Bochum. Schimmel, falsche Nebenkosten-Abrechnungen, kaputte Aufzüge. Das Uni-Center in Bochum hat viele Probleme. Warum seine Bewohner es dennoch lieben.

Schimmel im Wohnzimmer, der Aufzug seit Wochen kaputt, der Vermieter nicht erreichbar: Wer im Uni-Center in Bochum-Querenburg wohnt, der regt sich über solche „Kleinigkeiten“ oft schon gar nicht mehr auf. Gelassen rattern die Mieterinnen und Mieter, die sich in der Stadtbibliothek treffen, ihre Mängel-Listen herunter. Zeigen auf den Handys, wie oft sie vergeblich in der Warteschleife der Vermieter-Hotline gehangen haben. Und doch: Weg will keiner von ihnen.

Das Uni-Center in Bochum-Querenburg.
Das Uni-Center in Bochum-Querenburg. © FUNKE Foto Services | Hans Blossey

Ursprünglich hätte der Hochhaus-Komplex an der Ruhr-Uni ein pulsierendes Zentrum zum Wohnen, Einkaufen und Flanieren werden sollen. Topmoderne Einkaufsstadt, ein Warenhaus, zwei Supermärkte, 60 Fachgeschäfte. So der Plan.

Uni-Center in Bochum-Querenburg: Zu viel Schimmel für die Stadt Bochum

50 Jahre später ist davon jedoch nicht mehr viel übrig geblieben. Das Uni-Center ist als Dauer-Problem dem Mieterverein bekannt. Und auch die Stadt Bochum entschied Ende vergangenen Jahres, dass die Räume der Bezirksverwaltungsstelle zu schimmlig für Mitarbeiter und Kunden geworden seien und zog die Räume leer.

Diese Texte haben viele Menschen interessiert

Dort gegenüber – in der Stadtbücherei – treffen sich seit einiger Zeit Mieterinnen und Mieter, um sich zu vernetzen. Das ist ein Ziel von Prof. Christiane Falge von der Hochschule Gesundheit. „Die Menschen leben hier in verwahrlosten Wohnungen. Unter den vielen zugewanderten Menschen gibt es eine Kultur des ‚Nichtaufbegehrens‘. Unsere Forschungsergebnisse deuten darauf hin, dass die Eigentümer das einkalkulieren.“

„ „Das ist meine Heimat, auch wenn ich mich ärgere.““

Friedrich Kreidt

Dagegen will sie mit den neu ausgebildeten Stadtteilforscherinnen vorgehen. Dabei werden Mieterinnen mit Migrationshintergrund vor Ort befähigt werden, mit denjenigen zusammenzuarbeiten, die an der Verwaltung von Nachbarschafts- und Wohnungsdienstleistungen beteiligt sind. Denn, obwohl es sich an vielen Stellen im Unicenter nicht gut leben lässt, weg wollen nur die wenigsten.

Warum es den Bewohnerinnen und Bewohnern trotzdem gefällt

„Das Uni-Center ist wie eine kleine Stadt. Ich bin 2006 hier eingezogen. Man hat einfach alles, was man braucht. Arzt, Kindergarten, Schule. Die Busse halten direkt vor der Tür“, sagt Nadine Pahl (51).

Ein Blick auf einen der Wohntürme des Uni-Centers.
Ein Blick auf einen der Wohntürme des Uni-Centers. © FUNKE Foto Services | Gero Helm

Auch Friedrich Kreidt wohnt in einem der Wohntürme: „Das ist eine Aussicht!“ Er lebt gerne in Querenburg, fühlt sich wohl im verrufenen Uni-Center. Der 74-Jährige hat einen für ihn ganz guten Weg gefunden, sich den Ärgernissen des Uni-Center-Alltags zu arrangieren.

Der Aufzug funktioniert nicht? Wasser gibt‘s nur kalt oder brüllend heiß? Friedrich Kreidt kürzt die Miete – und ignoriert alle Schreiben des Vermieters, lässt sich dabei selbstverständlich juristisch beraten. Der Mieterverein Bochum unterstützt ihn dabei – würde das auch bei den Nachbarn gerne machen. „Aber viele Menschen, die hier wohnen, haben Angst“, sagt Mieterverein-Sprecher Martin Krämer.

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Aus dem Projekt der Hochschule für Gesundheit haben sich indes mehrere Arbeitsgruppen gegründet. Das Kennenlernen der Nachbarn sei hilfreich gewesen. „Aber viele sind nach den ersten Treffen nicht mehr gekommen“, sagt Christiane Falge. „Sie sind zu demoralisiert, um sich zu beschweren.“

Friedrich Kreidt ist vorn dabei, wenn‘s darum geht, die Probleme am Uni-Center anzukreiden. „Kommen‘se mal mit. Dahinten haben Tauben alles vollgemacht. Und hier ist eine Scheibe kaputt.“ Und dennoch: Der 74-Jährige hat nie überlegt, seine Wohnung in einem der Türme zu verlassen. „Das ist meine Heimat, auch wenn ich fluche.“