzfristige Vorstoß“ des Netzwerkes so kurz vor der Sitzung der Bezirksvertretung. „Da bleibt für uns, die wir das alles ehrenamtlich machen, keine Zeit zur Beratung.“ Man habe nun mal festgelegte Fraktions- und Koalitionssitzungen.
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Noch deutlicher wird ein sichtlich verärgerter Johannes Kuriewicz von der CDU: „Sie kommen immer kurz vor knapp, wann sollen wir das durcharbeiten? Wir haben das Gefühl, dass Sie uns ärgern und beschäftigen wollen.“ Sein Vorschlag direkt an Czapracki-Mohnhaupt: „Nächstes Jahr sind Kommunalwahlen. Lassen Sie sich doch aufstellen und wählen.“
Planung wurde mehrfach geändert
Das Netzwerk für bürgernahe Stadtentwicklung hat noch drei weitere Gelegenheiten, seine Bedenken einzubringen. Am 5. November wird die Bebauung des EKS-Geländes im Ausschuss für Planung und Grundstücke beraten, am 13. November dann im Haupt- und Finanzausschuss. Die finale Entscheidung trifft am 21. November schließlich der Rat. Dort soll der Bebauungsplan Nr. 862, der den Bereich Markstraße / Stiepeler Straße betrifft, beschlossen werden. Erst danach kann mit der Suche nach einem Investor begonnen werden.
Das Plangebiet des Bebauungsplans Nr. 862 – Markstraße / Stiepeler Straße – wurde um die Sporthalle der Ruhr-Universität Bochum und den nördlich angrenzenden Bolzplatz erweitert und um den Neubau der Erich-Kästner-Gesamtschule verkleinert. War zuletzt ein Mix aus Wohnraum und Gesundheitsangeboten vorgesehen, liegt nun auf ersterem der Schwerpunkt.
Die Gutachten, die für das Neubaugebiet angefertigt wurden, sind ab sofort beim Amt für Stadtplanung und Wohnen im Technischen Rathaus, Hans-Böckler-Straße 19, Zimmer 1.0.210 (Planauslage), einsehbar. Terminvereinbarung unter Tel. 0234 910-1717 oder per E-Mail an bebauungsplanauskunft@bochum.de . Die Unterlagen sind auch im Internet zu finden: www.o-sp.de .